@ "Was ist Horror?"Nocturama hat gut beschrieben, worauf es bei einem Horror-Szenario ankommt.
Natürlich gibt es verschiedene literarische Subgenres - quasi für jede große Angst eines. Erzeugt wird diese Angst durch das Infragestellen von menschlichen Grundsicherheiten, etwa: die Selbstbestimmtheit bei H.P. Lovecraft, das moralische Urvertrauens bei David J. Schow, die Selbstkontrolle bei Louis Stevenson.
Gruselig ist es, wenn diese Sicherheiten in der Geschichte ins Wanken geraten: Schauerliteratur. Entsetzlich fühlt es sich an, wenn sie ganz verloren gehen: Horrorliteratur.
Pi mal Daumen: Horror ist, wenns gruselig genug ist, um als Film keine Jugendfreigabe zu erhalten. Schauerfilme sind gruselig genug, um ab 16 zu sein. Alles drunter ist höchstens düster.
@ "Wieso will man das spielen?"Horror ist Selbstreflexion. Während des Spiels treffe ich spontane Entscheidungen und kann durch das Spiel mit Anderen über ihre Bedeutung kommunizieren. IdR beantwortet das Spiel keine Fragen, wirft dafür aber sehr interessante auf über die ich anschließend nachdenken kann. Horror spricht dabei stets die Grundlagen der individuellen Persönlichkeit an: Das, vor dem wir uns fürchten, und das, auf das wir vertrauen.
@Abgrenzung zur (Urban) FantasyDark Urban Fantasy eignet sich Motive aus Schauergeschichten an, um das Setting (aus dramaturgischen oder thematischen Gründen) mit einer gruseligen Atmosphäre anzureichern ohne tiefgreifend beängstigend zu sein.
Die aktuelle "Vampire Romantasy"-Literatur etwa kombiniert einen beängstigenden ersten Eindruck mit anschließender Sympathie, um männliche Hauptfiguren zu sexualisieren.
Durch "atmosphärischen Grusel" wird echter Horror mMn allerdings unmöglich: Fantasyliteratur bringt uns dazu, das Seltsame ohne Nachfragen als normal zu akzeptieren, was wiederum verharmlosend auf den eigentlichen Horror wirkt.
@ "Wie macht man das?"Um ein gelungenes Szenario zu schreiben, gebe ich eigenen Ängsten und denen der Spieler eine Gestalt. Alpträume und Angstfantasien liefern fertige Motive, die ich ins Spiel einbauen kann. Oder ich überlege mir anschauliche Beispiele und Metaphern: Ein mörderischer Stalker kann als Beispiel für die Angst um die eigene Privatsphäre dienen oder ein Killer, der Herzen in Einmachgläsern sammelt, als Metapher... Kombiniert wirkt das Szenario natürlich doppelt gut
Entweder baue ich das Szenario als Sandbox, in der ein Monster steckt, oder ich gehe dramaturgisch an die Sache und verstärke so lange den Druck auf Spieler und SCs bis ich merke, dass es reicht... je nach dem, welches System gespielt wird.
Der Erfolg entscheidet sich natürlich an der Präsentation: Erst wenn sich die Spieler angespannt sind, sind ihre Gedanken für die Angst offen.
Je nach Persönlichkeit sind verschiedene Ängste unterschiedlich interessant. Ich empfinde bei Splatterpunk allenfalls ein leichtes Unwohlsein, kann bei Suspense aber (positiv) die Fassung verlieren.
Als SL gilt es, auf sowas einzugehen. Ich hatte bisher noch keinen Spieler in einer Horrorrunde, der sich nicht wenigstens gegruselt hätte.
Natürlich sind die wichtigsten Methoden Sicherungen: Der SL muss wissen, welche Themen erlaubt sind und wie viel Druck die Spieler vertragen. Außerdem sollte bei schwerkalibrigem Horror immer ein Safeword vereinbart werden, falls es einem Spieler doch zu viel wird. Die Gruppe sollte wissen, wie sie bei Panikattacken o.Ä. helfen kann und wie man erkennt, wann ein Mitspieler nervlich am Ende ist. Nach dem Spiel sollte immer eine Besprechung stattfinden, damit die Gruppe wieder in die Realität zurückfindet.
Auch wenn selten mal jemand beim Rollenspiel kollabiert: Man kann nie wissen, welche Ängste ein Mensch (aus gutem Grund) verdrängt. Selbst bei einer eingespielten Truppe kann das vorkommen und ist auch schon oft genug passiert.
Unterschätzt das Risiko nicht: Rollenspiel wird schließlich auch in der Psychotherapie als Werkzeug eingesetzt und kann, falsch eingesetzt, beträchtlichen psychischen Schaden anrichten.
Ich kenne (aus fremden Runden) Leute, die beim Horrorrollenspiel in Tränen ausgebrochen sind, sich vor Angst übergeben mussten oder monatelang unter Schlafstörungen litten.
@WoD und HorrorMit dem nWoD-GRW kann man relativ gut Sandbox-Horror fabrizieren... einfacher jedenfalls als mit D20 oder Gurps. Themenbände wie Second Sight oder Ghost Stories können helfen, passende Gegner zu kreieren.
Mit übernatürlichen Protagonisten erhält das Spiel unweigerlich Fantasy-Elemente. Je mehr man davon benutzt desto extremer wird der Anteil Urban Fantasy. Ab einem gewissen Punkt ist Horror absolut unmöglich.
Ich glaube jedoch ohnehin nicht, dass die WoD jemals für Horror gedacht war. Sie wird einfach deshalb gern als "Horror-Rollenspiel" bezeichnet, weil "gruseliger als D&D" uncool klingt.
Man sollte nicht vergessen, dass die Rollenspiele idR ausdrücklich für 12-jährige Kinder geeignet sind. Der Gruselfaktor, der nötig ist, damit ein Rollenspiel als "Horror-Rollenspiel" akzeptiert wird, ist entsprechend gering.
Ein FSK-18-Rollenspiel würde definitiv anders aussehen als die WoD. Und auch anders als Call of Cthulhu oder Unknown Armies.