Ich höre erneut das Uri Cain Ensemble, diesmal das Album "The Goldberg Variations".
Uri Cain adaptiert die Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach.
Er übernimmt die "Aria" (das Thema von Bachs Komposition), spielt alle 30 Variationen Bachs ein und stellt ihnen noch etliche weitere zur Seite, sodass seine Doppel-CD schließlich 70 Variationen enthält, die zwischen 30 Sekunden und gut 5 Minuten lang sind. Die Variationen Bachs sind teilweise uminstrumentiert und nochmals leicht verändert, bleiben aber relativ nah an ihren Vorbildern. Caines eigene Variationen entfernen sich weiter vom Thema, streckenweise ist es kaum noch zu erkennen und scheint höchstens noch assoziativ von Bedeutung zu sein.
Stilistisch wird der große Sack des Eklektizismus aufgemacht. Von Barockmusik über Romantizismen, Tanzmusik, Jazz bis hin zu einigen Techno-Einflüssen wird alles in die Suppe hineingerührt, was sich im Regal finden lässt. Einiges ist krude und grotesk, anderes eindrucksvoll. Am eindrucksvollsten ist aber nicht eine der Variationen an sich, sondern das Gesamtpaket, das den Hörer immer wieder überrascht und verwundert den Kopf schütteln lässt.
Gefällt mir das? Ich weiß nicht. Ich würde mir für die einzelne Variation etwas mehr Relevanz wünschen. Denn wenn da irgendeine Kirmesmusik-Variation erklingt, dann ja nicht deshalb, weil sie irgendetwas mit Bach zu tun hat... auch nicht, weil es diese Kirmesmusik wert ist gehört zu werden... sie erklingt, weil es eben eine Stilart ist, die noch nicht dran war... ein Kontrast, der noch nicht abgefrühstückt wurde... und das allein ist mir ein bisschen wenig, muss ich gestehen.
Am Schluss habe ich den Eindruck, Uri Caine hat das selbst gemerkt. Er schließt die Variationenreihe wie sein Vorgänger Bach auch mit der Aria, dem zugrundeliegendem Thema, das somit Anfang und Ende der Komposition wie eine Klammer einschließt. Danach aber folgt bei Caine eine allerletzte Variation, die er "The Eternal Variation" nennt. Sie besteht lediglich aus ein paar kaum hörbaren, sich frei ablösenden Schwingungen. Ist das ein Metakommentar? Für mich klingt das, als wolle uns Caine darauf hinweisen, dass alles Vorangegangene nichts weiter als heiße Luft war, die verpufft ist und nur noch einen konturlosen Nachhall hinterlassen hat.
Ich verlinke diesen Schluss. Wen die Musik interessiert, der muss sich das gesamte Album anhören. Alles andere ist sinnlos.
Uri Caine Ensemble: The Eternal Variation