Wahrscheinlich wurde das was ich im Folgenden sagen will schon mal vor unbestimmter Zeit hier durchgekaut, aber ich denke es ist für alle diejenigen die dem Forum in der Zwischenzeit beigetreten sind ganz nützlich, wenn das mal wieder aufgebrüht wird.
Drüben im "Mögt ihr Rätsel?"faden habe ich ein Beispiel eines Rätsels gebracht, dass nur in der Spielwelt ein Rätsel ist, am Spieltisch aber nur als Rätsel angemalt ist. Die Kernaussage ist: Weder SL noch Spieler müssen eigentlich wissen wie das Rätsel ganz genau funktioniert, es kann in der Spielwelt dennoch ein Rätsel sein.
Das ganze ist etwas länger deswegen Spoilere ich das mal weg.
Also der SL denkt sich ein Rätsel aus. Das muss natürlich in den Kontext passen, den Hintergrund der Spielwelt beachten, fair sein, am besten mehrere Möglichkeiten zur Lösung bieten (also bloß kein klassisches Rätsel, die haben nämlich per Definition nur eine Lösung!) und die Vorlieben und Abneigungen aller Mitspieler einbeziehen.
Und dann würfelt Clauron der Weise auf Intelligenz und/oder Weisheit und der SL muss die Lösung rausrücken.
Naja ... wem DAS Spaß macht, bitteschön.
Das geht sogar ziemlich gut.
Beispiel 1: Ein General schickt eine Botschaft in sein Heimatland. Die Botschaft ist verschlüsselt. Der SL legt fest, dass ein schwerer Kryptologie Test erforderlich ist um sie zu entziffern.
Dazu muss der SL noch nicht mal wissen ob jetzt ein Verschiebungsmuster à la Cäsar verwendet wurde oder einfach Codewörter benutzt wurden und die Botschaft nach außen hin wie ein unscheinbarer Liebesbrief aussieht. Selbst wenn er sagt "Ok nachdem du die Probe geschafft hast: Dein Charakter erkennt, dass jeder Buchstabe um 3 im Alphabet verschoben wurde!" dann wäre das einfach nur Fluffbeschreibung genauso wie "unter der Haut des Kriegers der dich zum Armdrücken herausgefordert hat spannen sich Muskeln dick wie Seile und hart wie Granit" das ist auch nur eine Flauschbeschreibung für "der hat halt Stärke 54 und das Armdrücken zu gewinnen wird sehr schwer".
Beispiel 2:
Hintergrund: Vor 500 Jahren haben die Mitglieder einiger Adelshäuser einen Putsch gegen den wahnsinnigen König geplant. Dazu haben sie versteckte Waffenkammern über das Land verteilt eingerichtet. Der Putsch scheiterte, die Putschisten schworen dem Vorhaben ab der König lies Gnade walten und somit wurde das alles zu einer eher unwichtigen Randnotiz in den Geschichtsbüchern.
Diese Waffenkammern haben sie nicht mit Schlüsseln abgeschlossen, sondern mit Rätseln gesichert damit jedes Mitglied der Verschwörung zugriff hat und problemlos neuen Mitgliedern die Lösung sagen kann. Jemand der unberechtigt versucht einzudringen löst eine Falle aus und sich selbst damit in Wohlgefallen auf.
Heute stehen die SC in einem Grabmal, das eine dieser Waffenkammern war.
An der Wand hängen 5 Wappen, das eine ist rot-grün mit Schrägbalken und einem Schwan, das nächste ist ...
Davor gibt es 5 verschiedenfarbige Edelsteine in verschiedenen Formen, die in bestimmte Sockel eingesetzt werden können, dabei passt jede Form in jede Halterung. Ein Rubin ist im Profil fünfeckig, ein Saphir ein Kreis, ein Smaragd eine Raute, ...
Mit einem einfachen Heraldik Test oder einem anspruchsvollen Geschichte Test weiß ein Charakter, dass es sich um die Adelshäuser handelt, die in diese Verschwörung vor 500 Jahren verwickelt waren.
Ein schwerer Logik Test offenbart die Lösung des Rätsels (man kann alleine durch die Anordnung der Wappen und die auf den Wappen enthaltenen Stilelemente herausfinden, in welchen Sockel eine bestimmte Farbe und welchen eine bestimmte Form eingesetzt werden muss.)
Jeder Erfolgsgrad beim Heraldik oder beim Geschichtstest vereinfacht den Logik-Test um eine Stufe.
Sobald die richtigen Edelsteine in den richtigen Sockel eingesetzt werden setzt sich ein Mechanismus in Bewegung der eine verborgene Türe öffnet.
Der SL muss dazu gar nicht wissen nach was für Kriterien man daraus schließen kann, dass Schild 1 halt für den Rubin steht und Schild 5 für die Raute. Bzw es reicht wenn er sagt "Aus den Farben von Wappen 1 und dem Wappentier aus Wappen 2 wird dir klar, dass Edelstein Nummer 1 der Rubin sein muss und ..."
Das Rätsel ist eigentlich folgendes: Mache [Skilltest_1] mit [Schwierigkeit_A], danach mache [Skilltest_2] mit [Schwierigkeit_B] wobei Überschuss aus Test_1 auf Test_2 angerechnet werden kann.
Die Beschreibung mit den Wappen und wie sie aussehen und die verschiedenen Formen und Farben der Edelsteine, das ist alles nur Ausschmückung der Szene so wie man sagt "der Oger hat fauligen Mundgeruch" der Mundgeruch eines Ogers hat ja auch keine spielmechanischen Auswirkungen (in der Regel zumindest), auf was es spielmechanisch ankommt ist, dass man eine bestimmte Anzahl an Tests schaffen muss um das Hindernis zu überwinden (beim Oger wären das wohl Angriffs und Schadenswürfe).
Jetzt könnte aber ein Spieler sagen "OK unsere Charaktere sind zu blöde das Rätsel zu lösen, ABER mein Charakter kann Mechanik. Ich versuche den Türöffnungsmechanismus so umzubauen, dass die Türe sich öffnet."
SL: "OK zuerst mal müsst ihr einen schweren Stärkewurf machen um die Wand vor dem Mechanismus zu öffnen, wenn ihr Patzt zerstört ihr den Mechanismus. Nachher musst du einen epischen Mechanik Test schaffen."
Dieses Rätsel hätte also sogar eine Alternative Lösung die das Rätsel einfach umgeht.
Die Kernaussage des Posts war folgende:
Der SL muss dazu gar nicht wissen nach was für Kriterien man daraus schließen kann, dass Schild 1 halt für den Rubin steht und Schild 5 für die Raute. Bzw es reicht wenn er sagt "Aus den Farben von Wappen 1 und dem Wappentier aus Wappen 2 wird dir klar, dass Edelstein Nummer 1 der Rubin sein muss und ..."
Das Rätsel ist eigentlich folgendes: Mache [Skilltest_1] mit [Schwierigkeit_A], danach mache [Skilltest_2] mit [Schwierigkeit_B] wobei Überschuss aus Test_1 auf Test_2 angerechnet werden kann.
Die Beschreibung mit den Wappen und wie sie aussehen und die verschiedenen Formen und Farben der Edelsteine, das ist alles nur Ausschmückung der Szene so wie man sagt "der Oger hat fauligen Mundgeruch" der Mundgeruch eines Ogers hat ja auch keine spielmechanischen Auswirkungen (in der Regel zumindest), auf was es spielmechanisch ankommt ist, dass man eine bestimmte Anzahl an Tests schaffen muss um das Hindernis zu überwinden (beim Oger wären das wohl Angriffs und Schadenswürfe).
Das ganze hat folgende Grundannahme.
Ein Kampf im Rollenspiel hat ja mit einem Kampf in der Realität ziemlich wenig zu tun, trotzdem zieht man als Rollenspieler seinen Spaß daraus.
Man muss noch nicht mal wissen was da im Kampf genau passiert ist. Man haut halt so lange auf den Gegner drauf bis der umfällt aber sind wir mal ehrlich, wir fragen uns ziemlich selten "Wieso stirbt der jetzt genau?". Meistens ist es doch mit "Der hat halt 0 HP und ist tot!" erledigt, vielleicht sagt man sich noch "Er verblutet." aber wie oft stellt man sich die Frage welche Arterie der Pfeil jetzt durchtrennt hat, welchen Muskel der Schwerthieb zerteilt hat.?
Wenn man nach dem Kampf "Heilkunde" anwendet fragt man sich ja auch nicht, was der Heiler jetzt genau tut. Das können die meisten von uns auch gar nicht, da sie kein Medizinstudium abgeschlossen haben. Man hat das Bild vor seinem inneren Auge, wie er über dem verletzten Kniet mit Bandagen werkelt, vielleicht mit Nadel und Faden zu Gange ist, aber was genau da jetzt genäht wird oder welche Bestandteile die Heilsalbe hat, das fragen wir uns nicht.
Bei der Heilsalbe nimmt man halt ein paar Blätter und macht daraus (ja wie genau eigentlich?) eine Salbe. Was aber die wirksame Komponente der Salbe ist wissen wir nicht, wir fragen uns nicht, ob es Alkaloide, Terpenoide oder Phenylpropanoide sind - oder ganz was anderes. Das Interessiert uns aber auch nicht wirklich, was uns interessiert ist, da gibt's ne Heilsalbe und die bringt verlorene HP zurück.
Der Regeltechnische Aspekt ist: Ein Heilkundewurf hat eine Schwierigkeit von X und ein Erfolg hat ein Ergebnis von Y, Heilsalbe hat bei Verwendung einen Effekt X (modifiziert z.b. einen Konstitutionswurf). Die Beschreibungen dazu sind nur farbiger Anstrich, quasi das Latex über den Puppen in der Geisterbahn.
Ich wage jetzt zu postulieren, dass JEDES Problem* auf das die SC im Rollenspiel treffen sollen auf diese Weise abgebildet werden kann.
Man kann, so meine Theorie, jedes Hindernis auf Metaebene als Abfolge von Würfen auf verschiedene Fertigkeiten/Attribute darstellen, bei denen die (Miss)erfolge der einzelnen Würfe bestimmte Auswirkungen auf die weiteren Würfe haben.
Diese Auswirkungen können, Erschwernisse, Vereinfachungen oder gar ein Wegfall der weiteren Probe sein, weil man gescheitert ist oder das Problem schon überwunden hat.
Die diplomatische Mission beim fremden Fürsten um militärische Unterstützung könnte beispielsweise als: Charismawurf gefolgt von einem Diplomatiewurf abgehandelt werden, wobei (Miss)Erfolgsgrade aus dem Charismawurf auf Diplomatie angewandt werden.
Wenn man das dann mit Farbe versieht hat man folgendes: Der Diplomat schmiert dem König Honig ums Maul um die Verhandlungen positiv zu beeinflussen. Gelingt der Charismawurf ist der König geschmeichelt, misslingt er fühlt er sich ob des Geschleimes abgestoßen.
Die diplomatische Mission könnte allerdings auch als Feilschen gefolgt von Diplomatie abgehandelt werden: Mit Farbe versehen handelt man Konditionen für militärische Hilfe aus.
Manche werden jetzt einwenden "Ja aber wo ist denn da der Spaß beim Rollenspiel? Der Spaß kommt doch vom Ausspielen!"
Antwort: "Beim Kampf spielt man ja auch nicht aus sondern würfelt aus und es macht trotzdem Spaß."
Daher kommt eine weitere Annahme: Man kann sehr wohl Spaß aus den Resultaten, die die Würfel zeigen ziehen, wie man ja beim Kampf sieht. Das Ausspielen fällt auch nicht weg. Das Ausspielen ist die Interpretation des Würfelergebnisses, das Übertragen des Resultats in ein, in der Spielwelt plausibles, Geschehen.
Das Ausspielen ist die Entscheidung welchem Problem man sich zuwendet und wie man es angehen will.
Wieso ist es für uns als SL wichtig das zu realisieren?
- Da wir so einfacher auf die Fertigkeiten der SC zugeschnittene Abenteuer bauen können.
- So können wir ein unabhängig von den SC existierendes Hindernis mit einer regeltechnischen Lösung untermauern.
- Ein Blick auf die Fertigkeiten eines NSC wird uns Auskunft was für Lösungsansätze er vermutlich versuchen wird.
Was nützt uns diese Erkenntnis als Spieler
- Wenn wir in der Spielwelt einen Effekt erzielen wollen, können wir nun auf unser Charakterblatt schauen, suchen was der SC gut kann und darüber eine Herangehensweise wählen, die es wahrscheinlich macht, dass Würfe auf diese Fertigkeiten auftreten werden.
*Dilemmaprobleme wo sich die SC zwischen einem von zwei Übeln entscheiden müssen mögen hier eine Ausnahme sein, es würde mich aber überhaupt nicht überraschen, wenn auch hier ein mechanistischer Ansatz funktionieren könnte.