So, mit leichter Verspätung *schäm*
Die Bedingungen sind wie gehabt, d.h.
- GURPS 4 Basic Set als Regelgrundlage
- Erstellung von Hand / ohne Generator
- Angabe von Start- und Endzeit zur Zeitdauerberechnung
Punktebegrenzung ist keine angedacht.
Einsendeschluss ist der 14.01.11, 0900 Uhr (ist ja schon ne unchristliche Uhrzeit grad
).
TL ist 10^ - betrifft ja aber eigentlich nur ein paar Notationen.
Flufftext wie folgt (ist etwas mit mir durchgegangen
):
21. Mai 2429
UTSMC-LRR-Kreuzer
PoljakowTagebucheintrag #822
Ich sitze in meiner Kabine und halte den kleinen Datenträger in der Hand, auf dem meine Erinnerungen gespeichert sind.
Für die neuralen Modifikationen, mit denen das Space Marine Corps des Vereinten Terra uns ausgestattet hat, ist es kein Problem, eine Echtzeitaufzeichnung aller Sinneseindrücke und Gedanken zu machen.
Natürlich ist das nicht mein einziger Datenträger - ich habe ungefähr zwei Dutzend Kopien, deponiert an allen möglichen Orten auf dem Schiff.
Wie die meisten Space Marines habe ich eine Scheißangst davor, meine Erinnerungen zu verlieren. Und wie die meisten habe ich vor meiner Abreise auch noch ein paar Kopien daheim auf dem Mars hinterlegt (das steht zumindest in dem Kurzbriefing, das ich mir selbst geschrieben habe), damit ich wenigstens die Erinnerungen an mein Leben vor dem Corps habe, wenn hier was mit den Aufzeichnungen schiefgeht - obwohl das eigentlich Unsinn ist.
Alles, was alle meine Kopien auf der
Poljakow zerstören würde, würde mich höchstwahrscheinlich auch umbringen, und dann wäre es ohnehin egal.
Eigentlich seltsam, dass wir alle so an diesen Datenträgern hängen, wo wir doch gar nicht wissen, ob es überhaupt sonderlich erstrebenswert ist, diese Erinnerungen zu haben.
Die Stasisfelder, die uns im Warpraum am Leben halten, fragmentieren das Gedächtnis so weit, dass das Gehirn keinerlei Sinn mehr darin erkennen kann.
Damit man nach dem Abschalten des Feldes Traum, Erinnerung und Realität unterscheiden kann und überhaupt zu irgendwas zu gebrauchen ist, muss die Neuroware auch diese zersplitterten Reste tilgen.
Keiner von uns kennt seinen Namen, und keiner von uns weiß in diesem Moment, welcher Teufel ihn geritten hat, sich für den Dienst auf dem Langstreckenaufklärer
Poljakow zu melden.
Möglicherweise sind wir gar keine Freiwilligen.
Aber was würde das jetzt für einen Unterschied machen, am anderen Ende der Galaxis, wenige Stunden vor der Ankunft auf einem feindlichen Planeten?
Ich lege den Datenträger weg.
Warum sollte ich ausgerechnet jetzt reinschauen?
Jetzt ist es nicht mehr wichtig, wo die Narben herkommen oder der künstliche Arm und das neue Herz, das ich laut dem Arzt, der mich aus der Stasis geholt hat, angeblich habe.
Nein, ich mache es wie die meisten anderen auch.
Ich schaue noch nicht einmal in meine Akte.
Will nicht wissen, wie ich heiße.
Was meine Muttersprache ist, wann ich geboren bin (oder ob ich überhaupt geboren wurde und nicht aus dem Tank komme), ob ich Kinder habe, warum ich hier bin, was meine Vorgesetzten von mir halten und was sonst noch alles in der Akte steht.
Will nur den Kopf frei haben für den Abwurf.
Ich nehme einen anderen Datenträger aus dem Regal und schaue zwei Mal drauf, um sicherzugehen, dass ich nicht versehentlich auf meine Erinnerungen zugreife.
Ist vor ein paar Abwürfen einem aus der Fünften passiert - hat sich seine Erinnerungen vorm Abwurf angesehen und sich in seiner Kabine erhängt. Dabei hätte er bloss seiner Neuroware den Löschbefehl geben müssen...aber er wollte anscheinend nicht.
Keiner von uns wollte mit den Datenträgern was zu tun haben; meistens kann man fremde Erinnerungen sowieso nicht richtig lesen, und selbst wenn - wer will schon die Gedanken eines Selbstmörders nachvollziehen? Wir haben sie mit ihm in der Atmosphäre verglühen lassen.
Ich schaue also ein drittes Mal auf den Chip und lege ihn ein.
Darauf ist eine auf das Wesentliche beschränkte Version dessen, was ich in den kommenden Tagen und Wochen wissen und können muss.
Standardvorgehensweisen füllen mein Bewusstsein, taktische Diagramme und Notfallprozeduren.
Ich erinnere mich daran, wie man einen ETC-Karabiner zerlegt, wie man einen 75mm-Raketenwerfer bedient und mit welchen Signalen mir mein Anzug anzeigen wird, an was ich gerade sterbe, und an viele hundert andere Dinge, die ich nie wieder brauchen werde, wenn ich erst mal wieder zu Hause bin.
Ich erinnere mich an meine Kennziffer und mein Funkrufzeichen, und an die Rufzeichen meiner Kameraden.
Meinen Namen habe ich nicht auf den Chip getan - wozu auch?
Ich beschließe, mir meine Erinnerungen anzusehen, falls ich diesen Abwurf überlebe, und dann zu entscheiden, ob ich sie lösche, wenn sie mir nicht gefallen.
Dann kommt mir ein Gedanke.
Ich nehme einen meiner Erinnerungschips in die Hand.
Vielleicht habe ich sie mir schon angesehen, nach dem letzten Einsatz. Und vielleicht habe ich sie nach dem letzten Einsatz gelöscht.
Vielleicht sind sie alle schon lange leer, schon vor Dutzenden von Abwürfen gelöscht, vor Jahrzehnten, die ich in warpverzerrter Stasiszeit verbracht habe, während zu Hause jeder gestorben ist, den ich mal kannte - ich habe ja keine Ahnung, wie lange ich schon hier bin.
Vielleicht ist der Krieg schon längst vorbei und wir sind die einzigen Idioten, die es noch nicht gemerkt haben, weil wir mit Überlicht jedem Signal von der eigenen Seite immer tiefer ins Feindgebiet hinein davonrasen.
Vielleicht ist von mir gar nicht mehr übrig als das, was auf dem anderen Chip ist. Ein personalisiertes Feldhandbuch, mit meinen eigenen Erfahrungen ergänzt, die ich selbst schon lange nicht mehr aus erster Hand kenne und mir nur selbst immer wieder vorkaue.
Ich überlege wieder, ob ich mir meine Erinnerungen anschauen soll. Nur kurz. Nur um zu sehen, ob noch was da ist.
Dann werfe ich den Chip angewidert in die Ecke und überlege sofort, ob ich hingehen und ihn zertreten soll.
Aber was würde das bringen - ich habe so viele Kopien deponiert, dass ich sie vor dem Abwurf unmöglich alle finde.
Vielleicht habe ich irgendwann nur deswegen so viele gemacht, damit ich sie selbst nicht zerstören kann...und vielleicht war das Original da schon leer und ich wusste es nur nicht und -
Scheiß drauf.
Ich werfe meinen Lernchip aus und gehe los in die Waffenkammer, um meine Ausrüstung zu überprüfen.
Unterwegs beruhige ich mich damit, dass die Stasiskammer nach dem Einsatz auch die Erinnerung an die ganze Überlegung, ob meine Chips leer sind oder nicht, auslöschen wird.
Bis mir der Gedanke kommt, dass ich das vielleicht jedes verdammte Mal durchmache und es noch nicht einmal weiß.
Und meine Neuroware kann ich diesen ganzen Gedankengang jetzt auch nicht mehr löschen lassen, weil ich parallel meine Ausbildung aufgefrischt habe und dieses Wissen jetzt brauche.
Das werde ich den ganzen Einsatz über im Hinterkopf haben.
So eine Scheiße.