1. Plotspiel: vorher festgelegter Plot (Ist Railroading eigentlich eine Bedingung? Genügt Partizipationismus oder Illusionismus?)
So, wie ich das verstanden habe, ist bei dem Punkt auch (voller oder eingeschränkter) Partizipationismus enthalten. Die Spieler können
wissen und
wollen, dass sie in weiten Teilen des Abenteuers an den Verlauf einer vorgefertigten Geschichte gebunden sind. (Im RR
wollen die Spieler
nicht einem vorgegebenen Handlungsverlauf folgen müssen, aber sie merken/wissen, dass sie eine Geschichte nachspielen. Aus dieser Spannung zwischen wissen und nicht-wollen entsteht Unzufriedenheit.)
Wenn sie die Steuerung hinnehmen, handelt es sich um eine Form des Partizipationismus, wenn sie maulen, handelt es sich um RR.
Illusionismus ist ein Sonderproblem. Eigentlich handelt es sich bei Illusionismus ja um Spielsteuerung, welche die Spieler nicht bemerken - und da ist eben die große Frage, wie blind eigentlich Spieler sein müssen, um eine Spielsteuerung entlang einer Geschichte nicht zu bemerken. Die Lehre des Illusionismus ist der Glaube, dass der Spielleiter ein großer Zauberer oder Künstler ist, der den Spielern Entscheidungsfreiheit vortäuschen kann, die nicht existiert. Meiner Meinung nach gelingt es aber so selten, diese Illusion aufrecht zu erhalten (oder die Aufrechterhaltung ist mit so viel Kosten und Mühen seitens des SL verbunden), dass man Illusionismus nur in Ausnahmefällen am Spieltisch umsetzen kann.
Illusionismus scheitert z.B. schon an der Würfelfrage. Ein SL, der "diceless" spielt oder hinter dem Paravent würfelt, kann die Illusion einer offenen Geschichte schon nicht mehr aufrecht erhalten.
Was TAFKAKB einbringt, verkompliziert die Diskussion mMn
an dieser Stelle. Das von ihm eingeworfene Unterscheidungskriterium (oder vielmehr Abgrenzungskriterium) - Zulässigkeit regelbrechender Eingriffe seitens des SL zugunsten des Dramas - setzt
allen Spielern, die im Rollenspiel
auch Storyelemente sehen wollen, die Schummlerpistole auf die Brust. Im Klartext heißt das nämlich: sobald der SL nicht mehr schummelt, ist es kein Erzählspiel mehr. Damit wäre eine regelkonform gespielte Runde "Prime Time Adventures" kein Erzählspiel - und das führt wirklich nicht weiter.
Die Zulässigkeit regelbrechender Eingriffe - würde ich vorschlagen - verschiebt anhand der 3 Aspekte (Bewusstheit, Motivation, Heftigkeit - auch Häufigkeit?) ein Erzählspiel auf der Achse vom "Klassischen Erzählspiel" in Richtung "Plotspiel". Plotspiel lässt viele Eingriffe zu, reines "klassisches Erzählspiel" keine.
Ob eine Exegese des Storytellerbegriffs von WW irgendwie zielführend ist, wage ich zu bezweifeln. Einmal wurde der Storytellerbegriff als Marketingtrick von WW eingeführt, manchmal als Kampfbegriff gegen den Strohmann "Hack&Slay" (Monsterplätten und Schätze einstecken) ins Spiel gebracht. Es bringt wahrscheinlich wenig, sich durch die WW-Esoterik der oWoD und auch nWoD zu wühlen, um vielleicht auf einen klaren Begriff in einem Spiel zu stoßen, welches vom Regelwerk her nur ganz beschränkt erzählspielerische Einflüsse hat. Zumindest wenn man es vergleicht mit Erzählspielen wie z.B. PTA, oder sogar FATE, das ich ausdrücklich
nicht als Storytellersystem im WW-Sinne ansehe. Selbst wenn man aus den WW-Büchern einen Begriff für Storytelling kondensieren könnte, hätte man daraus nichts anderes gewonnen, als eine Aussage darüber, was WW unter Erzählspiel propagandiert hat. Als Begründung für die Autorität könnte man aber nur anführen, dass sie die ersten waren, die diesen Begriff (der heutzutage ja selbst im D&D-Regelwerk steht) offensiv verwendet haben.
Weiterhin müsste man dann differenzieren zwischen dem, was WW in einzelnen seiner Bücher zum Begriff geschrieben hat (und welche SL-Tipps hinsichtlich des Erzählens publiziert wurden), und der "Erzählspiel"-praxis der verschiedenen WW-Schüler, quasi dem "Real Existierenden Storytelling" (der WW-Spieler). Sozusagen der Unterschied zwischen Marxens Schriften und der Sowjetunion (was nicht heißen soll, dass nicht auch beides Mist enthalten kann). Und da gehen persönliche Spielerfahrungen wohl so weit auseinander, dass es sich im Augenblick nicht lohnt, einen "empirischen" WW-Storytellingbegriff rückblickend aus der Spielerfahrung von WW-Spielern zu gewinnen (alle Probleme der oral history bzw. qualitativen Methoden mal beiseite gelassen).
Leicht OT:
Ich habe das mal an
anderer Stelle gemacht und Storytelling so verwendet, wie ich es an verschiedenen Spieltischen mit verschiedenen Spielleitern (die sich aber alle als Storyteller begriffen haben) und unter ausdrücklicher Beschwörung der Weißen Wölfe erlebt habe - und bin darauf hingewiesen worden, dass a) sich meine Erfahrungen nicht mit denen anderer zu decken scheinen und b) für den von mir beschriebenen Spielstil bereits die Fachworte Railroading und Erzählonkelei existieren - der Begriff Storytelling also für eine andere Spielpraxis noch offen stehen kann.
Natürlich soll man seine Geschichte kennen, um sie nicht zu wiederholen - aber anhand der Verwendung von WW-Begriffen bleibt man da nur in einer selbstgebauten Sackgasse stecken.