Autor Thema: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?  (Gelesen 6934 mal)

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Offline Lichtbringer

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Hallo Leute,

ich habe in letzter Zeit das Gefühl, eine seltene aber durchaus vorkommende Kreative Agenda beobachtet zu haben, die ich nicht in die drei Grundtypen nach Ron Edwards (Gamismus, Narrativismus und Simulationismus) einordnen kann.
Daher gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sehe ich die Lösung nicht oder es gibt noch mindestens eine weitere Kreative Agenda, die in einer Rollenspielrunde zur Anwendung kommen kann.

In diesem Thema wollte ich die Idee kurz in den Raum werfen. Es geht mir darum, ob es sich dabei wirklich um eine eigenständige Agenda handelt oder sie in die anderen Typen eingeordnet werden könnte. Es geht also darum, ob diese Agenda legitim existieren kann.
Es geht nicht darum, was ihr von dieser Agenda haltet, wie oft oder selten sie ist, was ihr generell vom GNS-Modell haltet usw. Dazu könnt ihr gerne weitere Themen eröffnen, hier würde es leider vom Diskussionsgegenstand ablenken.

So, nach dieser langen Einleitung, meine Beobachtung:
Ich habe in letzter Zeit zwar selten aber doch ab und zu erlebt, dass eine meiner Spielrunden das Rollenspiel zu etwas nutzt, was das GNS-Modell meiner Ansicht nach nicht abdeckt.
Es geht dabei nicht darum, welche gamistischen Aspekte wichtig sind, wie gut die Immersion in die Welt geschieht oder wie toll die Geschichte ist, sondern darum, was man durch Rollenspiel über seine eigenen Lebensumstände oder die reale Welt ausloten kann. Hier wird der berühmte Brechtsche Verfremdungseffekt (http://de.wikipedia.org/wiki/Verfremdungseffekt) genutzt, um über die Welt zu reflektieren. Diese Kreative Agenda möchte ich hier deshalb provisorisch als Brechtismus bezeichnen.

Was meine ich damit? Hier exemplarisch zwei Situation, in denen die Gruppe Brechtismus betrieben hat:
1) Einer der Spieler hatte eine depressive Phase. Vermutlich deshalb hat er seinen SC an einem Spielabend eine Sinnkrise durchleben lassen. Im Kontext des Spielwelt kam es dann zur existentialistischen Auseinandersetzung mit der Spielwelt und den anderen SC über Lebenssinn und inneres Gleichgewicht. Wir konnte dem Spieler auf diese Weise helfen. Und zwar, ohne(!) dass dies irgendwie geplant gewesen oder auch nur offen ausgesprochen worden wäre. Wir haben uns nicht zusammengesetzt und darüber geredet (dann hätte die Person eh abgeblockt), sondern das Spiel lief einfach in Situationen und Szenen hinein, in denen genau die gleichen Themen relevant waren wie zu der Zeit im wirklichen Leben.
Das Rollenspiel wurde hier ganz von selbst zum Reflexionsmedium und diese Entwicklung wurde von Spielleiter und allen Spielern gemeinsam getragen. Eine Kreative Agenda.

2) In einem etwas weniger drastischen Beispiel haben wir die Auswirkungen von Bedrohung und Isolation auf familäre Strukturen anhand von Figuren erkundet, die fern ab der Heimat fremde Planeten erkundeten.

In diesen und anderen Fällen ging es (zumindest aus meiner Sicht) nicht um Gamismus, Narrativismus oder Simulationismus. Spielsystem und Regeln waren unwichtig, eine packende Handlung hätte die Entwicklung gestört und zu starker Simulationismus hätte die Illusion zu perfekt gemacht, so dass die Reflexion verhindert worden wäre. Die Spielwelt musste sichtbare Parallelen mit der realen Welt aufweisen, um als Parabell zu dienen. Eine komplette Immersion wäre genauso hinderlich gewesen wie ein Eigenleben der Spielwelt, das einem narrativen Handlungsstrang folgt.
Die vierte Wand musste durchbrochen werden. Quasi wie im Epischen Theater nach Bertolt Brecht. Das Rollenspiel bietet sich hier geradezu an, weil es anders als im Theater den Leuten die Wahl lässt, was sie erleben wollen. Deshalb wird die vierte Wand schon dadurch durchbrochen, dass man sich als Spieler ja fragen muss, warum gerade dieses Thema durchgespielt wurde und kein anderes, wo gerade das ihn doch betrifft.
Ich hoffe, ich konnte halbwegs klarmachen, worum es mir geht.

Was meint ihr dazu? Schreibe ich völligen Unsinn oder gehe ich recht in der Annahme, dass diese Form vom Rollenspiel nicht in die GNS-Kategorien einzuordnen sind?

Offline Gaukelmeister

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Zunächst einmal würde mich interessieren, ob du glaubst, dass jedes Mal, wenn irgendwo die Methode Rollenspiel zum Einsatz gebracht wird, eine kreative Agenda im Forge-Sinn vorliegen muss. Ich frage das, weil du zumindest im ersten Beispiel eine Situation beschreibst, die für mich eher in Richtung eines therapeutisch angelegten Rollenspiels geht. Wenn dies der Fall ist, wäre es aber erst einmal zu klären, ob man da überhaupt sinnvoll vom Vorliegen einer kreativen Agenda sprechen kann.

Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass nicht jedes Mal, wenn Rollenspiel in pädagogischen, therapeutischen, spielerischen etc. Kontexten betrieben wird, eine kreative Agenda vorliegen muss. Auch wenn ich das jetzt noch nicht ganz präzise sagen kann, scheint mir der Grund dafür etwas mit den unterschiedlichen Zielen zu tun zu haben, die jeweils vorliegen. Im therapeutischen Kontext geht es letztlich um Heilung, in pädagogischen Kontexten um Lernen und in unserem Freizeitkontext um das Verleben einer guten Zeit. Intuitiv würde ich sagen, dass nur bei letzterem eine kreative Agenda à la Forge vorliegt.
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Offline Teylen

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Es klingt fuer mich nach Narrativismus.
Mit der Unterscheidung das die Handlung nicht extern [ein Abenteuer erleben] sondern intern ist [moralische Auseinandersetzung]. Gerade auch weil ein System wie die World of Darkness das dem Naarativismus zugezaehlt wird doch auch gerade den Aspekt der Zerrissenheit der Charaktere hervorhebt.
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Offline Lichtbringer

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@Gaukelmeiser:
Eine interessante Frage. Rollenspiel im engeren Sinne dürfte schon eine Kreative Agenda haben. Irgendetwas muss das Spiel ja strukturieren und die Leute dazu bringen, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen.
Pädagogisches Rollenspiel ist da ein anderer Fall, weil es ja nicht aus Freude am Spiel gespielt wird, sondern explizit zu einem anderen Zwecke. Brechtismus (so er denn existiert) hat diesen Effekt implizit und er stellt sich auch erst im Spielverlauf heraus.

@Teylen:
Die angewendeten Techniken liegen sicherlich irgendwo zwischen Narrativismus und Simulationismus (wobei sie mir doch eher bei letzterem zu liegen scheinen). Der Unterschied ist jedoch, dass diese bei N und S Selbstzweck sind und direkt den Spielspaß hervorbringen.
B (so er den existiert) verwendet diese Mittel nicht als direkte Generatoren zur Spielfreunde (direkt daraus erwachsene Spielfreude ist eher ein angenehmer Nebeneffekt), sondern setzt sie als Werkzeuge zum persönlichen Fortschritt ein.

Offline Joerg.D

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Zitat
Es geht dabei nicht darum, welche gamistischen Aspekte wichtig sind, wie gut die Immersion in die Welt geschieht oder wie toll die Geschichte ist, sondern darum, was man durch Rollenspiel über seine eigenen Lebensumstände oder die reale Welt ausloten kann.

Für mich ist das ganz klassisch SIM

So wie der Psychologe im Rollenspiel simuliert, was in bestimmten Situationen passiert, probiert der Spieler aus, wie die Umgebung auf solche Sachen reagiert.


Zusatz: Allerdings ist der Psychologe in der Regel gut ausgebildet und kann bei Komplikationen eingreifen. Ich würde jemanden der zur Eigentherapie neigt echt professionelle Hilfe empfehlen, anstatt in einer Fantasie oder Paralelwelt auszuprobieren, wie er mit was für Situationen umgeht.
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
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Offline Lichtbringer

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Hm, kommt mir irgendwie nicht identisch vor. Vor allem, weil es eben nicht darum geht, eine maximal stimmige Simulation zu erzeugen. Wie gesagt: Durchbruch der vierten Wand.
Aber du könntest Recht haben. Teylen könnte auch Recht haben, die es als puren Narrativismus einordnet. Dass sich da zwei Leute widersprechen wundert mich viel eher...

Zusatz: Allerdings ist der Psychologe in der Regel gut ausgebildet und kann bei Komplikationen eingreifen. Ich würde jemanden der zur Eigentherapie neigt echt professionelle Hilfe empfehlen, anstatt in einer Fantasie oder Paralelwelt auszuprobieren, wie er mit was für Situationen umgeht.

Da hast du definitiv Recht. Aber es war ja auch nicht geplant, dass sich das Spiel so entwickeln würde. Außerdem sollte man sich nicht zu sehr an dem Beispiel aufhängen. Es geht ja nicht nur um Therapie.

Offline Dr.Boomslang

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Der Bereich Creative Agenda (CA) betrifft soweit ich das weiß nur den Bereich des Rollenspiels als Unterhaltung, und wie der Name schon sagt auch nur den tatsächlich kreativen Bereich. Es gibt genug andere Wirkungsweisen und Interessenlagen die beim Rollenspiel beteiligt sein können, diese werden aber nicht unter CA eingeordnet. Der Casual Player z.B. der nur mit seinen Freunden was machen will, oder der Spieler der sich bespaßen lässt, nehmen an einer CA im eigentlichen Sinn nicht wirklich teil.

Ich würde sagen alle Intentionen von Spielern die das Spiel als soziales Mittel austauschbar werden lassen, äußern sich nicht primär in einer CA.

Offline Yehodan ben Dracon

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Entweder ist es nur eine andere Motivation zu N oder S, oder man könnte es (laienhaft) als Expressionismus bezeichnen.
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Offline Lichtbringer

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@Dr.Boomslang:
Da hast du Recht. Die Frage ist eben wie oben, was Mittel, was Zweck und was Nebeneffekt sind. Soziales Miteinander ist Grundlage und nicht Zweck des Rollenspiels. Und normalerweise sind "soziale Errungenschaften" Nebeneffekte des Rollenspiels. Ich habe nur eben auch erlebt, wie sie Zweck des kreativen Vorgangs werden können.

Offline Lichtbringer

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Entweder ist es nur eine andere Motivation zu N oder S, oder man könnte es (laienhaft) als Expressionismus bezeichnen.

Könnte man? Von dem Begriff habe ich zu wenig Ahnung, um in hier einzuwerfen.

ErikErikson

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #10 am: 6.07.2010 | 15:49 »
Ich verstehe die GNS Typen nicht, obwohl ich sie mir zigmal durchgelesen habe.

Rollenspiel mit klarem Bezug auf aktuelle Outgame-Zustände ware jedenfalls was neues.



Offline Lichtbringer

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #11 am: 6.07.2010 | 15:51 »
Na ja, die ergeben sich (zumindest bei mir) schon häufiger. Aber als angenehmer Nebeneffekt. Ich habe es eben nur in einigen Ausnahmen erlebt, dass es wirklich Zweck und zentraler Fokus des Spiels war.

PS: Wenn du es als Nebenprodukt haben möchtest, empfehle ich harte SF. Weil solche Welten nach den gleichen Regeln funktionieren wie unsere Welt, kann man da sehr... sagen wir existentialistisches Rollenspiel erleben.

oliof

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #12 am: 6.07.2010 | 15:56 »
G, N und S sind keine Techniken, sondern Ziele. Ich würde mich der Anschauung anschließen, dass die Methode der brechtschen Verfremdung zur Erreichung N oder S (vielleicht sogar G?) dienen kann.

ErikErikson

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #13 am: 6.07.2010 | 15:58 »
Aber die Reflektion über einen Outgame-Zustand ist doch kein übliches Rollenspiel-Ziel? Also nicht nur die Methode, sondern auch das Ziel ändert sich.

Offline Lichtbringer

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #14 am: 6.07.2010 | 16:00 »
@oliof: Hatte ich mich so unklar ausgedruckt? (Ernst gemeinte Frage)

G, N und S sind Ziele. Die Techniken für B sind (abgesehen vom Verfremdungseffekt vielleicht) N und S sehr ähnlich, weshalb es wie gewöhnliches Spiel wirken kann.
B jedoch schein mir ein Ziel für sich zu sein, das Handlung und Immersion bzw. ihre Mischung eher als Techniken einsetzt.

Offline Yehodan ben Dracon

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #15 am: 6.07.2010 | 16:02 »
Aber die Reflektion über einen Outgame-Zustand ist doch kein übliches Rollenspiel-Ziel? Also nicht nur die Methode, sondern auch das Ziel ändert sich.

Nein, da hast Du recht. Es scheint mehr ein neues Ziel zu sein, da hat Der_Lichtbringer nicht unrecht. Die Frage ist nur, ob es neben GNS steht oder irgendwie darüber.

Kann man denn Gamistisch/Narrativ/Simulatorisch spielen gerade um eine Lösung für seine eigenen Probleme zu finden oder schließt sich das aus?
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Offline Dr.Boomslang

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #16 am: 6.07.2010 | 16:07 »
Die Frage ist eben wie oben, was Mittel, was Zweck und was Nebeneffekt sind.
Eigentlich nicht. CA hat nicht unbedingt mit Sinn und Zweck zu tun (das ist höchstens ein Indiz), es geht um strukturelle Besonderheiten verschiedener fürs Rollenspiel spezifischer kreativer Dynamiken. Das heißt es ist egal was jemand persönlich für ein Ziel hat oder was für einen Nutzen er aus dem Spiel zieht. Das ist nicht der Gegenstand der CA. Eine CA kann man unabhängig davon feststellen und zwar indem man die Spieldynamik (und eventuell den einzelnen Spieler innerhalb dieser Dynamik) bezogen auf den Umgang mit kreativen Beiträgen beurteilt.

Man kann hier nicht sagen was für eine CA ihr hattet, nur weil ein Spieler therapeutischen Nutzen aus dem Spiel ziehen konnte, bzw. das bewusst oder unbewusst sein Ziel war. Das heißt nicht dass es keine CA gab, sondern eher dass sich sicher therapeutische Effekte mit allen CAs erzielen lassen, bzw. alle CAs können als "Nebenwirkung" solche Ergebnisse haben, auch für verschiedene Spieler ganz unterschiedliche.
Genauso wenig könnte man sagen was für eine CA ihr hattet, wenn man weiß dass ein Spieler nur mitgemacht hat, weil er Samstags nichts besseres zu tun hatte. Diese Motivationen und Auswirkungen haben einfach nichts mit dem Thema CA zu tun, da sie nicht spezifisch sind für die kreative Dynamik im Rollenspiel (obwohl sie diese natürlich durchaus extrem beeinflussen können), sie gehören in den darüber liegenden Bereich der sozialen Dynamik, man könnte das dann analog soziale Agenda nennen.

Offline Foul Ole Ron

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #17 am: 6.07.2010 | 16:07 »
@Dr.Boomslang:
... Ich habe nur eben auch erlebt, wie sie Zweck des kreativen Vorgangs werden können.
Aber nur, wenn sie nicht das Ziel sind. Ich weiß nicht recht, wie ich das ausdrücken soll, aber wenn Du das vorher als Ziel definierst, dann funktioniert es nicht mehr. Es ist eine Art "Randerscheinung", die "einfach so auftaucht" wenn die Umtände passen (also Stimmung der Spieler, Setting und wenn der Plot in die entsprechende Richtung driftet) - oder es eben nicht tut.
In dem Sinne halte ich es nicht für eine kreative Agenda, weil ich nicht glaube, das das planbar ist bzw. genau der Planungsvorgang selbst den "Brechtismus" zerstört.
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Offline arma

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #18 am: 6.07.2010 | 16:08 »
Was meint ihr dazu? Schreibe ich völligen Unsinn oder gehe ich recht in der Annahme, dass diese Form vom Rollenspiel nicht in die GNS-Kategorien einzuordnen sind?

Ist sie nicht, weil es kein "roleplaying game" mehr ist, sondern nur noch "roleplaying".
Die creative agenda ist die agenda für das "roleplaying" im spielerischen Sinne.
Sobald es um was anderes als den spielerischen Aspekt geht, verlasst ihr den Bereich "roleplaying game". Dann ist die agenda nicht mehr kreativ, sondern therapeutisch. Hattet ihr vielleicht nicht vor, ist aber passiert, ihr habt das Spiel zweckentfremdet, und das "game" zumindest zeitweise über Bord geworfen.
Hast Du ja weiter oben im Prinzip erkannt, Sache ist: die Grenzen sind fließend, und der Abend kann anders enden, als man ihn sich vorgestellt hatte.

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oliof

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #19 am: 6.07.2010 | 16:08 »
Der_Lichtbringer: Ich hatte mich auf Beitrag #3 bezogen, und den genau falschrum verstanden.

Ich würde aber sagen, auch weil Du Dich theaterwissenschaftlicher Begriffe bedienst, dass hier N passt – nur eben nicht im Sinne einer Heldenreise oder so, sondern im Sinne des Brechtschen Lehrtheaters. (Es heißt eigentlich Entfremdung bei Brecht, nicht Verfremdung. Absicht oder Freudscher Vertipper?)

Offline Horatio

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #20 am: 6.07.2010 | 16:15 »
Das Einbringen und Diskutieren von Themen ist doch ne ganz klar narativistische Chose. Ich sehe nicht das sich daran was ändert, nur weil die Spieler eine besondere Nähe zu den Themen haben.

@ Lichtbringer
1) Einer der Spieler hatte eine depressive Phase. Vermutlich deshalb hat er seinen SC an einem Spielabend eine Sinnkrise durchleben lassen. Im Kontext des Spielwelt kam es dann zur existentialistischen Auseinandersetzung mit der Spielwelt und den anderen SC über Lebenssinn und inneres Gleichgewicht. Wir konnte dem Spieler auf diese Weise helfen. Und zwar, ohne(!) dass dies irgendwie geplant gewesen oder auch nur offen ausgesprochen worden wäre. Wir haben uns nicht zusammengesetzt und darüber geredet (dann hätte die Person eh abgeblockt), sondern das Spiel lief einfach in Situationen und Szenen hinein, in denen genau die gleichen Themen relevant waren wie zu der Zeit im wirklichen Leben.
Das Rollenspiel wurde hier ganz von selbst zum Reflexionsmedium und diese Entwicklung wurde von Spielleiter und allen Spielern gemeinsam getragen. Eine Kreative Agenda.

2) In einem etwas weniger drastischen Beispiel haben wir die Auswirkungen von Bedrohung und Isolation auf familäre Strukturen anhand von Figuren erkundet, die fern ab der Heimat fremde Planeten erkundeten.

Diese beiden Beispiele schreien Nar förmlich aus sich heraus :). Woran machst du fest, dass es etwas anderes sein könnte?
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
that would be revealed after the fact, not before.
- Eero Tuovinen: A Loveletter to a Story Gamer

Offline Lichtbringer

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #21 am: 6.07.2010 | 16:18 »
Soweit ich das verstanden habe, ist es die CA, die das Spiel der gesamten Spielgruppe vereinigt. Um Einzelpersonen geht es in der Form nicht.
Haltet euch nicht zu sehr mit dem therapeutischen Beispiel auf. Ich habe mit voller Absicht ein zweites gegeben, damit das nicht passiert. Das Ziel oder vereinigende Merkmal oder wie immer man es nennen mag, war nicht direkt, dem Spieler zu helfen, sondern eine Parallele zur realen Welt aufzubauen.

(Es heißt eigentlich Entfremdung bei Brecht, nicht Verfremdung. Absicht oder Freudscher Vertipper?)

Nö, das nennt man Verfremdungseffekt, auch wenn Brecht es ursprünglich anders nannte. Das liegt daran, dass Entfremdung eine psychatrische Diagnose ist. Das wollte man den Dramatikern doch nicht aufdrücken.

Offline Lichtbringer

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #22 am: 6.07.2010 | 16:21 »
@Horatio:
Daran, dass die Handlung der Geschichte nicht im Vordergrund stand und sogar ins stocken geriet. Das Spiel hatte auch keine Narrativistischen Elemente. Besonders im zweiten Fallen, in dem mit voller Absicht durch ein objektives, unbeeinflussbares Regelsystem (keine Dramapunkte, keine Rücksicht auf die Handlung) eine objektive, mitleidslose Welt dargestellt wurde. Mit FATE ginge das beispielsweise nicht.

oliof

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #23 am: 6.07.2010 | 16:21 »
I stand corrected.

Offline Lichtbringer

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Re: [Rollenspieltheorie] GNS + B? Eine vierte Kreative Agenda?
« Antwort #24 am: 6.07.2010 | 16:22 »
So, widersprecht mir ruhig fleißig weiter. Ich gucke mir das gerne später an und beschließe, meine Hypothese zu behalten oder zu verwerfen. Jetzt muss ich arbeiten.