HOMEKAAls die Menschen Zephyr besiedelten, war dieser Gasriesenmond reich an Wasser und Leben. Nun, im Jahr 2654 AD, ist das Paradies seiner Ressourcen beraubt, übrig bleiben Sand, orkanartige Stürme und einige mit aggressiven lila Salzen verseuchte Seen, die kläglichen Überreste des Ozeans, den die Konzerne in den Orbit pumpten und in Sternenschiffen exportierten. Das Sternenportal ist zerstört, der Ressourcenkrieg zwischen den Konzernen wurde zum Überlebenskrieg der Zurückgelassenen.
Nun, nachdem die höchsten technologischen Wunder irreparabel zerstört sind, und Munition nur noch in Restbeständen gehortet wird, arrangieren sich die Überlebenden mit ihrem Dasein in Städten und Dörfern zwischen gigantischen Wanderdünen, Tagebauwüsten und radioaktiven Todeszonen.
Glücklich aber kann sich schätzen, wer zur Crew eines Mechs gehört. Diese ehemaligen Kriegsmaschinen der Konzerne können längst nicht mehr von nur einem Piloten in voller Synergie mit der Maschine betrieben werden, denn sämtliche Synchronisationsstationen sind vernichtet. Um sie überhaupt im Rangiermodus verwenden zu können, wurden sie drastisch umgebaut, Kabel wurden neu verlegt und Raum für Stationen zum Bedienen der verschiedenen Subsysteme wurden eingerichtet, beengte Schlafplätze und Küchennischen für die Besatzung eingerichtet. Fehleranfällig und ungelenk mögen diese HOMEKAs sein (Wortkonstrukt offenbar aus „mobile home“ und „mecha“), doch um Konvois Geleitschutz zu bieten oder die trockene See nach brauchbaren Ressourcen zu erkunden sind sie die besten Maschinen, die Zephyr zu bieten hat.
HOMEKA ist ein französisches (und nur in jener Sprache vertriebenes) Rollenspiel. Die oben in Kurzfassung vorgestellte Hintergrundwelt wird in angemessenem, nicht aber ausuferndem Detail beschrieben. Als Leser möchte man eigentlich sofort Charaktere bauen und einen Mech bemannen.
Das Layout ist ansprechend, besonders die 20 Mech-Modelle und ihre „technischen Tafeln“. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht, dass an manchen dieser Mechs Wäscheleinen aufgespannt sind – da nutzt die Besatzung wohl gerade einen windarmen Tag zum Verrichten wichtiger Alltagsaufgaben.
Das Spielsystem basiert auf einem Regelwerk namens ASPEX. Dessen Kernpunkte sind veränderliche Würfel und eine Attribute-Fertigkeiten-Matrix. Das heißt zum einen: Alle typischen Rollenspielwürfel vom W4 zum W20 werden genutzt. Man würfelt gegen eine vorgegebene Schwierigkeit, bspw. 4, mit dem Würfel, der einem zusteht, üblicherweise W6 für Menschen (Maschinen nutzen verschiedenste Würfel, im Extremfall den W20). Durch Verwundung, Systemschaden, fehlende Fertigkeit etc. kann der Würfel herabgestuft werden, etwa vom W6 zum W4. Wer sich für einen kritischen Wurf entscheidet, kann für einen Punkt Vigilance (Wachsamkeit, ein langsam regenerierender Pool) seinen Würfel hochstufen, z.B. vom W6 auf W8, nimmt aber dafür die Gefahr eines Patzers bei einer gewürfelten 1 in Kauf (ohne kritischen Wurf gibt es keine Patzer; Patzer heißt oft Verlust eines Trefferpunktes). So weit so gut.
Nun zur Attribute-Fertigkeiten-Matrix: Der Spieler legt Punkte in seine Fertigkeiten, wobei er die Punkte jeweils einer Fertigkeit einzelnen Attributen zuweist (max. 2 Punkte pro Eintrag). Die Summe der Fertigkeiten eines Attributs ergibt das Attribut. Spieltechnisch von Bedeutung bleibt aber der einzelne Eintrag (von 0 bis 2), der einen Bonus auf einen entsprechenden Wurf darstellt. Bspw. kann ein Charakter in der Fertigkeit Überleben auf dem Attribut Ausdauer 1 Punkte, auf Wissen 2 Punkte und auf Stärke, Präzision, Diskretion und Intelligenz 0 Punkte haben. Uff! Wozu das ganze? Einfach eine Fertigkeitsliste ohne Attribute wäre viel einfacher gewesen! Die Idee ist, dass der Charakter präziser nach seinem Konzept gebaut und gespielt wird. Verlang der Spielleiter einen Wurf auf Überleben – Diskretion gegen 4, kann der Spieler anbieten, stattdessen auf Überleben – Wissen zu würfeln, weil sein Charakter sich mit derartigen Situationen aufgrund seiner Kindheit allein unter lila Wüstenwölfen so gut auskennt. Der Spielleiter ist angehalten, Diskussionen über das passende Attribut kurz zu halten, und kann die Schwierigkeit für das stellvertretend eingesetzte Attribut situationsbedingt nach oben oder unten korrigieren. Das Risiko hierfür muss der Spieler tragen. Das erste Spielt wird erst noch zeigen müssen, wie sich das in der Praxis auswirkt.
Außerdem sieht das HOMEKA-Regelwerk vor, Zusatz-Erfahrungspunkt für das Ausspielen der Persönlichkeit eines Spielercharakters zu vergeben. Das ist ja so 90er! Am besten man ignoriert diese Regel und lässt die Spieler je nach Spaß und Laune spielen.
Richtig spannend werden die HOMEKA-Regeln erst, wenn wir uns die technischen Bögen der Mechs anschauen: Den Stationen, bspw. Manipulator, Mobilität, Artillerie, Drohnen, Synergiekammer, sind Energiewürfel (rangiert je Mech vom W8 bis W20) zugeordnet. Außerdem sind an allen Gliedmaßen/Baugruppen Panzerung, Tonnage, Erschütterungswert (wegen Übelkeit!), ggf. Schadenswürfel angegeben. Es gibt auch eine Zählleiste für Trinkwasser.
Mit Spielfiguren können die Positionen der Crew-Mitglieder dargestellt werden. Meistens kann zum Stationswechsel ein Kabelschacht genutzt werden, aber nicht immer. Durch eine Schleusentür steigen, unter Beschuss an der Außenhaut des Mechs entlangklettern, Enterversuche von Sandhopper-Fahrern abwehren, durch eine weitere Schleuse wieder hinein, um den verwundeten Kameraden zu verarzten – das will gut überlegt sein.
Alle bemannten Stationen sind über Neuronalschnittstellen mit der Fertigkeit Mech-Pilot bedienbar und nutzen den Würfel der Mech-Station. Bemannte Stationen, die in der Runde nicht aktiv genutzt werden, können einer anderen Station Energie zuführen, d.h. bspw. im T-400 „T-cat“ liefert die Manipulatorenstation ihren W12 an den benachbarten Artillerieposten mit dem Lasergeschütz, der seinen W10-Wurf versemmelt hat. Der bereitgestellte Würfel wird dabei herabgestuft, einmal für jede Station, die die Kabel bis einschließlich Empfängerstation durchlaufen, und einmal, wenn die Betriebsart von Geber- und Empfängerposten unterschiedlich sind. In diesem Fall sin Manipulatorstation und Artillerieposten direkt benachbart, d.h. der W12 wird erstmal zum W10, aber dann ist noch die Betriebsart unterschiedlich, einerseits Myomere (Kunstmuskeln), andererseits Energiewaffe, d.h. der W10 wird weiter zum W8 herabgestuft. Immerhin, ein Wurf darf wiederholt werden, großartig! Oftmals kommt nur noch ein W4 an Energie an, womit eine Probe im Kampf kaum zu schaffen ist.
Charaktere können „individuell“, also zum Nachbestücken, oder als Gruppe erschaffen werden, d.h. alle investieren Erschaffungspunkte in einen Fahrzeugkonvoi, einen kleinen Mech mit Konvoi oder einen mittelgroßen Mech ohne Konvoi.
Für Waffennarren gibt es nicht nur eine lange Waffenliste, sondern auch lange Listen mit Munitionsarten und Sprengköpfen/Kampfstoffen (komisch: keine Kernwaffen, die waren irgendwo ganz woanders im Fließtext versteckt). Etwas kompliziert ist, dass Durchschlagskraft und Schaden der Waffe und der Munition miteinander verrechnet werden müssen. Das wirkt beim Lesen recht tödlich – auch für Mechfahrer!
Außerdem enthält das Buch noch ein Kapitel mit Spielleiter-Wissen, vorgefertigte Charaktere (huch, die haben den Regeln nach zu viele Trefferpunkte!) und zwei Abenteuer (huch, die NSCs haben zwar Statblocks, aber ohne Trefferpunkte!).
Am Ende des Buches befindet sich ein Charakterbogen, druckfreundliche Versionen der technischen Bögen der beiden kleinsten Mechs und ein (Code zum Generieren für den persönlichen) Zugangscode für Zusatzmaterial auf der HOMEKA-Webseite. Natürlich habe ich dort, im geschützten Bereich der Webseite, druckfreundliche Ausgaben aller 20 Mechs erwartet und ein Errata/FAQ. Nichts da. Nur der Charakterbogen und die zwei bekannten Mech-Bögen. Enttäuschend. Dazu hätte es nicht solch eines komplizierten Prozederes bedurft.
Insgesamt bin ich aber begeistert und kann es kaum erwarten, HOMEKA einem Praxistest zu unterwerfen. Über die kleinen Mängel sehe ich gerne hinweg, zumal keine Gummipunkte und keine Erzähltrickserei vorgesehen sind. Und falls die kleinen Mängel sich im Spiel als große Mängel entpuppen sollten, muss eben ein anderes System die Spielbasis liefern. Die 20 Mechmodelle sind jedenfalls sehr gut konzipiert, die Spielwelt ebenso. Das will man einfach spielen!
Diese Rezension erschien urspruenglich im Ghoultunnel.Kleiner Nachtrag:Jetzt, wo ich Homeka leite, muss ich leider feststellen, dass die Kampfregeln unheimlich schlecht erklaert sind, sobald es an die Details geht. Eine Mischung aus Interpretation und Hausregeln ermoeglicht es uns zu spielen, aber schade, dass die Autoren an dieser Stelle so versagen.