Ich wage mal eine vorsichtige Deutung der Beobachtung: Das liegt daran, daß gute, professionelle Spieler gute Regeln brauchen, aber schlechte, unfachmännische Spieler mit schlechten Regeln unter Umständen glücklicher werden.
Lass mich das mal provokativ umgekehrt beschreiben: Gute Spieler schaffen auch mit schlechten Regeln ein tolles Spiel. Schlechten Spielern ermöglicht ein gutes Regelwerk vielleicht trotz gruppeninternen Problemen Spaß im Spiel.
Leute, die sich mit Regelsystemen an sich befassen, haben allerdings unabhängig davon, ob sie „gute“ oder „schlechte“ Spieler sind, eigene Anforderungen an ein Regelwerk, je nachdem welchen Stil sie als ihren eigenen Stil gefunden haben.
Ein guter Spieler kann einer sein, der intuitiv spürt, wohin die SL mit einer Geschichte will, und direkt mithilft, diese Geschichte zu formen. Das wäre dann ein Stil, in dem es darum geht, eine Geschichte zu erleben – und bei dem die genaue Ausgestaltung der Geschichte für die Spieler weniger wichtig ist als für die SL.
„Hey, der Planet hat hunderte schäbige Bars, lasst uns in einer davon abhängen und eine Schlägerei anzetteln (immernoch der schnellste Weg in ein Abenteuer). SL, welche Bar sieht am spannendsten aus?“
⇒ SL reibt sich die Hände und freut sich auf die nächsten Szenen.
Ein guter Spieler kann aber auch einer sein, der selbst Geschichtsfäden spinnt und von der SL erwartet, dass sie diese Fäden zu einem größeren ganzen verbindet – und sich dabei meist im Rahmen der Regeln bewegt, so dass der Spieler abschätzen kann, was seine Beiträge bewirken.
„Der Planet hat tausende Bars. Ich bin mir sicher, ich kann mir da endlich neue Drogen besorgen!“
⇒ SL sortiert ihre Notizen, um Drogenhändler in die Geschichtsideen zu integrieren.
Oder er kann einer sein, der die Handlungsweisen seines Charakters und deren Konsequenzen detailliert erleben will und dafür zu jedem Zeitpunkt alle für Entscheidungen notwendigen Informationen haben will.
„Der Planet hat tausende Bars. Fliegen wir weiter. Hier finden wir sicher keine sinnvolle Werft, um den Schwarzlochwerfer zu montieren.“
⇒ SL legt die Planetenkarte zur Seite und beschreibt die anderen Reiseziele.
Ich habe jetzt sicher nicht alle Stile beschrieben, aber ich denke es sollte klar sein, worauf ich hinaus will. Stil ≠ Güte.
Was das jetzt fürs Design bedeutet? Es unterstützt den Threadtitel: Je nachdem, welchen Stil das Rollenspiel eher fördern soll, sind die Goldene Regel und Railroading passend oder unpassend.
Wenn angenommen wird, dass die SL den roten Faden des Spielabends vorgibt und die Spieler ihn ausgestalten, sind sie passend.
Wenn aber angenommen wird, dass die SL als Moderator agiert und die Vorstellungen der Spieler zusammenführt, zerstören sie möglicherweise die Grundlagen auf denen die Spieler ihre Geschichtsfäden aufbauen.
Beide Arten des Spiels sind gut, und ein Spieler, der bewusst entscheidet, dass er im Rahmen der Vorgabe der SL spielen will ist genausowenig unfrei wie ein Dichter, der sich entscheidet, ein Sonett zu schreiben.
Es wird nur zu Problemen kommen, wenn zwei Dichter zusammen schreiben und der eine ein dadaistisches Stimmungsbild erschaffen will, während der andere ein Sonett entwerfen will, um ein Thema klar zu erfassen. Sie werden sich schon nach der ersten Zeile streiten…
Ein Rollenspiel sollte daher klar machen, welchen Spielstil es fördert, und das Regeldesign sollte dieses Versprechen dann auch einlösen. Idealfall: Spiel das Spiel nach den Regeln. Schau, welchen Stil sie fördern. Schreib das drauf. Oder: Finde den Stil der Geschichten. Wähle ein dazu passendes Regelwerk.