Du schilderst da eine Post-3050er-Realität, wie ich sie beim Spiel und in der Szene nie erlebt hab. Wie kommt das zustande?
Du hattest Glück?
Weiter gehts- mit etwas Geschichte:
Kerensky: 0, Realität: 1"Ende November 2784 führte General Kerensky die 'Operation Exodus' durch - er verließ die Innere Sphäre, um im unerforschten Raum eine neue Gesellschaft nach dem Vorbild des Sternenbundes aufzubauen. 80% der Sternenbund-Streitkräfte schlossen sich Kerensky an."
So erzählt man es sich zumindest. In Wirklichkeit findet man keine Belege für eine logistische Operation von dieser Tragweite. Wir reden hier immerhin davon, dass Gen. Kerensky mal eben 80% der SBVS quer über die Innere Sphäre verschiebt, um sie dann gemeinsam in den unerforschten Raum springen zu lassen.
Hätte Kerensky die Möglichkeit gehabt Truppenbewegungen von dieser Größenordung durchzuführen, so hätte er etwas wesentlich sinnvolleres damit anfangen können... z.B. die Heimatwelten der aufmüpfigen Nachfolgerstaaten einnehmen, während ihre eigenen Truppen in Kriegsvorbereitung die Grenzen patroullieren, und sie zwingen mit den Streitereien aufzuhören und gefälligst den Sternenbund wiederherzustellen.
Selbst wenn Kerensky "moralische Bedenken" gegen diese Willkürherrschaft durch das Militär gehabt haben sollte (was erstaunlich wäre, da die Nachfolgerstaaten nichts anderes machen als Amaris einige Jahre zuvor), so wäre es doch naheliegend, dass zumindest einer der Nachfolgerstaaten ihm diese Absicht unterstellt hätte (und versucht hätte seine Truppen abzufangen und auszuschalten).*
Die Tatsache dass nichts dergleichen passiert ist, sowie die Abschussberichte aus den Zeiten des ersten Nachfolgekriegs, zeichnen ein anderes Bild der Geschehnisse: das Sternenbund-Militär verteidigte tapfer ein beständig schrumpfendes Territorium, wurde aber letztendlich von den Nachfolgerstaaten aufgerieben oder lief über. Auch wenn es keine Belege darüber gibt, ob ihr Anführer getötet, geflohen oder gar übergelaufen ist, so war er NICHT das Zentrum eine gewaltigen Verschwörung zur Rettung des Sternenbundes.
Warum also hält sich die "Kerensky-Legende" so hartnäckig in den Köpfen vieler IS-Bürger? Die Antwort ist dreiteilig:
1.) War die Zeit von Reichsprotektor Kerensky die letzte Zeit in der Geschichte, in der die Bewohner des noch-Sternenbundes mit regelmäßigen Nachrichten von Terra versorgt wurden. Mit dem Ausbruch des Nachfolgekriegs erlebten viele Planeten einen Kommunikations-Blackout mit erheblichen kulturellen Auswirkungen. Es war nur natürlich, dass viele Bürger diese Lücke mit Geschichten füllten, mündlich überlieferten Geschichten, die immer weitergesponnen wurden. Und natürlich war eine glamouröse Figur wie Alexandr Kerensky - der einsame, moralisch integere Held, der sich tapfer dem grausamen Diktator entgegenstellt - der ideale Protagonist für diese Art von Geschichten. Auf einigen Planeten der Peripherie machten sich sogar Filmstudios die Geschichten zueigen und produzierten (mit schlechtem Budget und unter noch schlechteren Produktionsbedingungen) hunderte von Holo-Filmen über das Leben Kerenskys, welche sich ebenfalls großer Beliebheit erfreuten (so sehr, dass die Nachfolgerstaaten die Filme entweder verboten oder - in einigen Fällen - eigene Fortsetzungen in Auftrag gaben, in denen das eigene Haus als Verbündeter Kerenskys auftrat, welcher nach dessen Tod/Exodus das Banner des Sternenbundes aufnahm).
2.) Die Fälschungen/Übetreibungen von Nachrichten bezüglich der übergelaufenen SBVS. Glaubt man einigen Nachrichten, so liefen in den ersten Tagen des Nachfolgekrieges bereits 110% der Sternenbund-Streitkräfte allein zur Lyranischen Allianz über. Diese Nachrichten verfehlten während des Krieges ihre Propaganda-Wirkung nicht, aber als sich später Geschichtsforscher mit dieser Zeit beschäftigten, fielen diese Diskrepanzen deutlich ins Auge.
Einige Verschwörungstheoretiker sahen in den falschen Daten den "Beweis" dafür, dass die Nachfolgerstaaten etwas verschleiern wollten: dass sie nicht wussten, was mit einem Großteil der Sternenbund-Streitkräfte passiert war. Wie alle guten Verschwörungstheorien überlebte auch diese alle Versuche sie zu widerlegen und die Zahl der am "Exodus" beteiligten Einheiten wuchs mit der Zeit immer weiter an.
3.) Eine Rede von Reichsprotektor Kerensky, in der er das Wort "Exodus" benutzt (der Kontext bezieht sich allerdings auf eine stärkere Förderung der Peripheriewelten, welche unter Amaris in eine wirtschaftliche Depression gefallen waren, nicht um irgendwelche militärischen Angelegenheiten).
Die Legende von einem Exil-Sternenbund ist also nur das: eine Legende.
*Ja, ich weiß, es gibt dieses grottige Abenteuer, in dem Kerenskys Flotte sich den Weg durch die IS freischießt und dabei ein Super-Duper-Mega-Kampfschiff als Nachhut opfert, aber das Abenteuer ignoriere ich (nicht zuletzt weges des bescheuerten Zeitreise-Plots) geflissentlich.