Naja, normalerweise halte ich Rollenspiel nicht für Kunst, und wenn, dann würde ich es eher mit einem Happening vergleichen
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Ich brauche auch keinen hochtrabenden oder exotischen Kunstbegriff um Rollenspiel genau da einzuordnen. Ich verwende in aller Regel für mich persönlich einen relativ breiten Kunstbegriff, der sich primär über das Gefühl der Erfüllung durch Tätigkeit oder Erfahrung eines Gegenstandes, bei dem eben diese Erfahrung wichtiger ist als der mögliche Mehrnutzen des Gegenstands. Kunst ist Selbstzweck, der den Mehrzweck überschattet, oder komplett ohne auskommt. (klingt komplizierter als es ist; bei dem Bild, dass ein vierjähriger seiner Mutter malt und das die dann mit einem Magneten an eine Küchentür pappt, ist es nicht so wichtig, dass man auf dem gleichen Stück Papier auch die Fortschritte in der Kognitiven Entwicklung des Kindes nachvollziehen kann, wenn man Vergleichsbilder aus vorangegagnenen Tagen heranzieht; für den Künstler (Vierjähriger) ist wichtig, dass er ein Bild gemalt hat, für das Publikum (Mama&Papa) ist wichtig, dass ihnen der Künstler sein Werk gewidmet hat.
Nur für die Frage des Rollenspiels als Kunst ist das völlig unnötig. Da reicht der relativ snobistische Kunstbegriff der Aufklärung, um das relativ klar zuzuordnen. In der Aufklärung ging man von wenigen, klar umrissenen Kunstformen aus, den so genannten Schönen Künsten- Das waren je nach Liste in aller Regel Acht, wobei von denen eigentlich nur drei oder vier für diese Erklärung notwendig sind- primär Darstellende Kunst (Theater, Schauspiel, später erweitert um Film), Literatur (mit den Spielarten Drama (also Theater, Schauspiel, später erweitert um Film), Prosa und Lyrik; ja, da gibt es gewisse Überschneidungen), und für die Beispiele noch Bildende Kunst (insbesondere Zeichnungen und Malerei) und Musik relevant.
Innerhalb dieses klassischen Bildes der Schönen Künste gilt Oper in der Kombination aus Darstellender Kunst und Musik als eine eigene Kunstform ( und das ist eine Idee aus der Aufklärung, also etwa 250 Jahre alt). Übernimmt man dies (warum auch nicht) und Comics als Neunte Kunst eine Kombination aus Bildlicher Kunst und Literatur darstellen (eine seit den frühen Siebzigern vertretende Position, die seit Mitte/Ende der Achtziger mit den Diskussionen um Spiegelmanns MAUS auch mehr oder weniger durch ist), dann ist Rollenspiel - sozusagen als 10. Kunst - eine Mischung aus Darstellender Kunst (Theater, Film) und Literatur. (Die Mischung ist dabei gar nicht so relevant - ich würde nur behaupten, dass anders als etwa beim klassischen Theater bei der die Darstellung( also das Spiel im Sinne von Schauspiel) im Vordergrund steht, beim Rollenspiel ähnlich wie in der Perspektive der Literatur der Handlung einen größeren Stellenwert zukommt; man kann den Teil auch komplett weglassen und Rollenspiel einzig und allein als Teil der Darstellenden Kunst einordnen; letztendlich hat dies für die Frage ob es sich um Kunst handelt, keine Bedeutung. Das ist dann eher die Folgefrage was für eine Kunst es ist).
Wie gesagt, ich halte die Frage dieser Zuordnung von Rollenspiel als Kunstform für völlig unstrittig und ich habe bisher noch kein stichhaltiges Gegenargument vernommen. Dabei hilft dies zudem sehr dabei, ein oder zwei Probleme der Wahrnehmung und Selbstdarstellung der Rollenspielszene anzugehen und darüber hinaus mal den Diskurs über Rollenspiele allgemein etwas zu intellektualisieren und dementsprechend zu professionalisieren (zu Mindest von der Herangehensweise). Jede Kunstform kann im Rahmen eines intellektuellen Diskurses diskutiert werden, und, mächtig wichtig, es täte vermutlichen allen Spielen wie auch Spielern ganz gut, relevante Fragen eben auch mal außerhalb der direkten Präferenzen zu diskutieren. Die meisten Diskussionen über Rollenspiele sind immer wieder erstaunlich banal, weil zum Einen fast alle Kriterien letztendlich auf persönliche Präferenzen reduziert werden und eine Differenzierung zwischen subjektivem Geschmack und objektiven Qualitätskriterien so gut wie nicht statt findet.
Mal abgesehen vom Unterhaltungsaspekt, den ich bei Kunst nicht grundsätzlich anzweifeln will (auch wenn mich "Die Leiden des jungen Werther" keineswegs unterhalten hat), wundere ich mich doch über eine Unterteilung in aktive und passive Beteiligte beim Rollenspiel? Sind die aktiven die Abenteuerautoren und die passiven die Vorlesemeister? Oder sind die aktiven die Spielleiter und die passiven die Spieler?
Klar, nicht jedes Medium ist für jede Person gleich unterhaltsam. Ich persönlich verstehe beispielsweise keine Opern. Aslo den Gesang. Rein akkustisch. Finde ich auch nicht reizvoll genug, um mich da einzuarbeiten. Nur würde ich deshalb nicht behaupten, dass sagen wir mal,
die Hochzeit des Figaro eine peinliche Posse wäre.
Was genau das Problem ist, dass man bei Rollenspieldiskussionen immer wieder antrifft - nämlich der grundsätzliche Ansatz, dass der Persönliche Geschmack das Maß aller Dinge sei.
Und was die aktiven/passiven Rollen angeht, habe ich mich möglicherweise etwas unklar ausgedrückt - bei den meisten Kunstformen hat man genau diese Trennung zwischen aktiven Künstlern und eher passivem Publikum. Diese Trennung gibt es beim Rollenspiel in der Form nicht, weil alle Mitspieler, ob nun in der Spielleiterrolle oder Spielerrolle, ja gleichsam in den Schaffungsprozess eingebunden sind. Das ausgeprägte partizipative Element mag jetzt kein Alleinstellungsmerkmals des Rollenspiels sein, aber es gehört schon zu den Charakteristika dieser Kunstrichtung.
Meine persönliche Erfahrung mit Leuten, die Rollenspiel als Kunstform ansehen, ist übrigens, dass diese dazu neigen, Entscheidungen der Spieler zu unterlaufen.
Wie gesagt, ich hate das partizipative Element für einen wichtigen Teil des Rollenspiels. Für andere Leute, die eine ähnliche Meinung vertreten, will ich nicht sprechen, und mir ein Pauschalurteil über haufenweise andere Leute will ich mir auch nicht erlauben, bloß weil sie in der Hinsicht nicht mit meinen Vorstellungen übereinkommen.
Wenn jemand einen Teflon-Charakter spielen will, heißt das ja nicht zwangsläufig, das er auch unberührbar/unverwundbar/unerreichbar IST. Die Wunschvorstellung eines Spielers muss ja nicht zwingend dem entsprechen, was im Spiel passiert.
Also, ich fasse zusammen: Es liegt beim Spieler, ob dieser einen unangreifbaren Charakter spielt, aber nur weil der Spieler das so will, wird der Charakter ja nihct unangreifbar, womit die Wunschvorstellung des Spielers aber an der Spielrealität scheitert. Ergo die Frage der Unangreifbarkeit eben nicht Sache des Spielers ist. Da mußt du dich schon intellektuell entscheiden.