Mal eine Frage:
Savage Worlds wird ja häufig genannt, wenn es darum geht ein alternatives Regelsystem zu verwenden. Aber warum?
Das Savage Worlds Regelsystem hält, was andere Rollenspiele in ihrem Setting an Erwartungen wecken, aber in der Regelumsetzung nicht erfüllen können.
Wer sich von einem Rollenspiel flüssige Action-Szenen, schnelles, unaufdringliches Regelabwickeln, und eine breite Skalierbarkeit von Konflikten wünscht, dem bietet das generische Regelsystem von Savage Worlds eine solide Basis. Und da Savage Worlds eine recht einfache Struktur hat, in welcher bereits Punkte VORGESEHEN sind, an denen man Anpassungen für eigene oder fremde Settings vornehmen kann und auch soll, ist ein Umsetzen eines Settings auf dieses Regelwerk oft eine sehr schnelle und sehr einfache Sache.
Jedoch hat das seinen Preis: Savage Worlds ist relativ GROBGRANULAR. - Wem in seinen Regelwerken die feinen Details, das feine Unterscheiden wichtig ist, dem wird Savage Worlds zu wenig zu bieten haben.
Beispiel: Es gibt genau EINE Fertigkeit für das Bedienen von Schußwaffen von Bogen über Ballista über Musketen über schwere MGs bis zu Bordgeschützen von Raumschiffen. Shooting deckt hier wirklich ALLES ab.
Bei Settings, in denen das "Erbsenzählerische" nicht so wichtig ist, bei denen es egal ist, ob ein Charakter nun Schießen: Revolver, Schießen: Pistole, Schießen: Schrotflinte, Schießen: Vorderladermuskete, ... gelernt hat, weil es nur interessiert, OB er überhaupt Schießen kann und OB er trifft, kann man mit der geringen Detailtiefe von Savage Worlds sehr gut spielen.
Z.B. Star Wars. - Hier "kommt der Strom aus der Steckdose". Die Technologie funktioniert einfach so. Und ein echter Held kann mit JEDER, wirklich jeder Waffe, die er in die Finger bekommt, kämpfen, schießen, Gegner in Horden niederringen.
Und welches Setting ließe sich z.B. nicht anpassen?
Geht nicht, gibt's nicht.
Jedoch: Eine Savage Worlds Conversion kann - je nach Setting-Vorlage - sich bisweilen DEUTLICH ANDERS im Spiel anfühlen als das Original.
Klassisches Beispiel (und direkt aus dem Hause Pinnacle!) ist Deadlands. Das Deadlands Classic Regelsystem ist fertigkeitsorientiert, detailliert und in der Regelabwicklung mindestens in Kampfszenen relativ langsam (weil so detailliert). Die neueste Auflage von Deadlands als Deadlands: Reloaded verwendet das Savage Worlds Regelsystem. Damit ist Deadlands:Reloaded "vorteils-orientiert" (Edges sind in SW wesentlich wichtiger zur Individualisierung von Charakteren als die - wenigen - Skills, in Deadlands Classic ist das eher umgekehrt), wenig detailliert und in der Regelabwicklung von Kampfszenen außerordentlich schnell.
Szenarien mit z.B. Kampfszenen von 90 Zombies gegen 7 Spielercharaktere sind in Deadlands Classic langwierige Zeitfresser (gegen 30 Zombies dauert so etwas schon einmal 4 Stunden, mit Savage Worlds Regelsystem ist hier maximal eine Stunde zu veranschlagen, eher 30 Minuten, wenn alle Spieler schon mal Savage Worlds gespielt haben). Man erlebt bei solcher Skalierung der Kampfszenen weit weniger "Geschichte", sondern verbringt den Großteil der Zeit mit Regelabwicklung.
Da hat Savage Worlds / Deadlands: Reloaded enorme Vorteile: 90 Zombies? Lächerlich. Von solchen Kampfszenen kann man an einem 4-5 Stunden Spielabend gleich mehrere(!) bringen, und die Story dazwischen kommt auch nicht zu kurz.
Jedoch: Deadlands: Reloaded reduziert gegenüber dem Original fast ALLE liebgewonnenen und den Reiz des Weirdwest ausmachenden Details der übernatürlichen Hintergründe, der Mad Science etc. - Und das ist, bei allem Geschwindigkeitsgewinn im Kampfsystem, ein HERBER VERLUST.
Deadlands: Reloaded "schmeckt anders" als Deadlands Classic.
Und obschon Deadlands Classic ganz klar langsamer in der Abwicklung ist und schlechter skaliert, so ist es doch das qualitativ "echtere" Slow-Food-Regelsystem für den Weirdwest, während Deadlands:Reloaded eher die Fast-Food-Variante darstellt. - Auch lecker, aber anders, und hält nicht so lange vor.
Wichtiger Punkt bei Conversions: Sind im Original-Rollenspiel viele den Reiz des Originals ausmachenden Aspekte im REGELWERK verankert, so wird sich eine Conversion auf Savage Worlds definitiv deutlich anders (und möglicherweise unbefriedigend) spielen als das Original.
Sind jedoch im Original-Rollenspiel die Regelwerkumsetzungen kaum verzahnt mit dem Setting (wie z.B. bei so gut wie allen D20-Settings, die man bekommen kann), dann ist eine Conversion schnell und problemlos und erlaubt einem das Setting mit viel Vergnügen zu spielen (Ich habe von mehreren Seiten zu meinen eigenen D20-Conversions als Feedback bekommen, daß sich diese so spielen, wie es die Spieler, die die D20-Originale kannten, sich vom dortigen Fluff-Text erwartet hatten, in der D20-Umsetzung aber nicht präsentiert bekommen haben.).
Definitiv sehr gute Erfahrungen mit Conversions habe ich bei den D20-Settings Conan, Babylon 5, Dawning Star, und anderen Nicht-D20-Settings wie Gamma World (1st Ed.!), Maddrax, Indiana Jones, usw. gemacht.
Durchwachsen (d.h. mit Abstrichen, engerer Fokussierung) ging es mit Engel (wegen sehr unklaren Quantitäten im Original-Regelwerk - die D20-Regeln zu Engel sind leider nur sehr wenig brauchbar und widersprechen dem Fluff-Text ständig), Unknown Armies (Spielerfahrung war sehr gut, aber die unterschiedlichen Magie-Richtungen waren unterschiedlich leicht umzusetzen).
Abstand genommen habe ich von einer Castle Falkenstein Conversion, auch wenn das Original-Regelsystem wirklich "broken" ist und das Kampfsystem schlichtweg nicht zum gesamten Rest von Castle Falkenstein paßt. Da war mir Savage Worlds für die Art, in der ich CF spielen mag, zu taktisch orientiert und ZU DETAILLIERT in Bereichen, die für mein Interesse an CF nicht so wichtig sind.
Unterm Strich: Alles mögliche kann auf SW konvertiert werden, aber nicht alles SOLLTE man konvertieren. (Deadlands z.B. war für mich da sehr ernüchternd.)