Das Chinesische Meer ist daher ein Hexenkessel. Ein lukrativer Hexenkessel, in dem Piraten, korrupte Beamte und europäische Händler um Ruhm und Geld kämpfen. Zwar wirkt die Situation gefestigt, doch das heißt nicht, dass waghalsige Händler keine Chance hätten, ihren Schnitt zu machen.
James Clavell hat sich in seinem Roman von der Geschichte Hongkongs inspirieren lassen, aber sich dort künstlerische Freiheiten erlaubt, wo dies für einen guten Roman nötig war. Ähnliches gilt auch für Tai Pan als Rollenspiel-Hintergrund: Einige Abweichungen vom Roman sind erforderlich, um es spielbarer zu gestalten. Als Grundlage habe ich allerdings den Status nach dem großen Ball in Hongkong genommen, in dem Tess und Culum sich zum ersten Mal sehen – das Konfliktpotenzial wirkte mir hier am größten. Die weitere Entwicklung sollte den Spielern überlassen bleiben.
Aber nun, was kann man spielen?
Zunächst einmal bietet sich natürlich an, ein kleines Handelshaus zu spielen, welches gerade gegründete wurde bzw. gerade seine erste Niederlassung im Chinesischen Meer eröffnet. Die Charaktere versuchen, Handelskontakte zu Piraten und Triaden zu knüpfen, um ihr Opium abzusetzen – oder versuchen sie sogar, andere Waren zu verkaufen? Der Kaiser erlaubt es zwar nicht, aber das industrialisierte England kann durchaus einige Waren herstellen, welche China brauchen kann.
Das Chinesische Meer ist von Piraten verseucht. Die Royal Navy geht zwar gegen diese vor, so gut sie kann, aber als Flotte kann sie wenig gegen deren Stützpunkte im Landesinneren tun. Die Spieler könnten daher durchaus auf Piratenjagd gehen – um dann mit den erbeuteten Waren selbst einen Handel zu beginnen.
Dann gibt es noch die Handelshäuser der anderen europäischen Mächte, etwa Portugals, Spaniens und der Niederlande, die lange Zeit einen großen Einfluss im Asienhandel hatten. Sie sind zwar vom direkten Opiumhandel ausgeschlossen, da dieser nur in engländischen Kolonien gekauft werden kann, aber Embargos gegen andere Handelshäuser oder Händler bestimmter Nationen erlauben immer wieder die Tätigkeit als Zwischenhändler. Und, wer weiß – vielleicht wächst Opium ja auch außerhalb des Empire…
Zu guter Letzt ist es auch möglich, gleich ganz oben einzusteigen. Culum und Tess könnten durchaus von Spielern übernommen werden, und sich dann mit einem Teil der Kontakte und der Mittel ihrer Väter selbstständig machen – etwas, wobei diese vermutlich nicht ruhig zusehen werden. Im Gegenteil, sie werden alles versuchen, um die unbotmäßigen Kinder wieder unter Kontrolle zu bringen. Insgesamt bieten sich für dieses Vorgehen Shevaun, Culum und Tess an, mit Robb und Jeff könnte es aber ebenso funktionieren. Sollte ein solches Vorgehen nur das Noble House bzw. Strock & Sons treffen, könnte die Gruppe natürlich auf gewisse Unterstützung des jeweils anderen Hauses hoffen…
Ebenso möglich ist es aber, Piraten oder Rebellen zu spielen. Besonders die Piraten haben in letzter Zeit Europäer in ihren Reihen aufgenommen, um an deren Know-how zu gelangen.
Als letzte Möglichkeit will ich noch russische Spione anführen. Russland ist die einzige Macht, die Englands Vorherrschaft in Asien gefährdet, entsprechend hat das Land ein Interesse daran, die englischen Vorhaben zu sabotieren. Vor allem aber will Russland wissen, wie stark China wirklich ist – und wie fest im Sattel die Qing sitzen. Und wenn man da ein paar Schrauben lösen könnte, wäre das auch nicht schlecht…