Autor Thema: Viva la Emotion!!!  (Gelesen 1940 mal)

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Offline Joerg.D

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Viva la Emotion!!!
« am: 24.03.2011 | 14:13 »
In diesem Beitrag geht es um Emotionen und Drama, meine beiden Hauptmotivationen fürs Rollenspiel.
Wenn ich spiele ist es wie beim Genießen eines guten Filmes, ich verspüre Emotionen. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, kann mich unglaublich freuen und fürchterlich sauer sein. Wenn ich einen Film wie den 200 Jahre Mann sehe und der Roboter am Ende stirbt, dann kann ich mehr Taschentücher verbrauchen als fast alle meine Freundinnen.  Wenn ich sehe wie der Bösewicht im Film etwas unglaublich böses tut und die guten mal so richtig anfangen aufzuräumen, dann spühre ich im wahrsten Sinne des Wortes Freude.

Ähnlich geht es mir beim Rollenspiel, ich habe schon mal richtig Pippi in den Augen, wenn die Szene rührig ist (Emotion: Traurigkeit) und Jubel über einen richtig gut gelungenen Wurf (Emotion Freude)kann sich mit nur wenigen positiven Emotionen messen.  Das einzige, was mich  im Spiel genau so freuen kann ist ein gelungener Plan (Emotion: Stolz). Aber es gibt noch andere Emotionen, die ich im Rollenspiel verspüre, zum Beispiel die Erleichterung, wenn mir meine Mitspieler aus einer kniffligen Situation helfen (Emotion Dankbarkeit) oder der Frust, wenn etwas wegen mir oder meinen Charakter nicht funktioniert (Emotion: Schuldgefühl oder sogar Scham). In bestimmten Situationen kann ich sogar entsetzt sein und mich über etwas aufregen (Emotion:Wut) was hin bis zur Furcht vor bestimmten Ergebnissen steigern kann (Emotion: Angst). Ab und an finde ich auch mal die eine oder andere Szene widerlich (Emotion: Ekel) oder will die Lage genauer Erkunden/Exploration betreiben (Emotion Interesse). Aber die Beste aller Emotionen beim Rollenspiel ist der Genuss der aktuellen Runde (Emotion Zufriedenheit).

Ich überlege seit längerer Zeit, wie ich das Drama ins Rollenspiel bekomme und was für Mechanismen ich dabei mehr oder weniger unbewusst nutze. Dabei hat mit die Entwicklung eines Abenteuers mit dem Karsten echt geholfen. Dort ist mir klar geworden, dass ich versuche um die Protagonisten eine Blase aus Beziehungen und Handlungen zu bilden und diese Beziehungen und Handlungen nutze um die Spieler emotional zu berühren. Als Katalysator dienen dabei meine oft unglaublich überzeichneten SLC, die ich nutze um den Plot in die von mir gewünschte Richtung zu eskalieren. Aber es bleibt nicht nur beim Drama durch Beziehungen und Emotionen durch Handlungen. Ich will immer irgendwie den Aspekt Spiel im Rollenspiel bedienen, den Würfe mit den  Würfeln erzeugen im Vorfeld eine Fülle von Emotionen und steigern damit den Spaß am Spiel.

Ich will also Emotionen über die Rolle und das Spiel erzeugen und lasse deshalb neben dem Drama und allen Mechaniken die ich so benutze die Würfel sprechen um so mehr Emotionen in mein Spiel zu bekommen. Den anderen Grund, warum ich so gerne würfeln lasse und selber Würfel, habe ich ja schon an anderer Stelle erwähnt. Dennoch möchte ich noch einmal erwähnen, warum bei meinem Spiel die Manipulation von Würfen nicht gestattet ist.

Weniger Emotionen!

Wenn die Würfe beliebig werden oder der Spieler kein Vertrauen in seinen oder seine SL haben kann, dann fällt dieses Element zu Generierung von Emotionen und Spaß weg. Wenn das Ergebnis des Wurfs beliebig ist, dann kommt keine Spannung Furcht echte Freude oder irgend eine andere Emotion auf. Naja, vielleicht kommt es zu Frust, Wut oder Zorn, weil die Entscheidungen des Spielers entwertet werden und das sind für mich in solchen Situationen keine so erstrebenswerten Emotionen.
Der Spielleiter kann die Geschichte auf so viele verschiedene Weisen beeinflussen, dass er schlicht und einfach nicht aufs Bescheißen angewiesen ist. Man bedenke, es stehen immer noch unbegrenzt NSC und SLC zur Verfügung um den Plot zu beeinflussen und wenn man das nicht logisch kann, dann improvisiert man halt und sieht, was dabei herauskommt. Das weckt eher positive Reaktionen/Emotionen. Vielleicht sind so viele Spieler beim schummeln auch so sauer, weil man ihnen die Möglichkeit für so viele Emotionen raubt und gehen dementsprechend heftig zur Sache.

Wir schreiben beim Rollenspiel schließlich kein Buch sondern spielen zusammen.

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El God

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #1 am: 24.03.2011 | 14:31 »
Sehr gut. Kann ich eigentlich so unterschreiben. Wirkt jetzt ein wenig so, als ob du Emotionen viel aus der Metaebene ziehst, was mir nur selten wirklich gelingt, ich versuche die Identifikation mit dem Charakter zu nutzen, um Drama oder Emotionen zu empfinden.

Offline Joerg.D

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #2 am: 24.03.2011 | 15:06 »
Ja, ich habe immer den Anspruch Emotionen bei den Spielern oder ihren Charakteren zu triggern. Das mache ich entweder bewusst über Schlüselereignisse oder im Spiel, wenn sich mir eine Gelegenheit bietet.
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El God

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #3 am: 24.03.2011 | 15:12 »
Mir fällt auch auf, dass ich mich als SL viel schwerer mitreißen lasse als als Spieler. Wirklich Spannung oder Drama kommt da auf meiner Seite selten auf. Vielleicht sollte ich mal versuchen, die Spieler härter zu fordern, um mitfiebern zu können...

Offline Joerg.D

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #4 am: 24.03.2011 | 15:28 »
Als SL suche ich nicht so die Emotion, weil ich sie beim Spieler wecken möchte. Das sind meine Motivationen eher der Spaß am Beobachten und die Überraschung, wie das Abenteuer ausgeht. Ich bekomme dank offenen Plot ja ein mir unbekanntes Ergebnis.
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Offline Captain

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #5 am: 25.03.2011 | 08:30 »
Auch bei der Beschreibung und Darstellung von NSC ist die Emotionslage ein interessantes Stilmittel.
Spielertyp nach Robin D. Laws: Storyteller 100%, Method Actor 92%, Tactician 75%, Specialist 50%, Butt-Kicker 50%, Casual Gamer 12%, Power Gamer 0%

Offline Jiba

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #6 am: 25.03.2011 | 08:57 »
Sehr zustimmungswerter Beitrag, Joerg...

Ich finde aber auch, dass man dieses "Mitfiebern", von dem du so schreibst, als besonders wichtigen Punkt festhalten muss. Und zwar insofern: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch nur ein einzelner Spieler am Tisch, dessen Emotionen durch eine Spielsituation nicht getriggert werden, die Emotionalität seiner Mitspieler hemmen kann - sei es, weil er etwas ganz anderes vom Spiel erwartet, oder weil etwas bei ihm letztlich einfach etwas nicht gezündet ist. Damit der Emotionsfluss, wie du ihn beschreibst also so am Spieltisch passieren kann, ist es wohl wichtig, dass die Spieler zueinander nicht distanziert sind, sondern eine gewisse Vertrautheit miteinander haben, die auch durchaus übers Spiel aufgebaut worden sein kann (sprich: ewig kennen muss man sich auch nicht). "Mitfiebern" finde ich da einen guten Begriff, weil mir dann das Los der anderen Charaktere und das Spielen der anderen Spieler nicht egal ist, weil es mir nicht egal sein darf, damit es mich emotional betrifft.
Ich denke daher, dass das Erleben von Emotionen im Spiel auch immer eine bewusste Entscheidung des Spielers ist, wenn der SL nicht unbewusst irgendwelche persönlichen Traumata des Spielers anspielt. Sonst ist die Emotionalität im Spiel sicherlich eine Aktion und nicht primär eine Reaktion.

Emotionen aufzubauen ist nicht einfach: Angst zum Beispiel. Unheimlich schwer zu machen, habe ich bislang auch erst zwei Mal erlebt, einmal als Spieler, einmal als SL. Waren wirklich sehr intensive Erfahrungen.
Und was ich noch schwerer finde, ist willentlich eine Lachen-Atmosphäre aufzubauen - eine Comedyrunde, die auf Knopfdruck witzig ist. Das scheint mir sogar fast unmöglich.
« Letzte Änderung: 25.03.2011 | 08:58 von Der Fisch mit der Sense »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Vash the stampede

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #7 am: 25.03.2011 | 10:46 »
Das Thema halte ich auch für sehr interessant. Wobei ich noch eine stärkere Trennung zwischen zwei Dinge sehe, die mir schwer fallen in Worte zu fassen. Ob ein Spieler durch den Ablauf einer Runde emotional gepackt wird oder durch eine regeltechnische Missachtung sind für mich zwei verschiedene paar Schuhe.

In diesem Zusammenhang kann ich auch der Würfelgewichtung in deinem Text nicht zustimmen. Ich habe zwar vor kurzem erst die Erkenntnis gehabt, dass Runden mit einem hohem Würfelanteil und ungewissem Ausgang eine gänzlich andere, und oftmals höhere, Spannung erzeugen als jene die würfelwurfärmer sind. Dennoch sind die Runden ohne dem hohem Würfelanteil auch jene Runden, die mir länger im Gedächtnis blieben und bei mir auch noch später Emotionen auslösen können. 

@Jiba: So wie ein Spieler ohne die emotionale Bindung an eine Runde die restlichen Mitspieler hemmen kann, so kann ein Spieler mit einer sehr hohen emotionalen Bindung die anderen Spieler animieren, ebenso so zu fühlen. Ich denke, das ist keine Einbahnstraße. Beides ist möglich.
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Offline Bad Horse

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #8 am: 27.03.2011 | 21:58 »
Ich kann dem Vash nur zustimmen.

Ich habe in einer Runde gespielt, die mich emotional sehr mitgenommen hat, auch wenn der SL ganz offensichtlich an den Würfeln gedreht hat.
Und ich habe in Runden gespielt, wo nicht gedreht wurde, und der Charakter war mir egal und hat emotional nur wenig ausgelöst.

Und andersrum - drehender SL und Charakter egal, offene Würfe und Mitgefühl.

Emotionales Mitfiebern hängt zumindest für mich kein bißchen an der Art und Weise, wie gewürfelt wird, sondern an ganz anderen Faktoren - an meinen Mitspielern, an den Beziehungen der Charaktere, an der sich aufbauenden Geschichte, und nicht zuletzt an meinem eigenen geistigen Zustand an diesem Tag.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Pyromancer

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #9 am: 27.03.2011 | 22:20 »
Emotionen aufzubauen ist nicht einfach: Angst zum Beispiel. Unheimlich schwer zu machen, habe ich bislang auch erst zwei Mal erlebt, einmal als Spieler, einmal als SL. Waren wirklich sehr intensive Erfahrungen.
Und was ich noch schwerer finde, ist willentlich eine Lachen-Atmosphäre aufzubauen - eine Comedyrunde, die auf Knopfdruck witzig ist. Das scheint mir sogar fast unmöglich.

Bestimmte Emotionen auf Knopfdruck finde ich nicht erstrebenswert, deshalb halte ich mich z.B. auch von angekündigten "Comedy"-Runden fern. Irgendwelche Emotionen entstehen, wenn man einfach nur spielt, fast automatisch. Aber wenn der tollpatschige Oberermittler der Stadtwache bei den Spielern nicht Erheiterung ob der Slapstick-Elemente hervorruft, sondern Mitleid, Anteilnahme und das Bedürfnis, diesem tapferen Menschen zu helfen, der trotz seiner Unfähigkeit versucht, das richtige zu tun - wem schadet es?

El God

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #10 am: 27.03.2011 | 22:23 »
Genau. Man kann mitunter schwer vorhersehen, *welche* Emotionen man wecken wird, aber man kann i.d.R. gut abschätzen, *ob* man emotionale Reaktionen provoziert, v.a. wenn man seine Spieler kennt.

Offline Teylen

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #11 am: 27.03.2011 | 22:28 »
Ich würde vermuten, das wenn man an den Punkt kommt wo man bewusst überlegt die Würfel entgegen der Spielregeln zu manipulieren, ohne hin schon eine Distanz zu der Dramatik geschaffen wurde, welche droht mit einer eventuell zuvor gegebenen Emotionalität zu brechen.
Oftmals ist der Antrieb zu der Würfelmanipulationen doch der Wunsch eine unerwünschte Emotionsverlauf zu verhindern.
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Offline Benjamin

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Re: Viva la Emotion!!!
« Antwort #12 am: 28.03.2011 | 11:26 »
Unerwünschter Verlauf ... tja naja.

Meine Freundin war nach dem TPK neulich echt richtig sauer. War auch meine Schuld irgendwie. Aber sonst hätten wir die Lavafälle unter dem Konzil der Elemente nie gesehen, weil die verrückten Zwerge es sprengen wollten.

Hält uns aber auch nicht ab, weiterzuspielen. Jetzt D&D 3.