(Geist in der nWoD hat das Thema dann deutlich spielfreundlicher und auch menschenfreundlicher integriert).
...und nebenbei gleich mal den eigentlichen Witz an einem Geisterrollenspiels in die Tonne getreten!
Sorry, aber da muss ich mal ranten:
Geist ist nicht mit Wraith vergleichbar. So, überhaupt nicht! Es ist höchstens mit Orpheus vergleichbar!
Bei den ersten Ankündigungen war ich damals schon skeptisch, habe mir aber gedacht: Hmmm, okay, vielleicht wird ja doch ein Geisterrollenspiel draus. Wurde es aber nicht. Es wurde ein Spiel um Medien und menschliche Reisende in der Unterwelt. Es ist ein gutes Spiel (wenn auch im Sinne gut, wie viele andere Spiele der nWoD: Für sich und nur für sich genommen ein starkes Thema aber eigentlich was für ein schlankes einbändiges Indie-Setting und weniger für eine Sourcebooks-füllende Reihe. Viele nWoD-Spiele sind sehr stark, wenn man sie einzeln betrachtet, wirken aber weit hergeholt, wenn man sie zusammenpanscht).
Aber es ist
kein Geisterrollenspiel. Und boah hat mich das sauer gemacht, als mir das klar wurde. Das rührt nämlich, wie so vieles, von einer Hyperkorrektur der Macher her: "Hmmm, niemand hat "Wraith" gespielt damals, also machen wir mal lieber kein echtes Geisterrollenspiel für die nWoD, denn Geister will ja anscheinend niemand spielen."
Und dann sitze ich als Freund von Geistergeschichten da und denke mir: Ja vielen Dank auch!
Und lese mich dann auch noch durch eine furztrockene, gähnend langweilige Version der Unterwelt, die gegen das viszerale, kafkaeske Hieronymus-Bosch-beschwörende Totenreich von "Wraith" in jeder Hinsicht abstinkt. Die Reiter finde ich gut und ein ähnliches Konzept in den Fokus von Wraith zu rücken hätte dem Spiel sicher gut getan (auch wenn meiner Meinung nach bei Geist ein eigener Reiter für den Selbstmord fehlt). Aber sonst ist Geist ein niedliches Konzeptspiel im Vergleich zu dem uferbrechenden Content, der in Wraith drinsteckt.
Wraith erzählt nämlich wenigstens Geistergeschichten
aus der Sicht des Geistes. Und das ist doch eigentlich der USP der WoDen: Sie erzählen die Monstergeschichten aus der Sicht des Monsters. Bei Geist wurde das aufgebrochen und das schmeckt einfach schal für mich.
Wraith ist bei Weitem nicht perfekt geeignet um Geistergeschichten zu erzählen. Ich schiebe die mangelnde Spielbarkeit von Wraith weniger darauf, dass es zu deprimierend sei, sondern darauf, dass der Fokus falsch gesetzt wurde. Wenn ich Geister spielen will, will ich Geister spielen, die mit der Welt interagieren. Die herumspuken, die auch mal Leuten erscheinen. Die präsent sind bei den Lebenden. Und die letztlich ihre Bindungen an die Welt auflösen und richtig sterben können. Ich habe Wraith immer als ein Spiel wahrgenommen, das zu sehr in der Unterwelt rumhängt – direktere Interaktionsmöglichkeiten mit der Welt der Lebenden hätten das Ganze deutlich verbessert ("Exalted" nimmt ja für seine Totenkosmologie viel von Wraith auf, aber deutlich verbessert und zugänglicher gemacht. Die Möglichkeit etwa, als Geist in Schattenlanden einfach von der Totenwelt in die Welt der Lebenden wechseln zu können, wenn gerade Nacht ist (und umgekehrt für Menschen dasselbe), ist einfach spitze!)
Und verdammt, sicherlich ist "Wraith" ein ebenso darkes Rollenspiel wie Vampire (das in Form der Menschlichkeit ja auch einen Hoffnungsmechanismus hat). Die Geistergesellschaft ist aber mindestens so schlimm wie die Vampirgesellschaft. Ich meine, da sind Geister, die entmenschlicht, ja zu Seelenstahlobjekten gemacht werden, das Rückgrat der gesamten Ökonomie von Stygia. Das betrachte ich als eine Analogie zu einem zutiefst menschenverachtenden Kapitalismus. Und dann noch der Schatten als das eigene dunkle Selbst, als der kleine Mann im Ohr, das Schlimmste in dir, das dann auch noch alles kaputt macht, was dir an Menschenwärme noch geblieben ist.
Also nein: Wenn du in den Text guckst, das Ding ist megadark. Und das ist auch genau das, was ich persönlich daran auch so gut finde.
Edit: Aber Zustimmung bei deiner Changeling-Analyse.