Ist schwer auf einen Punkt zu bringen; ich schmeiße einfach mal ein bisschen was in den Raum:
- Diebe sind nirgends gut gelitten.
In mittelalterlichen oder anderen Gesellschaften mit wackligem Gewaltmonopol, geringer Rechtssicherheit, kaum oder gar nicht vorhandenen rechtsstaatlichen Strukturen usw. gilt das umso mehr.
Heutzutage ist es meistens eigentlich nur ärgerlich, wenn man was geklaut kriegt - zumal die größeren Schäden i.d.R. versichert oder zumindest versicherbar sind.
Das ist unter anderen Umständen eben deutlich anders.
Die drakonischen Strafen, die sich für Diebstahl etabliert und lange gehalten haben, kommen ja irgendwo her - die werden von den Betroffenen so gefordert und akzeptiert.
Wir erinnern uns: Einem Dieb wird in vielen hier relevanten Gesellschaften die Hand abgeschlagen (!); bei Diebstahl bestimmter Sachen wird er auch gerne mal aufgehängt.
Beispiel: Viehdiebstahl im Wilden Westen.
Da wird ein Mensch getötet, weil er eine bescheuerte KUH geklaut hat!
Für uns in Deutschland heute undenkbar - und so lang ist das noch gar nicht her...
Wer unter solchen Umständen den Dieb als
Konzept wählt, sagt quasi:
Ich will einen Charakter spielen, der ständig Gefähr läuft, aufs Schärfste mit der Gesellschaft aneinander zu rasseln und sich drakonischen Maßnahmen ausgesetzt zu sehen, ohne dafür einen vertretbaren Gegenwert zu erhalten bzw. erhalten zu haben.
Dieser "vertretbare Gegenwert" bringt mich zum nächsten Punkt:
- Diebstahl hat Gründe.
Entweder ist man hinter dem ganz großen Fang her (das ist ja noch einigermaßen nachvollziehbar) oder man klaut (insbesondere bei so drakonischen Strafen), weil man sich gar nicht mehr anders zu helfen weiß und noch nicht mal mehr was zu fressen hat.
SC-Diebe sind aber meiner Erfahrung nach sehr selten das, was man oft als "Meisterdieb" bezeichnet (also mit Plan und Verstand hinter dem ganz großen Fang her), sondern Kleptomanen, die schon in die vom sozialen System recht unabhängige SC-Gruppe nicht so recht passen und erst recht nicht in die Gesellschaft.
In einer "handelsüblichen" Fantasy-Abenteurergruppe muss keiner aus Not klauen. Irgendwoher kommt immer auf mehr oder weniger legalem Weg Geld her - Beute von Monstern, aus Dungeons, Questbelohnungen usw. usf.
Der Dieb klaut also ohne jeden Grund, weil er halt ein Dieb ist
- Von
anerkannten Diebesgilden will ich gar nicht erst anfangen...
Zum Abschluss ein Gedanke in eine andere (mMn in diesem Zusammenhang die richtige) Richtung:
Der "Dieb" als Rolle innerhalb der Gruppe.
Klar hat ein Fantasy-Dieb seine Spezialbereiche (Fallen aufspüren, Spurenlesen usw. usf.), aber gerade so ein Dungeoneering-Spezialist sollte dann doch eigentlich darauf bedacht sein, sich von dem normalen Diebesgesocks abzugrenzen.
Stattdessen hat er eine Bezeichnung, die ihn nicht nur IG nicht ausreichend abgrenzt, sondern auch noch OOC den Spieler dazu verleitet, das wörtlich umzusetzen, anstatt sich eben am Idealbild des Zugangs-, Schleich-, Meuchel- und Fallenspezialisten zu orientieren, das i.d.R. hinter einem typischen Fantasy-Dieb steht.
Gerade bei D&D und ED ist der Dieb ja irgendwas zwischen Heckenschütze, Aufklärer, Kampfmittelräumer und Schlüsseldienst, aber sicher kein gewöhnlicher Krimineller.
Wenn man sich an diesem Rollenbild orientiert, kann ich mit einem Fantasy-Dieb auch leben - der ist dann nämlich nur unglücklich bezeichnet, hat jedoch einen echten Nutzen und dürfte wohl auch sozial mehr oder weniger akzeptiert sein (weil er seine Fähigkeiten nicht gegen die Gesellschaft richtet).
Das gibt aber bei Weitem nicht jedes Setting und jedes System her.
Wenn die Voraussetzungen für den Dieb als Dungeoneering-Spezialisten nicht da sind, fällt er als Konzept einfach flach, weil er dann zwingend nur noch ein Krimineller ist.
Vielleicht zur Verdeutlichung:
D&D/ED (stellvertretend für Settings, die den Dieb als Dungeoneering-Spezialisten hergeben):
A: "Ich spiele einen Dieb (einen Spezialisten zur Fallenräumung, der gut schleichen kann usw. usf.)."
B: "Ich spiele einen Kämpfer (der sich mit Monstern und anderen Gegnern haut)."
C: "Ich spiele einen Magier (der sich mit Übernatürlichem auskennt, zaubern kann usw.)."
DSA/Riddle of Steel (stellvertretend für Settings, die den Dieb als Spezialisten mMn nicht hergeben und wo er daher als gewöhnlicher Krimineller "endet"):
A: "Ich spiele einen Dieb."
B: "Dann spiele ich einen Betrüger!"
C: "Ich einen Mörder!"
D: "Und ich einen Vergewaltiger!"
Mein Eindruck ist es, dass sich sowohl Autoren als auch Spieler bisweilen einfach keine Gedanken machen, ob der Dieb sinnvoll (d.h. als nützliches und sozial akzeptables Gruppenmitglied) darstellbar ist.
Da wird dann ohne weiteres Nachdenken über das Setting einfach mal eine SC-Klasse "Dieb" geschrieben oder eben ein Dieb gespielt - mit den hier breitgewalzten Problemen/Unstimmigkeiten als Folge.