Tatsächlich habe ich mir das Read-Review von Tsu jetzt noch mal komplett angehört. In manchen Punkten sind wir ja ziemlich einer Meinung, z.B. was die chaotische Struktur des Regelwerks angeht. Tsu hat seine Rezi aber ja auch nach dem ersten Lesen verfasst, wenn man sich ein wenig im Regelwerk bewegt bessert sich das schnell, was aber nur daran liegt, dass es eben nur 90 Seiten hat. Wenn die Royal Flush Edition meinetwegen 300 Seiten umfasst und dann genau so chaotisch ist, wäre das ein GAU. Wobei ich die Midgard-Basisregeln mindestens genauso chaotisch finde und das nach deutlich längerer Nutzung
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Tsu kritisiert das Würfelsystem. Das Würfelsystem ist aber kein eigenes System, sondern nur ein kleiner Hack, der auf das normale Probensystem angewendet wird. Das hätte er deutlicher herausstellen sollen. Dann braucht man auch nicht sarkastisch zu werden, wenn man die Würfelregel erläutert und der Hörer der Rezension könnte dann vielleicht nachvollziehen, wieso da ein "Würfelsystem" auf nur einer Seite Platz findet. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Ja klar, der Würfelmechanismus ist simpel. Aber der wird ja auf das normale Regelwerk aufgesetzt und das lebt ja auch nur davon, dass es Pokerregeln benutzt und die Differenzen der Blätter vergleicht.
Ich glaube, Tsu gefielen die Fraktionen nicht so wirklich. Ich habe ja auch auf den Grundaufbau angespielt - alle haben ihre Mechs oder Monster und ihre Eliteeinheit. Und sie haben eine Menge Anglizismen. Letzteres muss man wohl lieben oder hassen. Klar ist, dass man hier keinen biederen, trockenen DSA- oder Midgard-Text erhält. Man muss damit schon klar kommen. Was den Grundaufbau angeht, finde ich es nicht so schlimm, dass hier offenbar ein gewisses Schema zugrunde lag und mir gefallen die Fraktionen halt. Die verschiedenen Mechs, Monster und Gimmicks der Fraktionen, z.B. die Gun-Dolls, finde ich cool und gerade die Gun-Dolls sind für mich auch etwas, das ich mir super in einem Genre vorstellen kann, das sich "Industrial Western" nennt.
Wo wir wiederum einer Meinung sind, ist, dass das Setting zu kurz beschrieben wird. Aber Tsu nimmt das mehr mit als mich. Ich sehe es so, dass es eben dadurch schnell spielbar ist. Da kann man sich hinsetzen, ein kleines Conflict Web zeichnen und sofort loslegen. Ich spiele auch gerne Settings wie die Forgotten Realms, in denen jeder Stein beschrieben ist und die eine ewig lange Geschichte haben. Wenn ich mir Arcane Codex angucke, denke ich mir aber, dass Nackter Stahl hier bewusst etwas anderes präsentieren wollten, das leichter zugänglich ist. In dem Kontext ist auch das Begriffsdropping zu bewerten, irgendwelche Begriffe und Namen, die einfach genannt werden, ohne dass sie erläutert werden. Das gab es auch schon in Arcane Codex und ich finde das eigentlich gut, weil man da etwas an die Hand bekommt, von dem aus man weiter arbeiten kann. Ich verstehe aber, dass es nicht jedem gefällt. Was mir fehlt, hätte man vielleicht auf 2-3 Seiten präsentieren können, um dem kurzen und knackigen Stil gerecht zu werden. Meine Vermutung ist jedoch, dass Tsu gerne 20 oder 30 Seiten mehr allein für die Stadt gehabt hätte. Da gehen wir dann wohl auseinander.
Zu den Halbwelten und Jagdgründen gibt es tatsächlich nicht wirklich mehr Details. Ich glaube, man darf diese sich auch gar nicht so sehr wie völlig losgelöste Welten vorstellen, sondern wie Parallelwelten, die gleichzeitig und nebenher existieren und die sich gegenseitig überlagern. Wenn dann die Barriere durchbrochen wird, manifestieren sich die Welten an einem Ort, so stelle ich es mir zumindest vor. Ich habe es nicht so verstanden, dass man z.B. wie bei Lovecraft/Cthulhu in die Traumwelt wechselt oder wie bei DSA in eine Globule und dann eben da ist und nicht mehr im Diesseits. Wenn es so ist, wie ich mir denke, dann ist es auch klar, dass es keine Beschreibung der "Jagdgründe" gibt. Es gibt eben eine Benennung der grundsätzlichen Prinzipien: Es transformiert sich alles in diese alptraumhaften Visionen. Gesichter werden zu Grimassen, Tiere werden zu Monstern usw. usf. Da darf man seiner Fantasie wohl freien Lauf lassen. Aber es macht keinen Sinn, ein solches Land zu kartographieren. Betritt man die andere Welt, ist es am Spielleiter, den konkreten Teil dieser Welt auszugestalten.
Ich kenne leider weder Silent Hill noch Opus Anima, so dass ich keinen Vergleich anstellen kann.