Ich höre gerade ein paar Cembalo-Sonaten des Barockkomponisten Domenico Scarlatti. Auf meiner CD sind 20 enthalten, was lächerlich ist, wenn man bedenkt, dass der gute Mann 558 geschrieben hat. Allerdings waren Sonaten zu seiner Zeit auch noch nicht das, was unter diesem Begriff von der Klassik an und später darunter verstanden wurde. Es waren kleine, einsätzige Kompositionen unterschiedlichster Art. Das Wort "Sonate" muss hier ganz ursprünglich und allgemein als "Klangstück" verstanden werden.
Scarlatti ist 72 Jahre alt geworden und hat diese Sonaten sein ganzes Leben über geschrieben. Kenner können Jugendwerke, reife Werke und Alterswerke unterscheiden. Er hat auch eine Phase gehabt, in der er sich ein wenig von spanischer Musik beeinflussen ließ. Auch das spiegelt sich in den Sonaten wider. Viele der Sonaten sind nicht so anspruchsvoll für den Musiker und wollen für mein Empfinden auch nichts beweisen (es gibt aber auch ein paar virtuose Gegenbeispiele). Auf mich wirken diese Stücke wie Tagebucheinträge: wie Momentaufnahmen, Kompositionsübungen, eine Ideensammlung.
Obwohl der Wert der Stücke in ihrer Gesamtheit von der Nachwelt erkannt wurde, ist natürlich nicht jedes von ihnen ein Geniestreich. Ich höre sie, kann mich an ihnen freuen und habe das Einzelstück auch schnell wieder vergessen. Umso mehr bin ich wie vom Donner gerührt, wenn ich dann nichtsahnend auf die Sonate 466 in f-Moll stoße, ein Stück, das von einigen Kritikern als Vorläufer der Préludes von Chopin gesehen wird. Dagegen spricht zwar die in allen Sonaten und auch hier anzutreffende strenge, barocke Zweiteiligkeit, ansonsten aber handelt es sich bei dieser Sonate um ein wunderbares, zartes, intimes Stück, das mich bezaubert, ein bisschen melancholisch stimmt und Erinnerungen an vergangenes Glück hervorruft.
Für meine Ohren kommt das Stück auf dem Klavier besser zur Geltung als auf dem Cembalo, aber vielleicht ist das auch Geschmackssache. Und anstelle der Einspielungen all der großen Pianistinnen und Pianisten, die sich über youtube anhören lassen, gefällt mir die Aufnahme des zumindest mir völlig unbekannten Paul Barton am allerbesten:
Domenico Scarlatti: Sonate in f-Moll, K 466