Autor Thema: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?  (Gelesen 6801 mal)

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m4lik

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Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« am: 1.08.2010 | 12:10 »
Zugegeben, ich beschäftige mich recht oberflächlich mit Rollenspieltheorie.

Deswegen verwundert mich auch ein wenig die indirekte (egal ob intentioniert oder nicht, ich habe es so verstanden) Darstellung von Storytelling als Spielen einer vorgefertigten Geschichte, wie hier beschrieben: http://tanelorn.net/index.php/topic,57285.0.html

Meiner Meinung nach geht es beim Storytelling gerade nicht um vorgefertigte Geschichten. Es geht darum, eine Geschichte entstehen zu lassen. Das kann in Relation mit einer Metageschichte geschehen, aber grundsätzlich dreht sich alles um die Charaktere, deren Veränderung und die daraus entstehenden Effekte auf die Spielwelt. Ich versuche mal zu erklären, wie ich das meine:

1. Voraussetzung ist eine regelmäßig spielende Gruppe mit festen Charakteren und festem SL.

2. Der SL ist ein fairer SL, der sowohl die Regeln wie geschrieben berücksichtigt und den Spielern über ihre Charaktere auch die volle Handlungsfreiheit innerhalb der Spielwelt einräumt. Die Spieler haben jedoch keinen Metaeinfluss im Sinne von direkter Beeinflussung der Spielwelt ohne Umweg über ihren Charakter.

3. Der SL entwickelt ein Setting, eine Spielwelt mit eigener Dynamik. Dies geschieht um die Spieler und deren Charaktere herum, damit die Motivationen jedes einzelnen Spielers/Charakters berücksichtigt werden und dieser einen echten Grund hat, an den Geschehnissen teilzuhaben.

4. Der SL bietet im Spiel Hooks, welche die Charaktere in die Dynamik der Spielwelt schleudern. Die Spieler können sich natürlich auch selbst welche suchen, was sich meist von ganz alleine ergibt. Die Handlungen der Spieler haben direkten Einfluss auf das Geschehen und bestimmen, sofern sie das wollen, die Dynmaik der Spielwelt maßgeblich mit.

5. Der SL geht auf individuelle Abenteuerwünsche ein, die der Entwicklung des Charakters dienen (Ich glaube, das sind Flag-Abenteuer? Ich meine jedenfalls Abenteuer im Sinne von Questen, die sich um die persönlichen Ziele des Charakters drehen und im besten Fall mit der Spielweltdynmaik zusammenhängen, aber nicht müssen). Mit Entwicklung meine ich Veränderung durch schwierige Entscheidungen, die tatsächlich eine Verhaltensänderung bewirken.

Daraus ergibt sich im besten Fall eine dynamisch entwickelte Geschichte mit einem fixen Startpunkt und einem völlig flexiblen Endpunkt, die durch eine ständige Interaktion der SC mit der Spielwelt und die kontinuierliche Entwicklung der Protagonisten, wie sie für viele Geschichten im Sinne von Büchern, aber auch Filmen absolut charakeristisch ist (Star Wars als Beispiel für Anakin's persönliche Heldenreise), und diversen Abenteuern unterschiedlichster Ausprägung lebt.

Ist das Storytelling?

Offline Dr.Boomslang

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #1 am: 1.08.2010 | 12:15 »
Storytelling sowie Story selbst werden in völlig verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Storytelling hat soweit mir bekannt noch nie einen festen Stil oder eine eindeutige Technik bezeichnet. Soweit ich weiß kommt der Begriff von White Wolf die ihr System Storyteller genannt haben.

Ein

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #2 am: 1.08.2010 | 12:17 »
Um es kurz zu machen:

Ja, ist es, wie vieles andere auch. Selbst bei Glgnfz's Larm-Chronik könnte man von Storytelling sprechen.

Und Erik Erikson muss und sollte man schlicht nicht ernst nehmen.

alexandro

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #3 am: 1.08.2010 | 12:57 »
Ähmm, nein. Sandbox = kein Storytelling.

Die Abgrenzung vom Story-Spiel hat nichts mit dramatischen Techniken oder gar einer vorbereiteten Geschichte zu tun, sondern ist eine Abgrenzung zum "Hyperrealismus" der 80er.

Im Kern geht es darum: "Spiel nur Sachen aus, die auch Spaß machen." Das mag heute (wo scene-framing ein eigener Begriff ist) selbstverständlich sein, aber in dieser Zeit war halt eine akkurate Simulation der Spielwelt gerade in Mode und wenn da etwas nicht am Spieltisch abgehandelt wurde (und evtll. sogar mit Regeln bedacht wurde) ... dann war es nicht passiert.

Vermi hat einen schönen Begriff geprägt, der ST perfekt beschreibt: Erlebnisrollenspiel.

Offline Oberkampf

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #4 am: 1.08.2010 | 16:19 »
Um kurz zu antworten:

Dass, was im ersten Post beschrieben wurde, verstehe ich persönlich nicht unter Storytelling und würde es auch nie so nennen.

Storytelling ist meines Wissens nach ein Begriff, der von White Wolf für ihre Spielsysteme in den 1990ern benutzt wurde. Also kann man den Spielstil, der am Tisch in der Regel in diesen Systemen praktiziert wurde, als Storytelling begreifen.

(Und hier wirds halt leider sehr subjektiv, was man alles selbst bei WW Spielen erlebt hat - mein Eindruck War/ist im Vergleich zu anderen Rollenspielen, dass es dabei wesentlich um das folgsame Nachspielen einer verschlungenen, vorbereiteten und größtenteils vorherbestimmten Spielleitergeschichte um wichtige und übermächtige NSCs ging, und darum verstehe ich genau das unter Storytelling.)
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Offline Haukrinn

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #5 am: 1.08.2010 | 18:23 »
Storytelling heißt Geschichten erzählen, und das kann jetzt erst einmal alles bedeuten. Heißt der SL plötzlich Storyteller, dann impliziert das irgendwie schon typisches Erzählonkeltum. Auf der anderen Seite gibt es aber auch kollaboratives Geschichten erzählen, dass eher einen weniger autoritären SL (und nicht selten Player Empowerment in irgendeiner Form) vorraussetzt.
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Offline Mulep

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #6 am: 1.08.2010 | 18:30 »
Für mich geht es beim Storytelling um die Geschichte, die im Mittelpunkt stehen, während Regeln nebensächlich sind. Also dann gedehnt werden, wenn sie dem Verlauf der Geschichte schaden.
Wie die Geschichte entsteht sehe ich als Geschmackssache. Da ist eine reine SL, eine Spieler beeinflußte oder auch eine verteilte Geschichte denkbar.

Offline K!aus

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #7 am: 1.08.2010 | 18:34 »
Wie die Geschichte entsteht sehe ich als Geschmackssache. Da ist eine reine SL, eine Spieler beeinflußte oder auch eine verteilte Geschichte denkbar.

Damit ist doch aber irgendwie alles Storytelling, oder?

Der eine SL denkt sich eine Geschichte aus, welche die Spieler erleben.
Der andere SL denkt sich Eckpunkte aus, die durch den Einfluß der Spieler zu einer Geschichte werden, die selbst für den SL noch eine Überraschung bzw. offenes Ende bereit hält.
Und dann denkt sich der nächste SL gar nix aus und simuliert nur die Welt, sodass es bestenfalls einen Aufhänger gibt und alle beteiligten nach acht Spielabenden sagen: "Geile Geschichte."

Und je nachdem welchen Stil die Gruppe bevorzugt (mit zeitweisen Mischformen) sagen alle glücklich und zufrieden: "Ah jo, wir betreiben Storytelling."

Gruß,
Klaus.
« Letzte Änderung: 1.08.2010 | 18:36 von Klaus »
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Offline Mulep

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #8 am: 1.08.2010 | 18:41 »
Damit ist doch aber irgendwie alles Storytelling, oder?

Würde ich nicht so sehen. Wenn der Charakter nur aus Würfelpech stirbt ist es kein Storytelling, weil es ja eventuell gerade nicht gut zur Geschichte paßt.
Rein simulatorische oder strategische Spiele sind eben kein Storytelling.

Offline Crimson King

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #9 am: 1.08.2010 | 18:45 »
Wie schon gesagt wurde: Storytelling ist nicht sauber definiert, aber Sandboxing ist definitiv kein Storytelling.

z.B. widerspricht der Einsatz von Zufallstabellen für Begegnungen, Reaktionen von NSCs etc. ganz klar dem Storytelling.

Ich persönlich würde das so sehen: Storytelling ist ein Spielstil, in dem Ereignisse nicht zufallsbasiert, sondern gezielt statt finden, um die Handlung voran zu treiben. Das Maß, in dem die Handlung dabei in eine von vorne herein bestimmte Richtung getrieben wird, ist nicht definiert.
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Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
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alexandro

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #10 am: 1.08.2010 | 18:49 »
Zitat
Und dann denkt sich der nächste SL gar nix aus und simuliert nur die Welt, sodass es bestenfalls einen Aufhänger gibt und alle beteiligten nach acht Spielabenden sagen: "Geile Geschichte."

Nach V:tM reicht Weltsimulation für Storytelling nicht aus, sondern die Geschichte muss (durch den SL oder durch proaktive Spieler) in Gang gehalten werden, indem gezielt "tote Punkte" durch Improvisation (notfalls auch durch Änderung/Erweiterung von Spielweltfakten, über die Vorbereitung hinaus) mit Leben gefüllt werden.

Es geht dabei darum, dass man eben nicht IRGENDEINE Geschichte erlebt, sondern eine, welche die Spieler GERNE erleben.

Offline Mulep

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #11 am: 1.08.2010 | 18:54 »
Storytelling ist ein Spielstil, in dem Ereignisse nicht zufallsbasiert, sondern gezielt statt finden, um die Handlung voran zu treiben. Das Maß, in dem die Handlung dabei in eine von vorne herein bestimmte Richtung getrieben wird, ist nicht definiert.
Hört sich gut an. So sehe ich das auch. Die Geschichte (Handlung) steht im Vordergrund, alles andere rückt in den Hintergrund.

oliof

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #12 am: 1.08.2010 | 18:56 »
Achnaja, wenn man aber nur eine Geschichte erzählen will, wieso belastet man sich mit dem regeltechnischen Überbau?

Offline Bad Horse

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #13 am: 1.08.2010 | 19:00 »
Achnaja, wenn man aber nur eine Geschichte erzählen will, wieso belastet man sich mit dem regeltechnischen Überbau?

a) Zufallselemente sind gewollt
b) Um Situationen wie "ich weiß nicht, ob der Charakter das überhaupt schafft" aufzulösen, wenn von der Entwicklung der Geschichte her beide Lösungen interessant sein könnten.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Mulep

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #14 am: 1.08.2010 | 19:01 »
Achnaja, wenn man aber nur eine Geschichte erzählen will, wieso belastet man sich mit dem regeltechnischen Überbau?

Es geht ja nicht nur ums erzählen sondern auch ums erleben. Meine Spielrunden gehen alle eher in die Richtung Storytelling, so wie ich es verstehe. Die Geschichte kann schon variieren. Der Ausgang jedes Kampfes steht nicht vorher fest. Wenn wir (die Gruppe) einen Kampf verlieren, so müssen wir es halt anders versuchen. Aber die Regeln sind sekundär.
Bei uns heißt das, dass der Charakter nicht unbedingt stirbt, weil er einen Patzer hinlegt. Er stirbt dann, wenn es zur Geschichte paßt - beim Retten der Prinzessin z.B.  ~;D
Die Spieler (bzw. Charaktere) haben schon Einfluß auf die Geschichte, die Würfel haben Einfluß auf die Charaktere, die Würfel und Regeln haben aber keinen Einfluß auf die Geschichte.

Offline Dr.Boomslang

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #15 am: 1.08.2010 | 19:42 »
Ach hier geht's um's Definieren? Wie konnte ich das nur übersehen? ;D

Aber eine gute Definition ist schon da gewesen:
Die Geschichte (Handlung) steht im Vordergrund, alles andere rückt in den Hintergrund.
Das dürfte sich zu Recht als Storytelling bezeichnen. Da gibt es immer noch unendlich viele Möglichkeiten das umzusetzen. Die Streichung habe ich mal gemacht weil Handlung was anderes ist als Geschichte (vgl. Plot und Story).

Offline K!aus

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #16 am: 1.08.2010 | 19:50 »
Dennoch bleibe ich dann bei meiner Aussage: Scheinbar ist alles Storytelling.

Wenn die Geschichte der Fokus ist, aber keine Aussage darüber gemacht wird, ob sie vorher feststeht (pöhses RR) oder im Rückblick erst entstanden ist (yeah freies Spiel), dann ist ziemlich viel Storytelling.

Ich finde die Abgrenzung eher besser, dass nicht wichtig ist, was im Fokus steht, sondern was nicht im Fokus steht, soetwas wie Regeln oder eine konsistente Simulation: "Ach, weil heute Freitag ist kriegst du noch einen Bonus von +4, weil ihr den bösen Obermotz sonst nicht besiegt und die Story nicht zufriedenstellend ausgeht, einverstanden?" - "Einverstanden!"

Habe ich selbst schon als SL gemacht und wenn es gerade der Atmosphäre dient, dann bringt das mMn mehr Stimmung als penibles befolgen der Regeln.

Nach dieser Aussage habe ich auch einen Storyteller in der Gruppe, dessen Leitstil sehr davon geprägt ist immer ins Rudern zu kommen, wenn es um Regeln geht. Das Problem ist dann aber eher, dass es sich gefühlt negativ für die Spieler auswirkt, denn die Gegner können dann in einer Kampfrunde Dinge, die zwar cool sind - aber nicht regelkonform. Und dann sehe ich auch ein, dass Spieler maulen: "Wenn man laut Regeln nur zwei Aktion hat pro Runde, dann gilt das auch für unsere Gegner..."
Umgekehrt könnte der SL auch keinen Charakter sterben lassen, weil "er ja noch Großes mit ihnen vor hat", aber dann ist auch jedes Gefühl der Herausforderung dahin.
Denn auf der einen Seite sind die Gegner alle cooler und besser und umgekehrt können unsere Helden dennoch nicht verrecken, so what?

Gruß,
Klaus.
« Letzte Änderung: 1.08.2010 | 19:55 von Klaus »
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alexandro

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #17 am: 1.08.2010 | 19:55 »
Zitat
Achnaja, wenn man aber nur eine Geschichte erzählen will, wieso belastet man sich mit dem regeltechnischen Überbau?

Einfach gesagt: beim Storytelling existieren die Regeln zur Szenenauflösung. Nachdem eine bestimmte Situation im Spiel entstanden ist, sagen die Regeln wie diese ausgeht.*

Bei anderen Rollenspielen (besonders Sandbox) entscheiden die Regeln nicht nur darüber, sondern auch darüber, ob es überhaupt zu einer bestimmten Situation kommt.


*zugegebenerweise wurde das selten in Reinform praktiziert, aber so war es zumindest mal gedacht.

Offline K!aus

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #18 am: 1.08.2010 | 20:01 »
Bei anderen Rollenspielen (besonders Sandbox) entscheiden die Regeln nicht nur darüber, sondern auch darüber, ob es überhaupt zu einer bestimmten Situation kommt.

Verzeih,
aber das fett gedruckte hört sich echt nach Humbug an, wahrscheinlich weil ich mir einfach was Falsches drunter vorstelle.

Ist also auch nicht persönlich gemeint, bevor hier wieder Beleidigungsdebatten geführt werden. ;)

Denn was ich mir drunter vorstelle ist eine Situation wie bei Mensch Ärger dich nicht, wo der Würfel (die Regeln?) entscheidt, welches Feld du erreichst und ob du einen anderen Mitspieler schlägst oder nicht.
Und selbst bei Mensch Ärger dich nicht kann ich als Spieler noch wählen welche der vier Figuren (falls alle im Spiel sind) ich aktiveren möchte.
Also selbst da hängt es noch von der Entscheidung der Spieler ab!?!

Wie soll ich mir ein Rollenspiel vorstellen, in dem die Leute an einem Tisch sitzen, keinen Einfluß darauf haben wie es weitergeht, weil sie ständig sagen müssen: "Auf welche Tabelle im Regelbuch muss ich würfeln?".

Kannst du das bitte näher ausführen oder einen Link geben?

Gruß,
Klaus.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #19 am: 1.08.2010 | 20:04 »
Dennoch bleibe ich dann bei meiner Aussage: Scheinbar ist alles Storytelling.

Wenn die Geschichte der Fokus ist,[...] dann ist ziemlich viel Storytelling.
Du sagst es selbst: Nach dieser Definition ist alles eben nicht Storytelling, sondern vieles, das ist ein großer Unterschied. Was im Fokus steht und was nicht wird spätestens dann klar wenn man Kompromisse macht oder wenn man vergleicht. Ganz ohne Maßstab sagt einem das natürlich erst mal wenig.
Man wird also wohl in erster Linie davon sprechen können ob etwas mehr oder weniger Storytelling ist, und nicht ob überhaupt.

Offline Crimson King

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #20 am: 1.08.2010 | 20:07 »
Wenn die Geschichte der Fokus ist, aber keine Aussage darüber gemacht wird, ob sie vorher feststeht (pöhses RR) oder im Rückblick erst entstanden ist (yeah freies Spiel), dann ist ziemlich viel Storytelling.

Zum tieferen Verständnis: die Gruppe kommt an einen neuen Ort, an dem sich NSCs aufhalten. Um zu entscheiden, wen sie dort treffen, hat ein SL (mindestens) drei Optionen.

a) ich habe eine Zufallstabelle, auf die ich würfele
b) ich nehme die wahrscheinlichste Option
c) ich nehme die Option, die am dramatischsten ist und den Plot am meisten voran treibt

Nur c) ist Storytelling.

So viel bleibt tatsächlich nicht mehr übrig.
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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #21 am: 1.08.2010 | 20:08 »
Was im Fokus steht und was nicht wird spätestens dann klar wenn man Kompromisse macht oder wenn man vergleicht. Ganz ohne Maßstab sagt einem das natürlich erst mal wenig.

Sorry, aber das kann ich mir nicht verkneifen.

Diese Aussage ist jetzt das erste Mal ein (gefühltes) Zugeständnis, dass sich etwas (wie jetzt der Begriff Storytelling) nicht objektiv definieren lässt.

 :d

Wie viele theoretische Debatten könnte man sich damit sparen.  ;D

Gruß,
Klaus.
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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #22 am: 1.08.2010 | 20:11 »
Zum tieferen Verständnis: die Gruppe kommt an einen neuen Ort, an dem sich NSCs aufhalten. Um zu entscheiden, wen sie dort treffen, hat ein SL (mindestens) drei Optionen.

a) ich habe eine Zufallstabelle, auf die ich würfele
b) ich nehme die wahrscheinlichste Option
c) ich nehme die Option, die am dramatischsten ist und den Plot am meisten voran treibt

Nur c) ist Storytelling.

So viel bleibt tatsächlich nicht mehr übrig.

Mit dieser Aussage rennst du leider bei mir offene Türe ein!  :D

Denn solange der SL alleine die Zufallstabelle festlegt, wird Punkt a) hoffentlich Punkt b) weitesgehend enthalten: "Ihr seid im Stollen und trefft *würfel, würfel* Waldelfen" - "Häh?"
Also wird sich der SL schon im Vorfeld Gedanken machen was von der Weltenlogik am wahrscheinlichsten ist und auf die Tabelle schreiben.
Und wenn er ein wenig weiterdenkt wird er in der Zufallstabelle auch Punkt c) berücksichtigen, sonst endet es in "Jo komm, würfel noch einmal - vielleicht ist es ja dann interessant."

Gruß,
Klaus.
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m4lik

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #23 am: 1.08.2010 | 20:13 »
Bei anderen Rollenspielen (besonders Sandbox) entscheiden die Regeln nicht nur darüber, sondern auch darüber, ob es überhaupt zu einer bestimmten Situation kommt.
Öhm, Zwischenfrage zu Verständnis: ist Sandboxing tatsächlich völlig zufallsbasiert?

Im Sinne von: Ich habe hier eine Weltkarte, lasst uns sehen, was uns im nächsten Hexfeld erwartet? Gibt es da keine Spielweltdynamik, wie zum Beispiel: König A will König B in den Arsch treten? Und wenn nein, was passiert, wenn die SC gerne König A helfen wollen, es aber laut Tabelle nicht vorgesehen ist?

m4lik

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Re: Storytelling aus einem anderen Blickwinkel?
« Antwort #24 am: 1.08.2010 | 20:15 »
Zum tieferen Verständnis: die Gruppe kommt an einen neuen Ort, an dem sich NSCs aufhalten. Um zu entscheiden, wen sie dort treffen, hat ein SL (mindestens) drei Optionen.

a) ich habe eine Zufallstabelle, auf die ich würfele
b) ich nehme die wahrscheinlichste Option
c) ich nehme die Option, die am dramatischsten ist und den Plot am meisten voran treibt

Nur c) ist Storytelling.

So viel bleibt tatsächlich nicht mehr übrig.
Siehste, hier würde ich sagen, a) ist Sandboxing, b) ist Storytelling und c) ist Railroading, sofern die Option nicht gleichzeitig die wahrscheinlichste ist.