Ich fürchte wir haben uns grundsätzlich missverstanden, Merlin.
Das ist leider immer möglich... Aber ich hoffe, es läßt sich ein gemeinsamer Nenner finden. Ich versuche es mal mit meinen Worten:
Wir sind uns einig, daß es schlecht ist, wenn jemand aus purer Gewohnheit eine Änderung ablehnt, die für jemand anderen wünschenswert oder gar nützlich ist.
Nur in allen Punkten, die das ganze noch verallgemeinern, wird es schwieriger. Wenn jemand eine Änderung ablehnt, die
nur für ihn selbst gut und nützlich ist, finde ich das immer noch nicht gut, aber auch nicht "schlecht". Über das "nur" kann man dann noch lange streiten; Rauchen beispielsweise ist mE auch für die Umgebung schlecht usw. Soweit ich Dich verstanden habe, siehst Du diesen Punkt schon anders.
Eine Änderung abzulehnen, die weder für jemand anders noch für mich selbst gut und nützlich ist, halte ich für eine gänzlich neutrale Sache. Manche Leute lieben Veränderung, andere lieben Beständigkeit, manchen ist auch beides recht. Darum widerspreche ich der Gleichsetzung "Gewohnheit = schlechte Eigenschaft". Es kann entweder beides sein (Gewohnheit für Wechselfreudige, aber dann auch Wechsel für Beständige, was Du wohl nicht unterschreiben würdest?) oder es ist eine neutrale Eigenschaft, weder gut noch schlecht, obwohl sie je nach Situation angemessen oder unangemessen sein kann.
An der Stelle bringst Du für Wechselfreude nur Deiner Ansicht nach positive, für Gewohnheit nur Deiner Ansicht nach negative Beispiele. Das legt für mich nahe, daß Du selbst da nicht wirklich aufgeschlossen für eine andere Sichtweise bist: Nämlich die, daß Gewohnheit (nicht anders als Wechselfreudigkeit) ein hilfreiches, nützliches und sogar unersetzlich wertvolles Werkzeug sein kann. Deine Präferenz ist klar auf Seiten der Wechselfreude. Du siehst Gewohnheit, wenn ich Dich recht verstehe, letzten Endes nur als übles Ding, das man so weit wie möglich zurückdrängen, am besten sogar (wenigstens im eigenen Verhalten) ausrotten sollte. Du kannst, scheint mir, einfach nichts Positives daran erkennen. Und da widerspreche ich, denn für mich ist Gewohnheit nur ein Pendent zu Wechselfreude, persönlichen Präferenzen unterworfen und am besten in guter Ausgewogenheit eingesetzt. (Ich kann sie in der Tat ohne inneren Widerspruch beide als "gute Eigenschaften" ansehen, weil ja beide ihre Berechtigung haben. Und beide können natürlich entarten, Gewohnheit zu Sturheit und geistiger Unbeweglichkeit, Wechselfreude zu Unbeständigkeit und erratischem Verhalten.)
Das mündet dann in Aussagen wie: "Was wir bisher gemacht haben, finde ich toll. Ich kenne zwar nichts anderes, aber ich habe auch keine Lust was anderes auszuprobieren."
Du unterstellt vermutlich, daß "keine Lust" 100%ig korrekt wiedergibt, worum es dem Sprecher geht? Daß es
keine anderen berechtigten Gründe gibt, die er mit diesem Ausdruck knapp zusammenfasst? Wie wäre es denn, wenn er sagen würde: "Was wir bisher gemacht haben, finde ich toll. Ich kenne dies besser als anderes, aber ich habe meine Gründe, jetzt nicht was anderes auszuprobieren.", also einfach nur eine weniger ungenaue Umschreibung desselben Sachverhalts liefert?
Ich habe übrigens nicht versucht, irgendein Urteil von Dir auszuhebeln.
Das hatte ich auch nicht gemeint. Es kam mir nur als Formulierung wieder in den Sinn, als es mir um Selbstbetrug ging. Denn auch, wenn man sich selbst nicht die Wahrheit eingestehen mag, kann man diese Formulierung heranziehen. Nur darum hatte ich sie an dieser Stelle wieder aufgegriffen.