Hier ein letzter Hendrix. Voodoo Chile. Die "Electric Ladyland" ist sein aufsehenerregendstes Album... für mich auch sein bestes.
Voodoo Chile ist ein knapp 15minütiger Slowblues. Es gibt ihn im Original nicht auf Youtube... wie bei vielen Hendrix Sachen scheint irgendjemand den Daumen drauf zu haben.
Der folgende Link führt aber zu einem Download, auf dem ein Fan das Stück ins Netz gestellt hat. Vorangestellt hat er 25 Minuten Aufwärmübungen, die Hendrix vorneweg eingespielt hat, und die es irgendwo auf einer Special Edition gab. Wer einfach nur den Track hören will, kann ja bei 23:56 einsteigen. Da beginnt die Aufnahme, die auf der Electric Ladyland veröffentlicht wurde.
Jimi Hendrix: Voodoo ChileDer Musikkritiker Charles Shaar Murray (schrieb für den New Music Express) hat behauptet, Hendrix hätte hier eine Chronologie des Blues eingespielt und das Stück anfänglich wie ein früher Delta Blues, dann wie ein Electric Blues von Muddy Waters oder John Lee Hooker, später wie ein "sophisticated swingender" B. B. King klingen, gegen Ende dann zum "cosmic blurt" eines John Coltrane und am Schluss zu free-form noise übergehen lassen. Leider haben diese Aussage im Internet etliche Typen abgeschrieben.
Klingt ja auch toll - Hendrix als allwissender Konzeptkünstler jenseits der Zeiten, der uns in die Allgegenwart des Blues einführt - in meinen Ohren leider ziemlicher Bullshit.
Natürlich geht die Nummer reduziert los und am Anfang stand der Schwarze mit seiner Gitarre.
Natürlich setzt irgendwann die Band mit ein und Muddy Waters und John Lee Hooker haben sie auch eingesetzt.
Beim "Sophisticated Swing" eines B. B King habe ich große Probleme. Das kann man über ihn vielleicht sagen, aber wo ist das hier bei Hendrix?
Und ein "cosmic blurt" bei John Coltrane mag zu finden sein, vielleicht gibt es auch einen bei Hendrix, aber das ist doch ein ganz anderer "cosmic blurt"!
Ja, und der Schluss? Am Schluss steht natürlich das Freak-Out - und das ist von mir aus auch free-form noise... aber deshalb noch lange keine Studie in der Geschichte des Blues... wie viele Stücke dieser Zeit enden mit free form noise? Etliche!
Ärgerlich sowas, weil einer vom anderen diesen Schwachsinn abschreibt.
Ärgerlich auch, weil aufgrund irgendeiner imaginären Bedeutung nicht mehr das zur Sprache kommt, was wirklich zu hören ist:
Der Song ist ein 15 minütiger Blues mit extrem simplen Bestandteilen und hält permanent die Spannung.
Wie geht das?
Hauptsächlich über Steigerung.
Es sollte nicht vergessen werden, dass Jimi Hendrix hier eine Orgel als Partner hat (fast niemand schreibt über den Organisten! Es ist Steve Winwood von Traffic).
Ein Instrument, das auch sehr schön steigern kann.
Ein Instrument mit dem Hendrix auch gemeinsam steigern kann.
Und wenn dann eine gewisse Dichte erreicht wurde, bringt Hendrix das Stück durch eine Art Solokadenz in Auflösung... manchmal auch mit den anderen Musikern gemeinsam (wirbelnder Drummer, nudelnder Organist).
Nach so einem Moment kann man neu aufbauen.
Jeder Aufbau kann dann einen Schritt weiter ins Chaos führen als der vorangegangene.
Am Ende steht die völlige Auflösung des Songs.
Der Gedanke ist einfach und ein alter Hut.
Nichts besonderes.
So wie Hendrix muss man ihn aber erstmal umsetzen!
Der Mann scheint ein traumwandlerisches Gespür dafür zu haben, wann er verdichten, retardieren und einen draufsetzen muss.
Über 15 Minuten muss man das erstmal hinbekommen!
Das Stück ist jedenfalls aus einem Guss (und nicht aus Stationen einer Musikgeschichte).
...und ich finde es sehr großartig, um nicht zu sagen "Voodoo".