Ich frage mich, was den unterschiedlichen Erfolg von Fate und Cortex+ erklärt. Eine Sache ist sicher, dass Fate konstanter unterstützt wurde und vermutlich auch einfach die interessanteren Settings hatte. Lizensierte Spiele zu Fernsehserien sind eben schon eine sehr spezielle Sache. Dabei kam mir die Frage, was eigentlich der fundamentale Unterschied zwischen den Spielen ist, da nur der Verweis auf die Settings ein wenig lahm wäre. Außerdem sehe ich das bei mir selbst, das mich die Cortex+-Regeln deutlich stärker ansprechen, als die Fate-Regeln. Es muss also noch mehr geben. Da ich nicht so der Fate-Buff bin und das zwar gelesen habe, aber so gut wie nie spiele, habe ich mal eine Frage, ob ihr das ähnlich sehen würdet, vielleicht liege ich in meiner Einschätzung ja völlig falsch:
Fate Core verfügt über sehr viele verschiedene Regelmechanismen, die verschiedene Dinge im Spiel abdecken und auch stark in die Breite gegangen sind. Neben den Aspekten hat man etwa auch das High Concept, neben Stress-Balken gibt es auch noch Complications. Es gibt Skills und es gibt Stunts. Zu Fate-3-Zeiten kam jedes Spiel noch ein wenig anders daher, weil das Spiel auch noch in Entwicklung war, zum Teil waren diese Spiele stark aufgebläht (Dresden Files!). Mit Fate Core ist es noch einfacher, ohne die Mechanismen und die Spielelemente zu verändern verschiedene Settings und Core Storys zu bespielen. Was sich ändert sind nicht die Regeln, sondern die Inhalte. Die Unterschiede in der Core Story fließen ein, indem ich festlege, was für High Concepts, Stunts oder Aspekte möglich sind oder mit welchen Complications man zu rechnen hat. Ich kann mit Fate Core also "relativ einfach" eine Conversion starten oder eine eigene Idee bespielen, weil ich nicht erst groß als Designer tätig werden muss, es wird nur passender Content erforderlich sein und das Spiel wird Sorge dafür tragen, dass es passt und ich meine gewünschte Core Story bespielen kann. Dies ist die Stärke der vielen Mechanismen und Regelelemente, mit ihnen lassen sich viele verschiedene Dinge abdecken.
Cortex+ funktioniert anders. Der Mechanismus bleibt zwar immer gleich, überhaupt ist es in Hinsicht auf Mechanismen deutlich reduzierter im Vergleich zu Fate Core. Dadurch, dass wenig Mechanismen zur Verfügung stehen, ist es aber unverändert (!) weniger vielseitig. Es genügt nicht, etwa passende Distinctions auszuwählen, sondern man muss auch an den grundlegenden Spielelementen feilen. So kann es Attribute geben, das könnten 3 oder 6 sein, oder ich mache etwas ganz anderes als Attribute, zum Beispiel Affiliations. Es könnte Stress-Balken geben, die Stress-Balken könnten ganz unterschiedlich aussehen, oder ich mache gar keine Stress-Balken und arbeite einfach nur mit Complications. Es verändert sich also immer auch das Spieldesign und das Resultat ist, dass Charakterbögen zweier verschiedener Core Storys ganz unterschiedlich aussehen können, während ein Charakterbogen in Fate Core in der Regel immer gleich aussieht.
Den Ansatz von Fate Core halte ich für zugänglicher und m.E. ist das etwas, wo sich Fate Core und Cortex in ihrem Fundament unterscheiden und den Erfolg von Fate Core erklären könnte. Es ist eben ein generisches System, während Cortex+ in seiner Reinform überhaupt kein Spiel ist, sondern nur ein paar Prinzipien, wie man ein Spiel aufbauen könnte mit zwei, drei Mechanismen. Oder eben wie es gerade im Cortex Prime entsteht, eine Sammlung von Regeln, die würde man sie alle auf einmal benutzen kein sinnvolles Spiel ergeben. Der Designprozess, der bei Cortex vor dem Spiel stattfinden muss, den kann man in Fate Core in das Spiel integrieren, z.B. indem verhandelt wird, welche Aspekte die Spielercharaktere nehmen oder welche High Concepts gewählt werden. Das kann ein SL oder Settingautor im voraus festlegen, muss er aber nicht und das Spiel wird nicht schlechter funktionieren, wenn man es erst im Spiel macht.