Beim traditionellen Jazz wurde über die den Stücken zugrundeliegenden Akkorden improvisiert.
Das heißt, dass im Prinzip für jede neue Harmonie eine neue Tonskala als Tonvorrat für die Improvisationen zur Verfügung stand und verwendet wurde.
Beim modalen Jazz wechseln die Harmonien tendenziell weniger oft als beim traditionellen Jazz (allerdings wird oft mit unkonventionellen Akkordzusammensetzungen experimentiert. Paradebeispiel: Maiden Voyage).
Obwohl es in der Regel durchaus noch Akkorde und Akkordwechsel gibt, werden sie in ihrem Wechsel beim Improvisieren nicht berücksichtigt. Deswegen wird der modale Jazz auch als erster Schritt zum Free Jazz betrachtet (...auch wenn der für unsere Ohren noch weit entfernt sein mag).
Entscheidend ist für einen Solisten, dass er sich beim modalen Jazz auf eine einzige Tonskala (einen "Modus") konzentriert.
Das hat mehrere Folgen:
- Die seltener wechselnden Harmonien wirken flächiger, stärker geerdet, manchmal meditativer, manchmal grooviger.
- Der Solist gewinnt Freiheiten, weil er die Akkordwechsel bei seinen Soli nicht mehr zu berücksichtigen braucht. Er kann frei die Töne seiner Skala verwenden, was allerdings auf die Dauer auch etwas langweilig werden kann. Fortgeschrittene Jazzer umspielen daher häufig die Töne ihrer Modi oder spielen bewusst "off" (außerhalb ihres Modus´), um sich dann effektvoll wieder in den zugrundeliegenden Modus zurückzubegeben. Die Improvisationen wirken dadurch freier... und erscheinen mir auch irgendwie individueller.
Coltranes "My favorite things" liegt eine alte Musicalnummer zugrunde, die für sich genommen recht traditionell ist. Während der Improvisationen wird aber der normale Harmonieverlauf der Nummer über Bord geworfen (was ungewöhnlich war) und ein einziger Grundton bleibt, über dem sich die dazugehörigen Dur- und Moll-Akkorde frei abwechseln (man kann das ganz gut an der Klavierbegleitung hören, deren Akkorde zwar grooven, aber harmonisch eher statisch wirken - Rhythmus ist hier viel wichtiger als harmonische Spannungsverläufe). Dass Coltranes Solo sich trotzdem nahtlos aus der Musicalmelodie ergibt, zu seinen "Sheets of Sound" steigert und dann doch die verdurte Schlusswendung aus dem Musical für das Ende der Nummer nutzt, ist für meine Ohren großes Kino.
Ich liebe diese Nummer sehr. Es ist eine Nummer, die ich seit mehr als zehn Jahren immer wieder höre.