Wo beißt es denn?
Nein, im Ernst: Ich denke, da gibt es zwei Ebenen.
1. Der objektive Widerspruch oder mangelnde Kausalität.
a) Im System RAW steht: Orks können fliegen. Im Setting steht, dass Orks nicht fliegen können. Klarer, objektiv feststellbarer Widerspruch, eher noch ein Designfehler.
b) Im System RAW steht: Orks können fliegen. Im Setting ist beschrieben, dass die Orks das Dorf XY nicht einnehmen konnten, weil sie an der Palisade nicht vorbei kamen. Dieser oder ähnliche Fälle treten meiner Meinung nach relativ häufig auf. Um ein Beispiel von oben aufzugreifen: Warum schickt der Bösewicht nicht ein paar meisterhafte Beherrscher zum guten König und lässt ihn freiwillig kapitulieren, dann könnte er sich den mühsamen Krieg sparen? Denn: Im System ist die Beherrschung des Königs möglich, im Setting wird dazu nichts Gegenteiliges gesagt, aber es wird auf diese Möglichkeit nicht eingegangen (genausowenig wie auf die Möglichkeit der Orks, die Palisade zu überfliegen).
Ich denke in letzterem Fall geht es vor allem darum, dass eine Kausalitätskette fehlt. Warum fliegen denn die Orks nun nicht über die Palisade? Ganz klar: Weil der Orkkönig Angst vorm Fliegen hat. Oder so. Der König wird nicht beherrscht, weil sein Stab es verdammt schnell spitz kriegen würde, wenn er seltsame Entscheidungen trifft. Erklärungsmöglichkeiten gibt es immer viele, nur das Setting sollte sie auch bieten. Tut es das nicht, wirkt es nicht plausibel. Ein Setting, dass nicht den Anschein der Plausibilität bietet, wird von manchen Spielern abgelehnt.
2. Die subjektive Wahrnehmung und Interpretation des Settings durch den Spieler, sowie der angepasste Vorstellungsraum einer einzelnen Spielgruppe in dem Setting. Je nach dem, wie das Setting wahrgenommen wird und wie es bespielt wird (low fantasy-Ecke auf Faerun, Hack&Slay bei Pendragon) sehen die Spieler verschieden große Widersprüche zwischen "ihrem" Setting und dem System (ich gehe zunächst von RAW aus). Es ist in diesem Fall meiner Meinung nach leicht möglich, überhaupt keine Widersprüche zu sehen, obwohl diese bei rein objektiver Betrachtung des Settings (s. o.) eindeutig vorliegen könnten.
Ich glaube, es ist kaum zu bezweifeln, dass sich ein Sci-Fi oder Fantasy-Setting beinahe immer an mindestens minimalen Stellen mit dem System "beißt". Wenn man ein Setting erschaffen müsste, dass sich vollkommen kohärent zu dem erschaffenen System verhält, müsste das System oder das Setting unendlich minimalistisch sein. Wir können keine Wirklichkeit erschaffen, sondern nur ein Spiel.
Die Frage ist dann also, und das geht ja in Pesttanzes Richtung: Störe ich mich an den (kleinen oder großen) Widersprüchen im Spiel zwischen Setting und System?
Das ist wohl jedem selbst überlassen, aber ich denke ebenso wie Pesttanz, dass das Problem oft größer gemacht wird, als es ist. Ich habe weit mehr über diese Widersprüche im Internet gelesen, als ich sie in meinen eigenen Gruppen besprochen hätte (dort nämlich fast nie). Ich persönlich akzeptiere die ein oder andere holprige Stelle.