Kampf und Schleichen ist wichtig, Handeln nicht, basta!
Aber ich finde, es kann durchaus spannend sein.
Die Rollenspiele bzw. die Settings, in denen Feilschen mit einem Händler und das Auffinden von günstigen Einkaufs- und lukrativen Verkaufsmöglichkeiten WIRKLICH ein Spannungsmoment darstellt, sind eher rar gesät.
Selbst in guten alten Traveller-Zeiten, als wir jahrelang mit einem Raumhändler unterwegs waren, war das Handeln, das Organisieren von Fracht, Passagieren, das eigene Ankaufen und Verkaufen von Gütern eher eine lästige Nebensache, die glücklicherweise in Traveller schön einfach geregelt ist und schnell abgewickelt werden konnte, damit man endlich wieder die INTERESSANTEN Herausforderungen im All angehen konnte.
Handelssimulation ist selten im Rollenspiel im Brennpunkt dessen, was man die Spieler in einem Rollenspiel so betreiben läßt.
Und für das Verschachern von "gelooteten" Besitztümern der erlegten Gegner oder dergleichen ist EIN Würfe mehr als genug Aufmerksamkeit: Streetwise zum Lokalisieren eines Abnehmers, der etwas zu einem Viertel des Ladenpreises abkauft, bei einem Raise zur Hälfte des Ladenpreises. Hier kommt der - regeltechnisch durchaus schon mal mehr als +2 ausmachende - Charisma-Bonus zum Tragen. Aber, wie Kardohan am Beispiel von Hellfrost schon gezeigt hat, wird man bei noch so hohem Charisma-Bonus bestenfalls einen Raise beim Streetwise-Wurf hinbekommen und somit bestenfalls mit dem HALBEN Ladenpreis im Verkauf da stehen. KEIN Abnehmer wird mehr zahlen, als ein verkauftes Gut wirklich wert ist, egal wie gut man würfeln mag.
Damit sind die Verkaufs-Regeln schon so ausgerichtet, daß sich Loot-Sammeln-und-Verhökern durchaus lohnt, daß es aber nicht überzogen hohes Einkommen bietet.
In den SW-Settings, in denen Handel WICHTIGER ist, - wie in 50 Fathoms z.B. - gibt es die obige Regel für den Verkauf von "Booty", also Beutegut, UND es gibt echte Handelsregeln für Einkauf und Verkauf von HANDELSWAREN.
Handelswaren sind NICHT für den Gebrauch oder Verbrauch durch die SCs gedacht. Diese Handelsregeln sind somit nicht für die "haushaltsüblichen Mengen" der Kleineinkäufe eines Seemanns in einer Hafenstadt gedacht, sondern für den Seehandel als EINKOMMENSMÖGLICHKEIT für das gesamte Schiff! Damit finanziert man den Unterhalt des Schiffes, der Mannschaft und sonstiige Ausgaben.
Die 50 Fathoms Master Trading Tabelle geht hierbei den Weg, den man auch schon bei Traveller in den ersten drei Little Black Books findet: EINE Tabelle, die in Laderaum-Einheiten unterschiedliche Güter einkaufen und verkaufen läßt. Statt über einen Trader/Broker Skill geht SW - wie üblich - mit zwei Edges, Merchant und Master Merchant, an diese Tabelle heran. Diese Edges erlauben günstigeres Einkaufen und profitableres Verkaufen.
Damit hat man auf SEHR EINFACHE Art das Handels-Thema als EINKOMMENSQUELLE um das Schiff samt Mannschaft seetüchtig zu halten (und das ist bei 50 Fathoms WICHTIG!) einfach und vollständig umgesetzt.
Wie gesagt: Die individuellen Kleinst-Shopping-Touren einzelner Charaktere sind so unwichtig, daß es dafür nicht auch noch eigene Incidental Purchases Tables (eine oder mehrere pro Insel oder gar pro Siedlung!) bräuchte.
Hellfrost ist hier weniger auf das Handeln als Einkommensquelle der SCs ausgelegt, auch wenn ein Spieler durchaus einen Var-Priester (Handelsgott) spielen könnte und es somit FÜR DIESEN EINEN SC eine Frage des SÜNDIGENS wird, ob er es schafft ausreichend Profit zu machen. Das betrifft - anders als bei 50 Fathoms - nicht die gesamte Gruppe. (Auch wenn mit dem Hellfrost Companion detailliertere Regeln für das Bewirtschaften von Ländereien geboten werden, so daß man durchaus - wenn auch als Immobilie - alle SCs mit Interesse am Prosperieren des eigenen Landes in wirtschaftliche Aktivitäten bringen kann.)
Handelsregeln sind - wie oben schon oft und völlig korrekt gesagt - SETTINGSPEZIFISCH.
Was für Geschichten will man denn in einem Setting spielen lassen?
Will man eine Crew eines kleinen Handelsseglers auf karge Zeiten treffen lassen, so daß sie sich entscheiden müssen, ob sie nicht riskantere (ABENTEUERLICHERE!) Tätigkeiten wie Gefangenenbefreiung, Schmuggel, Piraterie, Walfang, usw. vornehmen müssen? - Dann passen einfache Handelsregeln durchaus, solange das Ziel der SCs ist: Find a crew. Find a job. Keep sailing.
Will man die Charaktere mit suboptimaler Ausrüstung gegen wüste Gegner antreten lassen, dann modelliert man die VERFÜGBARKEIT (und auch den Preis) von Gegenständen entsprechend. So ist es nun einmal der Fall, daß die Mead Hall zwar opulent aussieht, die Thanes und Huscarls aber keine vorzügliche Bewaffnung haben, und die Fyrd nicht zahlreich und nicht gut bewaffnet ist. Daher müssen 13 Krieger von weither als HELDEN aufgefordert werden, die Plage des Glühwurmdrachens für immer zu beseitigen. - Handelsregeln? Hierfür? Braucht man nicht.
Ist in vielen Savage Settings das Generieren von Einkommen schon eher von untergeordneter Bedeutung, so ist das Handeln als explizite, sich auch regeltechnisch WICHTIG machende Aktivität sogar noch geringer vertreten.
Savage Worlds ist nicht als Wirtschaftssimulationsregelwerk entwickelt worden.