Vor ein paar Jahren hat mir ein Bekannter eine CD von Bert Kaempfert geschenkt, einem dieser deutschen Easy Listening Typen, nicht weit entfernt von Leuten wie James Last. Ich wusste im ersten Moment nicht, ob mich da jemand sehr falsch eingeschätzt hat oder ob das gewissermaßen das coolste Geschenk war, das man sich vorstellen konnte.
Ich habe die CD jetzt zum dritten Mal gehört und muss sagen, dass ich eher genervt bin. Besonders runzele ich jedesmal die Stirn über einen prominent abgedruckten Satz auf dem Innencover. Dort steht: "Bert Kaempferts hochwertigen Easy-Listening-Kreationen stehen auf Augenhöhe mit denen der Genre-Giganten Claus Ogerman oder Burt Bacharach." Das ist ein starkes Stück, denn ich schätze Burt Bacharach sehr.
Ein wenig kritisch eingestellt höre ich also diese CD und will an einem Track zeigen, was mein Ohr wahrgenomen hat. Ich nehme einen Track, den wahrscheinlich jeder schon in einer anderen Version gehört hat: "Mr. Sandman". Hier ist Kaempferts Version von 1965:
Bert Kaempfert: Mr. SandmanDas Intro beginnt im Swing-Stil. Die Harmonien werden etwas betulich durch Querflöten vorgestellt. Der unvermeidliche weiche Streicherteppich grundiert von Anfang an den Track.
Wer ist es, der da ab 0:26 die Melodie vorstellt? Ein Summchor? Ich denke schon. Tatsache ist, dass die Melodie nicht allzu präsent ist. Weil sie ohnehin jeder kennt? Viel stärker sind hier die langsam nervig werdenden Querflöten und vor allem diese Bläserakzente: Die Fill-Ins sind lauter als die Melodie... das fand ich bemerkenswert. Für mich war das das einzig Aufsehenerregende an dieser Nummer.
Bevor in diese ungewöhnliche Melodiebehandlung aber etwas hineingeheimnist werden kann übernimmt in der zweiten Strophe (ab 1:18) die Brass-Section die akkordisch instrumentierte Melodie. Die Betonungen werden etwas verschoben, das mag auf manch einen peppiger wirken, letztlich ist es aber nur völlig standardmäßiger Swing, der - im gesamten Bläsersatz verwendet - ziemlich bieder wirkt. Schlimm ist auch, dass während der ganzen 2. Strophe dieser Weichzeichner-Background (Streicher, Summchor) weiterläuft. Dieser Sound richtet sich an uns Hörer! Wir sollen dazu während unserer Kaffeefahrt mitsummen und vielleicht auch ein bisschen schunkeln. Mehr ist nicht drin.
Danach schließen die nervigen Querflöten den Kreis und die Nummer endet mit dem viertönigen Kopfmotiv ("Mis-ter Sand-man"). Dadurch ergibt sich eine offene Schlusswirkung, ein Versuch originell zu sein. Der Showmaster betritt die Bühne, runzelt bedeutungsschwanger mit den Augenbrauen und sagt: "Oh ja, liebes Publikum, soweit Bert Kaempfert. Kommen wir zur nächsten Quizfrage!" (...denn was bedeutungsschwanger klingt, das hat gar keine Bedeutung.)
Jetzt kann man natürlich sagen: Ist doch cool, so etwas aus einer ironischen Distanz heraus heute noch aufzulegen! Nur: Was bringt das, sich heute über Geschmacksverirrungen der 60er Jahre lustig zu machen?
Vielleicht ist es auch cool, diese Musik ohne größere Klagen stoisch zu ertragen? Das kann natürlich sein. Ich bin allerdings nicht cool... und weiß deshalb nicht so genau, was ich mit dieser CD machen soll. Ich gehe lieber Burt Bacharach hören.