1) Das gilt nur für einen problemlösungsorientierten Spielansatz. Wenn man, sagen wir mal, auf Persönlichkeitsentwicklung aus ist, ist die D&D-esque Rollenverteilung im Team ggf. nicht schädlich, aber auch keine besondere Hilfe. Das, was Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung ausmacht, muss dann obendrauf kommen und liegt dann nicht selten gerade in der Abweichung vom Klischee. Ich hatte z.B. mal einen saufenden, raufenden Draufgänger-Magier gespielt, das hat Spaß gemacht.
Persönlichkeit eines RPG-Charakters sehe ich ohnehin weitgehend unabhängig von der Klasse, das einzige, was mich stört, ist dann, wenn "SC-Persönlichkeit" und Klassenrolle (auch als Erwartung an einen Charakter gesehen) sich
völlig widersprechen. Kleinere oder mittlere Brüche mit dem Stereotyp sind ja ok, aber was mMn nicht klappt, ist eine SC-Persönlichkeit, die komplett der Klasse widerspricht. Also wenn der Barbarenspieler unbedingt einen feigen Charakter spielen muss, oder der Magier einen uninteressierten Langweiler. Das kommt aber nach meinem Eindruck eher bei Spielern vor, die prinzipiell den Antihelden spielen wollen, und mit denen kann (und will) ich rollenspielerisch eigentlich nichts anfangen.
3) Selbst mit entsprechender Rollenverteilung kristallisieren sich, sobald man nicht nur ein Kampfsystem, sondern auch so etwas wie ein Fertigkeitensystem verwendet, oft noch Dinge heraus, die eigentlich jeder können muss, z.B. Schleichen oder Wahrnehmung.
Das ist tatsächlich ein Riesenproblem! Ohne jede Ironie. Es gibt einfach Sachen, die eigentlich jeder Charakter beherrschen muss, sonst funktionieren sie im Spiel nur sehr eingeschränkt. Das gilt sowohl innerhalb von Kämpfen (die ja zumindest bei einigen Rollenspielergruppen immer noch recht häufig auftauchen), aber auch bei außerkämpferischen Angelegenheiten, wo eben alle Reiten oder Klettern oder Schleichen oder Seefahren/Raumfahren können müssen, sonst funktionieren bestimmte Sachen nicht. In solchen Fällen sollten alle Gruppenmitglieder unabhängig von ihrer Klasse etwas beitragen.
In Kämpfen kann das so laufen, dass eben jeder Charakter eine andere, klassenspezifische Aufgabe hat (Fernkämpfer, Nahkämpfer, Heiler). Außerhalb von Kämpfen kann man einen Grundstock von notwendigen gemeinsamen Fertigkeiten ausmachen, die jeder Charakter beherrscht (Klettern, Geländelauf, Schwimmen usw.), nur einige Klassen eben einige Sachen besser (so macht das z.B. Midgard). Oder man räumt den Fertigkeiten keinen besonders hohen Stellenwert ein und konzentriert sich auf die Attribute, zu denen Fertigkeiten nur einen kleinen Bonus geben. Oder man verzichtet auf den ganzen unnötigen Fertigkeitskram, der z.T. am Spieltisch nichts bringt, außer dass man seinen Charakter im stillen Kämmerlein rauf und runter differenzieren kann (ich kann keine Systeme mit 50 000 Skills mehr sehen).
Aber auch mit Fertigkeiten ist klasssenbezogenes Teamwork immer noch möglich. In dem Fall finde ich z.B. die Skillchallenge-Lösung von D&D4 nicht schlecht, die im Grunde ja dadurch funktioniert, dass man einen Stake als Gruppenziel setzt, jeder Spieler sich überlegt, was sein Charakter wann beitragen kann, die Skillwürfe abhandelt und dann Erfolge gegen Misserfolge rechnet. Jeder Charakter macht also etwas, das seiner Profession, seiner Rolle entspricht, und trotzdem bleibt es eine Gruppenaufgabe. Das wirkt zwar auf den ersten blick abstrakt, aber dieser Eindruck liegt meiner Meinung nach darin begründet, dass bei einigen Spielern die Verbindung von Beschreibung und Würfelergebnis nicht tief genug verankert ist.