@ RPpäd:
Erstmal schön, dass Du Dich hier hergetraut hast. Und ... willkommen!
Vieles, von dem, was Du in Deinem ersten Beitrag schreibst, kann ich von der Tendenz her unterstreichen.
Aber: Mir fehlt da irgendwie die Richtung, in die die von Dir geleistete Kritik in moralischer Hinsicht laufen soll. Kurz, da schwingt ein "normativer Anspruch" mit, der aber nicht zu Ende formuliert wird.
Das mag im ersten Moment wieder akademisch klingen, ist aber m.E. ziemlich entscheidend für die Frage, wie wir mit dem Rollenspiel umgehen und wie wir es bewerten sollen. Jedenfalls ist mein Eindruck, dass wir die Kirche im Dorf lassen sollten. Erstens gibt es nicht so viele Rollenspieler (gemessen an anderen Freizeitbeschäftigungen); und zweitens ist mein Eindruck (!), dass aus den Rollenspielerkreisen nicht wesentlich mehr Rechtsextreme, Sexisten usw. hervorgehen. Es könnte also gut sein, dass sich ein normaler Grad an "Menschenfeindlichkeit" auch in der Rollenspielerszene niederschlägt, aber nicht maßgeblich mit Rollenspiel zu tun hat.
Weiterhin hat dieser Rassismusvorwurf irgendwie auch einen zu pessimistischen Klang. Wie ich oben bereits anmerkte, kann es reizvoll sein, solche Rollen zu spielen. Auf den Aspekt des Perspektivwechsels hast Du ja selbst auch hingewiesen. Das lässt sich aber nicht in einem "politisch korrekten" Rollenspiel umsetzen. Wenn Du alles richtig schön auf ein gender- und rassismusfreies Niveau gebracht hast, müsstest Du die Unterschiede nachträglich wieder reinbringen, um z.B. Sexismus zu thematisieren. Konflikte kannst Du Dir damit an die Backe schmieren.
Weiterhin geht es im Rollenspiel u.a. auch darum, sich in die Rolle des/der anderen Person hineinzuversetzen. Natürlich ist das auch nur ein Konstrukt. Aber wenn wir den Perspektivwechsel - insb. aus ethischer Sicht - so hoch halten wollen, müssen wir das auch für negative Charaktereigenschaften (Intoleranz) tun. Hier könnte mensch merken, wo die eigenen Grenzen liegen und so vielleicht auch für das Thema Rassismus sensibilisiert werden.
Außerdem sollen trotz Rollenspiel und fiktivem Charakter häufig Konflikte und Situationen gespielt werden, die in irgend einer Weise auch "reale" Konflikte widerspiegeln. Sexismus und Rassismus gehört nun einmal mit in unsere Welt und es sind u.a. genau diese Konflikte, mit denen wir uns beschäftigen. Wie ich oben schon anmerkte, wäre ein Rollenspiel, das dies ausblendet wohl ziemlich farblos. Es müssen auch die Möglichkeiten gegeben sein, den "Rassismus" auch auszuspielen.
Womit wir bei einem weiteren Punkt sind, den Du leider vernachlässigst. Spielsysteme sind das eine, das andere ist die Art und Weise, wie gespielt wird. Da mag das Spielsystem/die Spielwelt noch so viel vorgeben, die Konflikte und die Art und Weise des Umgangs damit wird immer noch von der Gruppe bestimmt. So mögen z.B. im Regelwerk "rassistische" Unterschiede gemacht werden, aber am Spieltisch geht's dann genau darum, diese Unterschiede zu durchbrechen. Das werden im Regelfall aber nicht unbedingt jene Aspekte sein, die auf konkreten Charakterwerten beruhen, sondern die dem Charakter auf Grund seines Hintergrundes mitgegeben werden: Die Kender oder Halblinge, der immer "diebisch" sein sollen ... Zwerge, die Bier trinken und sich mit Elfen zoffen müssen usw. ...
Zumindest an meinen Spieltischen habe ich eher das Phänomen erlebt, dass diese Spielvorgaben - seitens der Spieler - kritisch durchbrochen wurden; oder aber das moralische Problem selbst in den Mittelpunkt gerückt wurde (Klassisch: Zwerge mögen keine Elfen, aber raufen sich über die Zeit zusammen ... ).
Das klingt alles ziemlich pädagogisch. Und zum Teil füllt das Rollenspiel in der Hinsicht diese Aspekte aus. Deshalb würde ich genau diese Argumente nicht vernachlässigen.
Ich stimme Dir zu, dass sich im Rollenspiel bestimmte Vorurteile - so sie unkritisch und unreflektiert übernommen werden - durch gegenseitiges - bewusstes oder unbewusstes - Bestätigen auch verfestigen können. Das betrifft dann vor allem jenes, was ich als "Alltagsrassismus" bezeichnen würde.
Auf der anderen Seite möchte ich dafür plädieren, Verständnis für jene Leute zu haben, die eben keinen schweren Kopf-Stoff zocken wollen, sondern einfach danach trachten, mit Leuten zusammenzusitzen, abzuschalten und ein buntes Kopfkino zu schieben. Das mag nicht jedermenschs Geschmack sein und auch hier könnten Pädagogen einwenden, dass der ein oder andere kritische Kommentar vielleicht angebracht wäre. Aber so zu tun, als ob solchen Leuten sämtliche Empathie und Solidarität abginge - nur, weil sie unreflektiert Rollenspiel spielen-, wäre diesen Leuten gegenüber m.E. ziemlich unverschämt und arrogant.
Oder etwa polemischer: Mir ist nicht bekannt, dass die NPD (u.ä. Orgas) an ihren Stammtischen besonders viel DSA zockt. Ich kenne auch kein bewusst rassistisches Rollenspiel, was in diesen Kreisen genau das auch irgendwie vermitteln will (wohl aber kenne ich provokante Rollenspiele, die dazu einen Graubereich bieten). Das Rollenspiel so darzustellen, als ob es ein Haupteinflussfaktor für Rechtsextremismus (o.ä.) ist, geht mir deshalb deutlich zu weit und das sollte m.E. auch entsprechend klargestellt werden.
Abgesehen davon stehe ich immer noch auf dem Standpunkt, dass die nicht die Vorurteile das Problem sind, sondern die Art und Weise, wie damit umgegangen wird. Ich würde daher niemanden zum Vorwurf machen, bestimmte Vorurteile zu besitzen, weil ich nicht abwägen kann, ob die Person auch immer die Möglichkeiten besitzt, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, z.B. indem mensch ins Ausland fährt und dort fremde Menschengruppen kennenlernt.
Vor diesem Hintergrund lässt sich gegen "Rassismus im Rollenspiel" m.E. nur mit Aufklärung und entsprechend gutem Vorbild angehen. Da könnten Leute wie Du einen guten Beitrag leisten: Auf wissenschaftlicher Ebene lassen sich da sicher ein paar interessante Projekt-Ideen entwickeln; ggf. sogar die von Orkpack gewünschten Rollenspiele ...
Aber wie gesagt: Ich würde da nicht mit der Holzhammerkeule den Leuten die Vorwürfe wie Nägel in die Füße hämmern; mit einer so konstruierten Schuldzuweisung bewegt sich nichts.
Arbo