So, mit etwas mehr Zeit jetzt auch noch ein paar Kommentare nachgeliefert:
Da kann man sich großteils an der Cyberware orientieren. So richtig greifbar und massiv ist das erst mal nicht; beginnt z.B. mit sozialen Einschränkungen und geht dann zu immer schlimmerem Realitätsverlust und Größenwahn über.
Ja, wenn ich mich richtig entsinne, lebte es sich ja auch mit 0.3 Essenz noch ganz gut, insofern wäre ja auch für Magier kein krasser Effekt zu erwarten. Ich würde das vor allem auf der Fluff-Seite als schön empfinden, wenn auch der Magier sich ein Stück weit fragen muss, wie menschlich er eigentlich noch ist.
Da gehts mir erstmal spezifisch um den Gedanken, dass Bioware leichter wiederherzustellen ist oder sich gar selbst wiederherstellt und das ein signifikanter Vorteil gegenüber Cyberware sein soll.
Aber wenn ich mir anschaue, was für ein Aufwand es ist, mittlere bis schwere Verletzungen ohne größere Spätfolgen wieder hinzukriegen, muss ich sagen: Im Leben nicht. Oder jedenfalls so lange nicht, wie wir von halbwegs bodenständiger Near Future statt von Superkräften mit Bioware-Anstrich reden.
Freilich ist in der Hinsicht bei SR auch Cyberware phantastisch, weil man sich da z.B. nach offizieller Lesart mal eben in der Mittagspause Neuralschnittstellen in die Rübe hauen lassen kann.
Aber das ist es ja gerade: Wenn schon, dann beides leicht überhöht. Der Cyberware gedanklich alle möglichen Nachteile zuzuordnen und Bioware als Quasi-Magie anzusehen, finde ich wenig zielführend.
Ja, das Problem ist hier m.E. das Bioware (zumindest wenn mich meine Erinnerung nicht trügt) eher eine Art bessere Cyberware (i.S.v. gleicher Effekt bei niedrigeren Essenzkosten) ist. Und ja, die schnelle Wiederherstellung von biologischem Gewebe nach Verletzungen halte ich für
ziemlich unwahrscheinlich (sagt allein schon mein eigenes zerstörtes Gewebe
).
Wobei mich die Sache mit der Nachmittags-OP für neue Ware weniger beschäftigt als die Frage der Energieversorgung - hier habe ich bisher noch kein Modell gefunden, dass meine Suspension of Disbelief nicht massiv strapaziert.
Auch etwas weiter von diesem einen Gedanken weg kommt mir Cyberware deutlich zu schlecht weg, weil viele inhärente Vorteile sich nicht oder jedenfalls nicht ausreichend in Spielmechanik niederschlagen. Das fängt speziell für Cybergliedmaßen bei Schmerzempfinden und Widerstandsfähigkeit an und geht bis rüber zu Aspekten wie Wiederholgenauigkeit, Präzision, Geschwindigkeit, Kraft im Zusammenspiel mit Bewegungsamplitude, genereller Beweglichkeit und Ermüdung. Gilt aber ähnlich auch für manch anderen Cyberkram.
Man muss zwar ein bisschen aufpassen, dass man es hier nicht mit zu vielen Einflussfaktoren übertreibt, aber die entscheidende Frage ist ja (zunächst mal wieder abseits der Spielmechanik): warum sollte ich mir so Chrom-Dings einbauen lassen, wenn ich noch natürliche Gliedmaßen habe? Je nachdem, wie groß bzw. klein der Gewinn ausfällt, stellt sich ja die Frage nur für diejenigen, die durch Unfälle o.ä. ihre Gliedmaßen verloren haben. Das ist aber m.E. gerade nicht das, was man in einem Cyberpunk-Szenario haben möchte. Zumindest mein Empfinden sagt: ordentliche Verchromung gehört da fest mit dazu. Vor allem Neuralschnittstellen, Cyberaugen und Cyberarme empfinde ich als so kanonisch, dass ohne sie etwas fehlt.
Was mir davon ab in Sachen Setting immer wieder negativ auffällt, ist die Grundeinstellung, dass Cyberware per se auffällig und ungewöhnlich ist und man damit auffällt wie ein bunter Hund.
Die Settingsetzung ist (oder war mal...) das genaue Gegenteil und nur so ergeben Dinge wie Waffen in Cybergliedmaßen überhaupt Sinn: weil man damit weniger auffällt als mit normalen verdeckt geführten Waffen. Das funktioniert aber nur, wenn Cyberware völlig alltäglich ist und sich nicht jede Sicherheitsmaßnahme auf die Cyberware fokussiert wie die Geier auf ein Stück Aas und darüber hinaus auch noch hoch effektiv ist. Wer Cyberware komplett durchleuchten kann, findet doch auch alles andere...und dann sind wir wieder bei Adepten und giftspuckenden Bio-Samurai. Kann auch mal Spaß machen, aber eben nur als Spielerei und nicht als überlebensnotwendige gedankliche Grundlage.
Ja, hier beißen sich m.E. der Wunsch, einerseits immer abgefahrenere Möglichkeiten zur Heimlichkeit bieten zu wollen und die grundsätzliche Setzung, dass in einem Cyberpunk-Setting eben Cyberware ein wichtiger Teil ist. Ich würde persönlich hier auch stärker dem zweiten Strang zuneigen und davon ausgehen, dass Cyberware schlichtweg normal ist und es maximal besonders auffällige Ausgestaltungen gibt (vielleicht die Modelle von der Resterampe), aber ansonsten zumindest auf der Straße und für einfache Konzernangestellte kein sozialer Druck besteht, Cyberware nicht zu zeigen.
Wobei das ja nicht die einzige Merkwürdigkeit im Shadowrun-Setting ist. Allein die Ausgestaltung der ADL ist ja schon eher fragwürdig: überall auf der Welt erleben naturmystische Religionen ein Comeback (ein Aspekt, den ich übrigens sehr mag bei SR), nur in Deutschland tummelt sich ein Haufen Nazis und christliche Fanatiker (vielleicht ist hier meine Erinnerung aber auch zu negativ eingefärbt).
Angeregt durch die SR6-Diskussionen und Black Mohawk stelle ich mir ohnehin die Frage, ob man nicht auch das Setting ein bisschen aufräumen müsste (und dann erreicht man vielleicht sogar langsam den Bereich, wo das Ganze anfängt, was Eigenes zu sein und nicht mehr "nur" in Shadowrun-Hack).