So, erstmal zur Ordnung rufen:
Leute, über Sinn und Unsinn der Goldenen Regel und auch anderer Sachen will ich hier gar nicht diskutieren. Wenn das jemanden interessiert, dann macht doch dafür einen neuen Thread auf aber bitte müllt das hier nicht zu.
Entschuldige, ich dachte, genau darum ginge es in diesem Thema: Mutmaßlich verpönte Werkzeuge zum/im "Regel-Design". Dann ist es doch sinnvoll, diese Werkzeuge auf ihren Nutzten abzuklopfen.
Dass dieses Tool Dich als Designer wurmt, verstehe ich, aber wie kommt es, dass ausgerechnet jene, für die Rollenspiele konzipiert werden, solch eine Regel verteidigen, wenn sie erstmal da ist?
Die Goldene Regel ist nach meiner Auffassung eigentlich keine Regel, sondern eine Anti-Regel:
Ich habe häufig das Gefühl, dass Rollenspieler im Allgemeinen erhebliche Bedenken und folglich eine große Abneigung gegen "Gängelung" haben und (viele bzw. differenzierte) Regeln sowie Railroading schnell als solche Empfinden. Insofern ist natürlich eine Goldene "Regel", die einem ein offiziell abgenicktes Tor zum Ausbruch aus diesen vermeintlichen Zwängen bietet, gefragt. Ich denke aber auch weiterhin, dass dies - wenn es zutrifft - eine Einstellungssache ist. Regeln allgemein und Railroading im Speziellen haben natürlich einen zwingenen Charakter, aber das sollte man nicht negativ betrachten, denn dieser "Zwang" ist vielmehr als Anleitung gemeint. Regeln, also Gesetzmäßigkeiten, sorgen, wenn sie nicht bloß mit dem Zweck der Unterdrückung aufgestellt sind, dafür, dass alle gleich behandelt werden und somit gleiche Chancen bekommen, das Spiel also fair bleibt. Selbst wenn einem die Regeln manchmal sinnlos erscheinen, erleidet doch jeder diese Sinnlosigkeit im gleichen Maße und keiner wird bevorteilt. Ein solcher Fall ist m.E. Railroading: Spielerfreiheiten werden über das Maß hinaus beschnitten, das Spieler sinnvoll finden; solange aber keine Ausnahmen gemacht werden, bleibt das Spiel dennoch fair UND das RR eröffnet dem Spielleiter bessere Kontrolle über die Ereignisse. Mehr Kontrolle bedeutet eben automatisch auf der Gegenseite mehr Einschränkung, d.h. "Gängelung". Das ist imo eine Polarität, so dass zwangsläufig mehr vom einen auch weniger vom anderen bedeutet. Kontrolle über die Geschichte und deren Verlauf konkuriert somit direkt mit Spielerfreiheit und jede Gruppe muss da ihr Optimum finden.
Die Goldene Regel ist gewissermaßen das Gegenteil von Railroading: ein Werkzeug für mehr Freiheit. Gleichzeitig finde ich die Regel aber problematisch, weil sie in diesem Kontext schnell zu UNGLEICHHEIT der Spieler führen kann, wenn sie nicht gleichmäßig für alle gilt. Das gilt natürlich für das Railroading auch, nur werden die beiden "Werkzeuge" meiner Erfahrung nach häufig auf verschiedenen Ebenen des Spiels angewendet: Railroading meist auf der Ebene der Spielwelt-Realität, die GR eben auf Regelebene*. Der letztere Fall kann imo das Spiel aber wesentlich schneller durch Ungleichbehandlung kippen, weil die Regeln präziser aufeinadner reagieren als die Spielweltrealitäten.
*Auf Spielwelt-Ebene entspräche dies dann wohl der "Rule of Cool": Brechen der Spielwelt-Wahrscheinlichkeit.
Auch dass sich solche Rollenspiele verkaufen, weil halt vor allem dafür Gruppen vorhanden sind, glaube ich nicht. Es sind vor allem die SL, welche die Regelwerke anschaffen (darüber lasse ich auch nicht mit mir diskutieren). Entweder sie kaufen sie in Online-Shops oder in den normalen Fantasy-Läden. So oder so stehen andere RPGs daneben. Im Internet finden sich alternative Ansätze zum Spielen und Leiten. Wenn sie was neues einführen wollen, kriegen sie vor allem von den Spielern Gegenwind (behaupte ich mal), die weiter ihre alten Charakter auf die alte hier so verachtete Weise spielen wollen.
Dem stimme ich zu, denn meine Erfahrung ist da ähnlich. Aber ich möchte mal von dem Gedanken wegführen, dass sich das "Beste", also das am besten designte Regelwerk, durchsetzten müsste: Man beobachtet auch auf anderen Märkten, dass sich nicht unbedingt das "Beste" durchsetzt (ich verweise da u.a. mal auf den Scart-Anschluss, zu dem es alternative Anschlüsse gibt, die bessere Ergebnisse erzielen. Dennoch hat sich Scart als Standard etabliert). Ob sich das immer im Preis niederschlägt, wage ich zu bezweifeln (allerdings bin ich auch kein Wirtschaftsexperte). Man denke dabei auch an die Wirkung von Markennamen. Gerade bei DSA kompensiert vermutlich allein der Name schon etliche eventuelle Schwächen im Design.