Es scheint die verbreiteten Regeln für Attacks of Opportunity in einigen Systemen haben sich bei mehreren Leuten durchaus auf die Vorstellung von Nahkämpfen ausgewirkt... =)
Aus einer gamistischen Perspektive finde ich solche Regelungen schon ganz nett und ich mag v.a. die szeneinternen Gags dazu, aber ein Bezug auf Kampfbeispiele (simulative/realistische Sicht) ist schon relativ weit hergeholt - wie bereits einige gesagt haben, liegt der Verwendungszweck dieser Regeln doch ohnehin eher darin bestimmte Spielintentionen zu unterstützen - wie etwa die Gegner möglichst nicht an den "Tanks" vorbeizulassen, Gegner sollen nicht noch abhauen können, ...
Es wurde ja schon der Punkt "Distanz" angesprochen, ich bin ebenfalls der Meinung, dass dieser bei einer realistischen Sichtweise ganz entscheidend ist, in Verbindung natürlich mit dem "Timing" - die meisten Kampfkünstler kennen Formeln wie "Distance, Timing, Balance" - wobei die Balance im RPG i.d.R. sowieso nur sehr abstrakt dabei ist. Oft genug wird nicht mal bei der "Waffen"-Reichweite vernünftig differenziert was schon mal wenig Sinn ergibt, naja egal.
Jedenfalls ein simples Experiment: Zwei Leute stehen sich gegenüber mit einer Distanz von einem Schritt dazwischen, ca. 1m, jedenfalls etwas mehr als Arm-/Beinlänge. Für alle Kampfkünstler/Kampfsportler eine typische, sehr bekannte Nahkampfentfernung, wenn es noch nicht um Grappling geht o.ä., ist auch relativ "duellmäßig",* wer angreift muss sich logischerweise zunächst ein kleines Stück bewegen, um dann sofort schlagen oder treten zu können. Bspw. mit einem Schwert ist es prinzipiell das gleiche Spiel, nur würde hier die Distanz noch um die Waffenlänge vergrößert (selbstverständlich kommen generell verschiedene Distanzen zum tragen, das ist "nur" eine der wichtigsten Ausgangssituationen).
Zur Situation: Einer ist Angreifer und einer Verteidiger, dann mit etwas Bewegung hin und her und dem Austausch einiger Angriffs/Konter-Schläge/Tritte und ohne vorher den Moment abzusprechen, rennt der Verteidiger plötzlich davon. Um eine Regelung wie AoO simulativ zu rechtfertigen, hätte man nun erwarten müssen, dass er locker in 80% der Fällen dabei kräftig einen mitkriegt
Einige mögliche Gründe warum das wahrlich nicht so ist: Der Angreifer kann das Manöver wahrscheinlich nicht voraussehen bzw. kennt zumindest nicht den Zeitpunkt und achtet selbst auf seine Deckung, der Fliehende dreht sich nicht um 180° (seitliche Kampfstände bzw. einfach einen Bogen laufen), die Gefechtsdistanzen sind eben meistens nicht so, dass man nur einmal den Arm bewegen müsste - die genaue Position des Gegners ist nicht einen Schritt voraus bekannt, vielleicht hat der Fliehende einen guten Moment abgewartet - das Angreifer-Gleichgewicht könnte grad mal einen kurzen Augenblick nach hinten verlagert sein etc. Solche Details können bei "Kampfrunden" über mehrere Sekunden (IRL eine sehr lange Zeit!) mechanisch sowieso kaum berücksichtigt werden, insofern wird bei AoO entsprechend auf sehr abstrakter Ebene rumgebastelt.
Ganz klar ist aber natürlich, dass ein schwer verwundeter Gegner, der fliehen will, sehr wahrscheinlich zum leichten Opfer wird, wenn der Angreifer es zu Ende bringen will, hier ist der unmittelbar folgende Rückentreffer ja quasi vorprogrammiert. Darum sollte es in der Tat schon aus den Bewegungs-Regeln selbst hervorgehen, dass der halb tot geschlagene Straßenräuber nicht einfach wegrennen kann wie ein junger Gott nur weil er im "frischen" Zustand genau so oder vielleicht sogar einen Tick schneller ist als mein Char...
*Ein volles Schlachtfeld bringt natürlich nochmal viele andere Probleme mit sich, völlig klar, ist aber nen zusätzlicher Faktor. Oft genug werden dann ja die Verletzten auch am Boden erschlagen, z.B. war der "Fluchtversuch" dann nur noch ein Verzweiflungsakt nachdem sie gestürzt sind und/oder die Waffe verloren haben o.ä.