Die vielen verschiedenen Inhalte von GW2 überraschen mich, weil ich mich dafür von einem Kern meines bisherigen MMORPG-Denkens komplett lösen mußte. Bisher war ich immer ein extrem fokussierter Spieler, der nach sehr starren Schemata spielte: Entweder knüppelte ich, wie bei WoW, das "beliebige Questgedöns" schnell durch zum Maxlevel, rüstete mich aus und versank in den Instanzen, weil der Rest spätestens dann oder auch schon vorher nicht mehr interessant war. Oder ich tauchte, wie bei ESO oder SWTOR, in die Geschichten und Questen ein, machte viel Handwerk und Housing und spielte Instanzen nur nebenbei. Auf jeden Fall waren für mich "Randinhalte" in den Spielen nie so wichtig.
Bei GW2 aber kann man weder die Hauptgeschichte noch die Nebenquesten (obwohl: die schon eher) noch das Ausrüsten mal eben so durchknüppeln oder ignorieren und muß auch schon einiges auf dem Buckel haben, um die Raids und Fraktale besuchen und auch solide spielen zu können.
Das Erkunden, Entdecken und auch die Nebeninhalte sind integraler Bestandteil des Spieles, z.B. muß man teils knobeln, wie man Kartenpunkte erreichen kann, und danach sich dann auch gelegentlich an einem Sprungpuzzle dafür versuchen.
Oder man muß sich die oftmals nett ins Gebiet eingebetteten Nebenquesten auch mal durchlesen, weil man sonst gar nicht weiß, was man genau zu tun hat. Nebenquesten erlauben ja i.d.R. 3-5 Lösungsprozeduren, und reines Geprügel ist nicht immer die beste; teils funktioniert es gar nicht.
Oder man muß für das Erreichen bestimmter Meilensteine Events ganz unterschiedlicher Art mitmachen, weil sie u.a. schöne EP und Erfolge bringen können.
Oder man muß sich öfter neue Ziele und Meilensteine selbst suchen, u.a. die ganzen Reittiere und deren Ausbildung sowie zahlreiche lohnenswerte Erfolge.
Das Handwerk mit seinen mächtigen Möglichkeiten und unzähligen Materialien ist ein ganz eigenes Pfund im Spiel.
Alles in allem ist GW2 dadurch etwas verwirrender, weniger geradlinig und doch etwas "komplizierter gestrickt" als Genrekollegen, andererseits auch vielfältiger mit mehr spielenswerten Inhalten. Die Entwickler haben Randinhalte, z.B. Kartenaufdeckung, Nebenquesten, Handwerk, Ernten und Erfolge - aber auch den teils nötigen Grind -, fester ins Gesamtspiel eingebaut, als das die meisten anderen MMORPG machen. Man kann oder sollte das nicht alles durchgehend ignorieren.
Ich habe heute z.B. knapp 30 Minuten gebraucht, um einen Aussichtspunkt zu erreichen. Erst mußte ich ihn finden, dann war er Teil eines Sprungpuzzles, dessen Anfang ich zunächst finden mußte. Schließlich mußte das Puzzle bis zum Aussichtspunkt bewältigt werden. Am Anfang war ich genervt, weil das nicht alles fix fix ging und ich nicht einfach die EP einsacken und weiterknüppeln konnte. Dann fiel mir auf, daß mir da gerade ein fordernderer Spielinhalt präsentiert wurde, nicht nur eine billige EP-Schleuder im Vorbeigehen. Als ich mit diesem Gedanken mal meine innere Hetze in MMORPG ablegte und mich ganz in Ruhe diesem Inhalt und der Knobelei widmete, hatte ich dabei ungeahnt viel Spaß.
Hm, das schnelle Durchspielen der Inhalte und das Durchrauschen zum Endgame mit den dann immer gleichen Grind- und Spielinhalten ist augenscheinlich gar nicht der Plan der Entwickler gewesen.