"Auslegungssache" trifft es sehr gut, in den Büchern wird das leider nirgendwo so ganz klar erklärt :/ Fate Core hat zwar vieles besser erklärt als ältere Iterationen von Fate, aber einige Dinge hätten immer noch gerne klarer formuliert werden können. Gerade die Interaktion von "aspects are always true" mit den sonstigen Regelmechaniken des Spiels ist definitiv so ein Beispiel.
Ich beziehe mich da immer auf
Establishing Facts in Fate Accelerated und
Using Aspects for Roleplaying sowie die
Golden Ruleaus Fate Core[/url].
The final thing that aspects can do is establish facts in the game. You don’t have to spend any fate points, roll dice, or anything to make this happen—just by virtue of having the aspect Ruddy Duck’s Pilot, you’ve established that your character is a pilot and that you fly a plane named the Ruddy Duck. Having the aspect Mortal Enemy: The Red Ninjas establishes that the setting has an organization called the Red Ninjas and that they’re after you for some reason. If you take the aspect Sorcerer of the Mysterious Circle, you not only establish that there’s a group of sorcerers called the Mysterious Circle, but that magic exists in the setting and that you can perform it.
When you establish facts of the setting this way, make sure you do it in cooperation with other players. If most people want to play in a setting without magic, you shouldn’t unilaterally bring magic into it through an aspect. Make sure that the facts you establish through your aspects make the game fun for everyone.
The aspects on your character sheet are true of your character at all times, not just when they’re invoked or compelled. (...) Inserting these kinds of aspect-related details into your narration can help your game seem more vivid and consistent, even when you’re not shuffling fate points around.
Wenn ich also einen Aspekt "Kann nur durch Silber verwundet werden", dann wäre das ein "innerweltlicher" Fakt. Die Frage ist nun: Was genau bewirkt dieser Fakt, im Sinne von: Wie interagiert er mit den Regeln? Schwere Sache, weil sowas in den Regeln nirgendwo explizit vorgesehen ist. Da kommt dann die goldene Regel ins Spiel:
Decide what you’re trying to accomplish first, then consult the rules to help you do it. (...) Don’t look at the rules as a straitjacket or a hard limit on an action. Instead, use them as a variety of potential tools to model whatever you’re trying to do. Your intent, whatever it is, always takes precedence over the mechanics.
Wenn ich also einen Fakt etabliert habe, der besagt, dass [insert stuff here] mir nichts anhaben kann, suche ich irgendeinen Weg, wie sich das sinnvoll abbilden lässt – denn das "Ignorieren" des Faktes, bloß weil er in den Regeln so nicht ausdrücklich vorgesehen ist, würde die "innerweltliche" Logik ad absurdum führen.
Und für mich ist da die Lösung, das weitgehend narrativ zu handhaben: Wenn ich den Fakt auf meiner Seite habe, dass [XY] mir nichts anhaben kann, dann brauchst du [alles außer XY], um mir etwas antun zu können.
Dafür muss ich gar nicht die Regeln an sich brechen, denn die Regeln für Conflicts besagen ja, dass es sich nur um einen regeltechnischen Konflikt handelt, wenn die Charaktere die Möglichkeit haben, sich gegenseitig zu schaden:
As long as the characters involved have both the intent and the ability to harm one another, then you’re in a conflict scene.
Wenn ich nun den Fakt festgelegt habe, dass ich durch [XY] nicht zu verletzen bin, du aber nur [XY] als Waffe zur Hand hast, dann handelt sich eine Auseinandersetzung zwischen uns regeltechnisch gar nicht um einen Konflikt, weil es narrativ keinen Sinn macht, dass du mir schadest.
Das ist der Grund, wieso ich hier einen "regelbrechenden" Stunt als nicht zwingend notwendig ansehe, weil ja gar keine Regel im eigentlichen Sinne gebrochen wird.
Aber zugegeben, hier sind wir knietief im Reich der "Regel-Exegese", und ich kann gut verstehen, wenn das jemandem als zu großzügige "Dehnung" des Textes erscheint. Anders gesagt: Ich denke zwar, dass die "rules as written" meine Interpretation durchaus hergeben, und es daher keine "Optionalregeln" im eigentlichen Sinne sind – aber ich habe keinen blassen Schimmer, ob sie auch die "rules as intended" sind.
Zumindest in Fate Accelerated scheint es "rules as intended" zu sein, dass Aspekte auf Permissions für besondere Fähigkeiten geben, ohne durch Stunts "gestützt" zu werden. Aber Fate Accelerated ist nur eine "Spezial-Version" von Fate Core, nicht Fate Core selbst, und Clark Valentine ist zwar der Autor von Fate Accelerated, hat aber am "eigentlichen" Fate Core meines Wissens nicht aktiv mitgeschrieben. Das alles trägt nicht unbedingt zur Klarheit bei
PS: Und dass auch die "Masterminds" hinter Fate Core, Leonard Balsera und Ryan Macklin, sich offenbar nicht zu 100% einig sind, inwieweit die "Macht" von Aspekten für flat-out Permission und "Denial" (ich nenn's einfach mal so) reicht, macht die Sache nicht einfacher
Beispiel aus einer neuerlichen
Diskussion auf Google+ über Ryan Macklin's Scale-Regeln aus
Achtung Cthulhu! verglichen mit jenen von Leonard Balsera aus
Day After Ragnarök:
Lenny and I had quite a few discussions about scale, as we were working on rules roughly at the same time. We essentially arrived as similar conclusions, except that I use math to drive behavior and he dictates the behavior. The result is roughly the same -- scale is almost always going to inflict a consequence instead of stress in my setup, and overwhelming scale means you need to somehow level the playing field in the fiction.
In Achtung Cthulhu wird Scale über Boni für den "größeren" (+4 per Stufe, wenn ich mich Recht entsinne) gehandhabt. In Day After Ragnarök hingegen ist Scale rein narrativ, um überhaupt jemanden mit höherer Scale angreifen zu können brauchst du einen Permission-Aspekt.