Realismus ist nur ein Teilbereich der Plausibilität eines Rollenspiels.
Plausibilität = (Festlegungen aus Regeln + Setting) + (Realismus)
Realismus ist damit kein eigentliches Ziel im Rollenspiel, sondern "nur" ein notwendiges Übel. Wenn die Regeln sagen, dass Magie möglich ist, ist Magie plausibel. Fertig. Ob Magie realistisch ist, spielt keine Rolle mehr.
Realismus spielt aber überall da eine Rolle, wo Regeln und Setting keine explizite Festlegung machen! Wenn zur Schwerkraft keine Regeln gemacht werden, gehen wir von der Schwerkraft aus, die wir aus der Realität kennen. Wenn zur Farbe von Gras keine Aussage gemacht wird, gehen wir davon aus, dass Gras grün ist.
Da wir uns eine ganze Welt vorstellen, ist der Anteil dessen, was durch Regeln oder Settingbeschreibungen festgelegt wurde, prozentual winzig. Das muss er auch sein, weil die Verarbeitungskapazität unserer Gehirne nicht mehr zulässt. Der Anteil dessen, was wir eigenständig mit Realismus füllen, ist hingegen gigantisch. Ob das nun jemand passt oder nicht. Es ist die einzige Möglichkeit, eine einheitliche Vorstellung zu erschaffen. Die Regeln haben Vorrang, aber wo sie keine Aussage treffen, tritt Realismus zwangsläufig auf den Plan. Wenn es nicht so wäre, könnte keine einzige Gruppe einen ausreichend übereinstimmenden gemeinsamen Vorstellungsraum erschaffen.
Manche Leute legen wert auf eine konsistente und glaubwürdige Vorstellung. Die Zusammensetzung der internen Plausibilität (Regeln/Setting + Realismus) birgt dafür aber klassischerweise viele Stolperfallen.
Beispiel: Ein Mensch kann ungerüstet 10 Schwerthiebe aushalten, bevor er stirbt. Und wenn er schon kurz vorm Verrecken ist, reicht mit magischer Unterstützung ein Tag zur vollständigen Regeneration. Die Regeln legen das fest, damit ist das plausibel. Punkt. Dann aber erzählt der Settingband eine Geschichte, in der ein Mensch mit einem Dolch am Hals bedroht wird und sich nicht traut zu bewegen. Schon ist der Widerspruch da und der Autor zerstört selbst die Plausibilität seines Werks. Bis zum eigentlichen Realismus in der Gleichung sind wir dabei noch gar nicht gekommen. Können wir aber gerne fortsetzen, denn mit der Erwartung einer konsistenten Vorstellung versuche ich die Regel, dass man 10 Schwerthiebe aushält (und dabei noch weiterkämpfen kann!) mit meiner Vorstellung von der Physiologie eines Menschen in Einklang zu bringen. Die Regeln sagen dazu nichts, also nehme ich standardmäßig das an, was mir aus der Realität bekannt ist. Und das ist mit den Regeln nicht in Einklang zu bringen. Die Konsistenz meiner Vorstellung wird erneut angegriffen.
Merke: Die Spieler wollen keinen Realismus, sondern Plausibilität. Plausibilität enthält aber notwendigerweise Realismus. Die Plausibilität wird meistens schon vom Autor selbst zerstört, indem sich verschiedene Elemente aus Regeln und Setting widersprechen. Und der Spieler, der das moniert, wird dann angekackt, dass er ein Realismusfanatiker sei...