Hi TAFKAKB,
Das ist schon interessant.
Denn genau diese Kritikpunkte sind seit Jahren den meisten DSA-Beteiligten bekannt (und wurden auch meist geteilt), und nicht wenige haben sich zum Teil sehr aktiv für die Behebung dieser Defizite eingesetzt. Und auch Michael in seinem Blog benennt ja die gleichen Metaplot-Misstände wie ich es jahrelang mit anderen getan habe, ebenso wie der Großteil der Redakteure und Autoren an den Regeln verzweifelt oder man die inzwischen völlig abhanden gekommene Einsteigerfreundlichkeit vermisst oder einfach die immer nur zunehmende Komplexität und Faktensetzung in der Welt nicht mehr reduzieren kann, sondern die Recherche immer aufwändiger wird.
Der "Richtungsstreit", den es - gar nicht klar benannt, aber eventuell schon strukturell - gab, lässt sich vielleicht grob in zwei Seiten unterteilen: die, die diesen Problemen mit planerischer Durchdringung begegnen wollten (in der Theorie: sehr genau geplante und ausgewogene Regeln, echte Konzepte und Arbeits-Strukturen für eine umfassende Einsteigerfreundlichkeit, eine explizit planerische Reduzierung der vielen offenen Plots und bewusste, handverlesene und abgewogene Auswahl von Elementen, die man künftig in der Spielwelt besonders hervorheben will, eine geistige Durchdringung und daraus entstehende "Anleitung" / "Konsens", was "gute" Abenteuer wirklich ausmacht usw.) und jener Gruppe, die gerade in diesen auf Konzepten und Prämissen basierenden Überlegungen keine Lösung sahen (sondern sogar vielleicht erst die Ursache der Probleme) und eher einfach "durch machen" und "nicht so viel diskutieren" und einer - wenn nur allen die Probleme benannt wurden - sich selbst ergebenden Entwicklung und Inhaltsproduktion zu den gleichen Ergebnissen kommen wollten.
Mein Blick ist der eines interessierten Kunden. Ich will möglichst gute Produkte.
Okay. Wie gesagt, das wollen alle (zumindest die meisten, zumindest Produkte, die sie selbst gut finden) - wobei es immer das Problem geben wird, dass gute Produkte in schneller Zeit nur äußerst selten entstehen. Autoren/Redakteure würden tendentiell dann dennoch eher der Qualitätskontrolle den Vorzug geben, während der Verlag eine zu große Zeitverzögerung nicht gebrauchen kann. Er würde dann eher Abstriche in der Qualität machen (z.B. das Lektorat beschleunigen oder auf einen Regelcheck verzichten oder darauf, ein z.B. nicht so gut strukturiertes Abenteuer mit viel Leseballast nochmal zurück in die Überarbeitung schicken).
Wenn Krankheiten, Motivationslöcher, Geburten und Jobs die Planungen immer wieder so durcheinanderwerfen, dass der ganze Produktplan vollkommen über den Haufen geworfen wird, dann war die Planung ganz grundsätzlich defizitär.
Ich meinte diese Gründe aber auch bei Autoren, nicht nur Redakteuren. Die Frage ist halt: Wie will man denn Autoren zwingen, die fast auf Good-will-Basis schreiben, jetzt mal ihren gerade stressigen Job zu vernachlässigen oder dass die Betreuung eines Kindes hinter dem Schreiben eines Botenartikels oder gar eines ganzen Abenteuers zurückstecken muss?
Aber mal konkret zu Deinen Verbesserungsvorschlägen - denn genau zu diesen Probleme habe ich mir ja (und viele andere auch) ebenfalls seit Jahren Gedanken gemacht, bin allerdings stets in meiner Analyse dazu gekommen, dass nur durch gute, gewissenhafte Planung auf langer Strecke gute, nachhaltige Ergebnisse erreicht werden können. Eine solche Planung braucht aber redaktionelle Strukturen und Kapazitäten (die, ganz klar, dennoch deutlich hierarchischer und in Experten-Team angeordnet sein müssten als es das eher lose Konstrukt der Gesamt-Redaktion war):
1. Scheißregeln: Das lässt sich kaum noch umkehren, ohne weite Teile der Stammkundschaft zu verlieren. Am besten konstruiert man ein modulares DSA5 mit einem sehr einfachen Einstiegssystem und Ausbaustufen, idealer Weise flankiert von einer Erzählspielvariante. Das wäre in meinen Augen eine klare Verbesserung.
Ja, fände ich auch nicht schlecht. Wie gelangst Du denn zu diesem in sich ja doch recht komplexen System, das die alten Fans nicht vergrault, für Neueinsteiger aber leicht zugänglich, wirklich gut ausbalanciert ist und auch die Ausbaustufen sich nicht gegenseitig widersprechen und gleichzeitig Abenteuer auch mit wenig Platz sowohl diese als auch die Erzählspielregeln featuren? Würdest Du da einen Autoren, der sich freiwillig meldet, mal einen Monat oder ein halbes Jahr zum Ausarbeiten abkommandieren und dann Dir pünktlich seine Ergebnisse holen, oder glaubst Du, dass für sowas selbst ein Team, das hochspezialisiert ist auf gutes Game-Design, etwa ein bis zwei Jahre benötigt, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen?
Die Komplexität und Tiefe der Rahmenhandlung muss reduziert, die Zahl der offenen Metaplotstränge massiv reduziert werden.
Die Stoßrichtung wollen ja inzwischen alle. Aber wie erreicht man das? Wenn man z.B. pro Jahr mehr als 20 DSA-Publikationen rausbringen möchte? Wenn man eine Menge Autoren hat, aber nicht genug Redakteure, die überhaupt lesen, geschweige denn kontrollieren könnten, welcher Autor jetzt wo vielleicht doch wieder einen Plot aufgemacht hat? Wenn Du noch X Plots aus vergangenen Jahren offen hast, bei denen Fans versprochen wurde, dass da "in den nächsten Jahren" noch was tolles kommt?
Wenn es dann irgendwo knallt, muss breitbandmäßig begleitet werden.
Und wer koordiniert das alles? Wer hat den Überblick, dass zu einer Kampagne noch ein Roman, ein Einsteigerabenteuer, diverse Botenartikel usw. erscheinen, und zwar auch so, dass sie wirklich sinnvolle Inhalte liefern und miteinander verschränkt sind?
Wenn ich schon sehe, dass mal wieder 47 Leute an einem DSA-Abenteuer mitgewirkt haben, überkommt mich das Grauen.
Aber woher würdest Du denn die zwei Autoren für einen 140-Seiten-Band nehmen, die drei Monate daran schreiben und dann alles pitch-perfect Dir abgeben? Und gerade die guten Autoren, die Du haben würdest, bereits verplant sind? Und Du aber 20 Publikationen im Jahr drucken willst, einige davon noch umfangreicher? Und die Autoren müssen das ja auch noch gut vorbereiten (planen), sie können ja nicht einfach drauflostippen.
Der Overkill an Korrektur-, Planungs- und Abstimmungsschleifen wirkt sich bei DSA absolut tödlich aus.
Die Frage ist nur: Wer stellt denn sicher, dass die Autoren auch gute Arbeit abliefern? Dass nicht jemand was "falsches" schreibt, die Struktur vermasselt, schlecht recherchiert, eigene Setzungen macht, sich dagegen an sowohl neue, umfangreichen Zielvorgaben zur Einsteigerfreundlichkeit, Regelanwendung, Abenteuerstruktur, stilistischer Verbesserung, toller Ideen usw. hält?
Du schreibst: "Der Rest der Redaktion" macht das. Das wären jetzt in diesem Fall zwei Leute. Meine Erfahrung sagt, dass das hinten und vorne nicht reicht, und zumindest das Kernteam sollte für sein Geld vor allem selber schreiben, nicht planen und koordinieren. Wie es bei den zwei verbliebenen ist, weiß ich aber nicht. Wenn sie nicht schreiben, dann sind sie faktisch das, was wir jahrelang mit Thomas und Florian hatten: zwei Chefredakteure, die sich um alles kümmern müssen. Ich weiß nur: das hat damals nicht sonderlich gut funktioniert bzw. führte zumindest zu dem Stand, den wir jetzt haben.
Und bitte keine Mary Sues mehr.
Wie willst Du das verhindern, wenn die Autoren möglichst viele Freiheiten haben sollen, um sich zu entfalten?
NSCs sollen meinetwegen gerne aufgebaut werden.
Wie willst Du dieses Aufbauen erreichen, wenn es 20 Parallelteams gibt, die sich nicht gegenseitig reinreden und "ihr Ding" machen sollen? Folgende Zahl hat schon einen Bart, aber es war ja jahrelang so, dass es nicht wirklich zielgerichtete und aktive Vorgaben gab und Dinge - trotz Redaktion - meistens in kleinen Teams "so gemacht wurden". Das führte dann zu meiner aktiven Zeit zu einer Anzahl von 1.500 lebenden, in Spielhilfen und wichtigen Abenteuern präsentierten NSCs. Wie soll man da für Einsteiger oder auch nur Gelegenheitsspieler ein klar erkennbares Ensemble aufbauen? Durch Zufall (einige werden sich schon durchsetzen)?
Versteh mich nicht falsch, Du sollst jetzt hier nicht die ultimative Lösung präsentieren, aber Durchführung einer Fehler-Analyse und Benennung von Zielvorgaben führt immer noch zu _gar nichts_ (so meine Erfahrung), wenn nicht auch konkrete Formen des "_Wie_ erziele ich diese Ergebnisse unter den genannten Prämissen und faktischen Produktions-Realitäten" gefunden werden.
Die Redaktionsprotokolle waren jedenfalls immer voll von "Was ist blöd" und "Was wollen wir eigentlich" - aber ich habe in all den Jahren Diskussionen intern wie auch in Foren selten Antworten auf das "Wie erreiche ich das denn überhaupt genau" gefunden. Ich kann für mich nur sagen, dass ich das Problem des Regelwerks (wenn es mein Metier gewesen wäre) ähnlich planerisch und langfristig angegangen hätte wie die Reduzierung des Metaplot-Ungetüms und seiner wildwachsenden, meist schnell wenn man es brauchte herausgezauberten Plots und inkonsistenten, weil von jedem Autoren anders beschriebenen Figuren.
Um den Bogen zum Anfang meines Postings zu schlagen: Die "Probleme", die man bei DSA sieht, sind nicht durch Planung, sondern durch jahrelangen "Wir lassen es mal so laufen" entstanden oder durch - aus meiner Sicht - schlechte, für das, was man erreichen will, viel zu geringe Planungen (Jahr des Feuers und Drachenchronik würde ich hier benennen). Deshalb habe ich "Entwicklung aus sich selbst heraus" und "den Zielen nicht angemessener Planungsaufwand" als Lösungen immer ausgeschlossen. Aber wenn es die umfangreiche Konzeption und Durchdringung auch nicht ist - was bleibt dann noch?
viele Grüße, Mark