Also erstmal, grundsätzlich finde ich, dass man ruhig die Religion in eienr Spielwelt auch mal etwas "verrückt" darstellen kann. Einer Spielweltreligion muss man nicht den gleichen Respekt und das gleichermaßen differenzierte Urteil entgegenbringen wie es die Höflichkeit gegenüber einer Glaubensrichtung in der normalen Welt erfordert.
Zweitens hängt bei mir alles vom Spielweltsetting ab, aber ich versuche, mal Antworten entsprechend eines "default" D&D-Settings zu geben, in dem Götter und Glaube nicht Hauptteil der Kampagne sind.
Was ist bei Euch die Quelle der göttlichen Magie - die Gottheit oder der Glaube des Verehrers selbst?
Das ist der Gegenstand theologischer Diskussion und vielleicht Anlass für ein Abenteuer, z.B. einen Mordfall während eines Konzils, in dem die Vertreter der unterschiedlichen Interpretationen in einem abgelegenen Kloster zusammengekommen sind.
Antworten Götter auf Gebete?
Ja. Klerikale Zauberei ist die Antwort der Götter auf ein Gebet.
Erscheinen Götter persönlich, z.B. bei Gottesdiensten?
Nur in Ausnahmefällen, eigentlich fast garnicht. Wenn sie erscheinen, dann eher als Stimme oder Lichtgestalt, aber normalerweise sprechen sie durch Boten oder garnicht.
Entsenden sie Heralde oder Diener?
Ja. Allerdings auch eher selten, zumindest auf den unteren Stufen.
Finden göttliche Interventionen statt, bzw. wie sehen diese aus?
In der Regel findet sowas nicht statt. Aus irgendwelchen innerspielweltlichen Gründen können Götter nur über ihre Agenten, Diener oder durch ihre Gläubigen (Kleriker, Palladine usw.) handeln, so gut wie nie von selbst - außer sie wurden durch ein vergessenes, uraltes Ritual zu Hilfe gerufen, das erstmal von einer Abenteurergruppe wieder entdeckt werden muss.
Wie detailliert ist der Glaube bei Euch, z.B. was Gottesdienste, Priestergespräche oder säkulare Wahrheiten angeht?
Ich kombiniere einige "katholische" Elemente (Beichten, Heilige & Heiligenerscheinungen, Sakramente) mit einigen klassisch-antiken Elementen (Orakel, Vogelflugdeutung, Speisesegen und Tieropfer etc.). Ausgespielt wird das eigentlich selten, aber ich bin auch kein richtiger Fan von Tavernen- oder Beichtstuhlrollenspiel.
Magier sind als Individuen natürlich sehr unterschiedlich, aber zumindest einige von ihnen glauben an eine etwas abstraktere Urquelle der Magie und des Lebens als die personifizierten Gottheiten des jeweiligen Pantheons. Dies ist aber eine sehr komplexe Philosophie, die im Spiel wenig Bedeutung hat - außer es ist gerade wieder einmal Zeit für religiösen Fanatismus, dann werden die Anhänger dieser Lehren brutal verfolgt und brauchen vielleicht ein paar nicht-fanatische Abenteurer, um vor dem aufgestachelten Mob zu fliehen und aus der Stadt geschmuggelt zu werden.
Was geschieht, wenn ein Charakter gegen die Gebote seines Gottes verstößt? Was ist nötig um einen wie großen Teil seiner Macht zu verlieren?
Kleriker und Palladine oder andere Zauberer, deren Macht auf göttlicher Magie beruht, verlieren bei schweren verstößen zeitweilig ihre Zauberkraft, bis sie Buße getan haben. Zur Buße gehört ein eigenes Abenteuer, z.B. das Wiederfinden eines aufgegebenen Tempels oder Schreins. Bei leichten Verstößen mache ich entweder dirket oder durch die Spielumwelt darauf aufmerksam, dass ihr Handeln nicht unbedingt den Richtlinien des Glaubens entspricht. Bei gehäuften Auftreten leichter Verstöße verlieren sie ihre Zauberkraft, die Buße erfordert aber nur geringe Leistungen (Geldspende, kurze Pilgerfahrt).
Andere Abenteurer sind nur bei groben Verstößen, und auch dann nur mittelbar betroffen: positive Unterstützungszauber eines Klerikers der von ihnen beleidigten Götter wirken nicht mehr.
Sind nur Kleriker und Paladine vom Glauben betroffen? Was ist mit "Normalgläubigen"? Wie wirkt sich ein Gebotsverstoß auf Bauer Horst im Hinterland von Falkengrund aus?
Siehe oben. Die Anforderungen an den gemeinen Gläubigen sind weitaus kleiner als die Anforderungen an einen Kleriker oder Palladin, ja selbst kleiner als die Anforderungen an einen Charakter mit heroischer Klasse.
Das sind einige der Fragen, die ich für mich gern beantworten würde, bevor es mit der Runde losgeht. Vielleicht teilt ja jemand Erkenntnisse aus ihrer/seiner Spielpraxis mit mir?
Spielpraxis: Am Schlimmsten ist es, wenn man als SL den Spielern mal eine Situation präsentiert, wo es mehrere Möglichkeiten gibt. Mir ist aufgefallen, dass die Spieler klerikaler Klassen dann oft dazu neigen, mich als SL zu fragen, was denn jetzt der für ihren Glauben richtige Lösungsweg ist, und ob sie Möglichkeit XYZ als Priester des/der ABC überhaupt nehmen dürfen. Bsp.: "Darf mein Charakter sich kurzzeitig mit Bösewichten verbünden, um ein größeres Übel gemeinsam zu bekämpfen?"
In der Regel, wenn es nicht offensichtlich ist und keine Konsequenzen i.S.v. Verlust an Zauberei nach sich ziehen wird, lasse ich die Spieler dann Knowledge: Religion würfeln und sage ihnen bei erfolg "Das ist schon jahrelang Gegenstand hitziger theologischer Debatten, für jede Seite gibt es Argumente und deine Kirche gibt da keine eindeutigen Anweisungen". war in der Realität meistens genauso, davon unabhängig glaube ich aber ohnehin, dass es beim Rollenspiel nicht der Sinn sein kann, dass der SL den Spielern vorschreibt, welchen "Lösungsweg" sie nehmen dürfen und welchen nicht. Ausnahme ist natürlich ein eindeutiger Verstoß gegen den Glauben.