Jetzt mache ich doch wieder ein Realismusthema auf *schäm*
Ich habe bisher noch keinen Rollenspieler gesehen, der wirklich realistisches Spiel haben wöllte. Das wird nämlich ziemlich schnell ziemlich langweilig weil man die ganzen tollen Dinge, welche die Leute am Spiel faszinieren ganz schnell nicht mehr machen kann.
"Realismus" ist doch für die Betrachtung, was man im Rollenspiel an tollen Dingen machen und nicht machen kann, nur ein frei wählbarer Bezugsrahmen wie andere auch.
Als bestes Beispiel mögen hier Actionfilme dienen:
Irgendwelche Stunts und Aktionen in solchen Filmen werden erst dadurch spannend, krass oder sonstwie aufregend, dass sie mit der Realität
verglichen werden - weil man dann als Zuschauer denkt "Das würde ich mich nicht trauen/ Das ist aber kreuzgefährlich" etc..
Bricht der Film mit seinem Bezugsrahmen, d.h. kommen Sachen drin vor, die offensichtlich* unmöglich sind, dann darf er sich entweder nicht mehr ernst nehmen (ansonsten verliert er seinen Reiz - sieht man an den zahllosen völlig austauschbaren Actionfilmen, die trotz wüstester Explosionen und krassester Stunts keinen hinterm Ofen vor locken) und/oder er muss dem Zuschauer helfen, den neuen bzw. filmeigenen Bezugsrahmen zu erfassen.
Beispiel wären hier mystische Kung-Fu-Filme im Stil von "Tiger and Dragon": Jeder x-beliebige Kung-Fu-Kämpfer kann da Dutzende von Mooks aus dem Handgelenk verprügeln, aber Li hat keine Chance gegen Hong, weil Hong seinerzeit von Meister Cheng die geheime Drachenfausttechnik gelernt hat - das
kann der Zuschauer eben nicht wissen, weil es keinen Realitätsbezug und er keine entsprechenden Erfahrungswerte hat; deswegen muss es ihm gesagt/vorgeführt werden.
*Das bedeutet dementsprechend auch, dass Zuschauer, die Gezeigtes schon selbst ausprobiert/erlebt haben, eher einschätzen können, was geht und was nicht, und daher andere Maßstäbe in Sachen Realismus anlegen.
Die "tollen Dinge", die man im Rollenspiel so treiben kann, sind also zunächst nur im Vergleich mit der Realität toll.
Wenn die SCs keine wie auch immer geartete Sonderstellung haben, sondern der ganze tolle Kram grundsätzlich auch für andere verfügbar ist, nimmt es sich nichts, weil das dann eben der entsprechende Bezugsrahmen für das jeweilige Setting ist.
Zur Verdeutlichung: wenn alle SCs Supermans Fähigkeiten haben und mit Kryptonitpistolen aufeinander schießen, ist das erst mal nichts anderes, als wenn Normalsterbliche mit normalen Pistolen aufeinander schießen.
Verglichen mit der Realität sind die SCs natürlich krasse Säue, aber im Setting kommt das nicht zum Tragen.
Ein anderes schönes Beispiel wäre wohl auch Vampire: Einem normalen Sterblichen ist so gut wie jeder SC haushoch überlegen - und trotzdem sind die SCs oft genug arme Hansel, weil es eben noch viel krassere Säue gibt und man sich mit den meisten Sterblichen sowieso nicht abgibt.
Der Bezugsrahmen ist also total verschoben und trotzem gefallen sich viele Vampire-Spieler darin, den krassen Vampir zu spielen, der bei genauerer Betrachtung aber eigentlich auch nichts großartig Besonderes oder Wichtiges ist.
Bei Rollenspielen mit Realismusanspruch sind also nur andere Sachen (schon) gefährlich und spannend als bei Rollenspielen ohne.
Dass das grundsätzlich langweilig sein soll, kann ich nicht nachvollziehen - höchstens für Spieler, die partout kein Setting ohne Magie/Psi/kewl powerz spielen (wollen).
Da gilt dann aber oft genug genau das oben Gesagte mit dem anderen Bezugsrahmen: settingintern ist man trotz aller kewl powerz nichts wirklich Besonderes - nur im Vergleich mit der (in diesem Zusammenhang
unbedeutenden) Realität.
Da würde mich im Speziellen interessieren, was eurer Meinung nach die Gründe für diese Spielpräferenz (eben
nur mit kewl powerz) sind.