Nabend.
Ich hätt da gern mal ein Problem. Was ist eigentlich ne Kampagne?
Rollenspiel strukturiert sich ja, wobei verschiedene Spiele den Spielfluss verschieden strukturieren. Klarer Weise gibt es Spiele, mit Stufen und solche ohne, einige Spiele haben explizite Endgames und sind dann fertig. Beliebt sind auch Szenen, was wenn es denn vorkommt beschrieben wird, wie im Film: Eine relativ kurze Einheit von Ort und handelndem Personal. Viele Spiele benutzen Szenen in ihrer ausgewiesenen Struktur, machen also gewisse Spielwerte vom Verstreichen einer Szene abhängig.
Soweit ist die Sache ja ganz einfach. Schwieriger wirds bei "Abenteuer" und "Kampagne". Die meisten Leser hier dürften einen Eindruck haben, was es damit auf sich hat. Abenteuer sind wohl so etwas wie Episoden bei einer Fernsehserie. Und Kampagnen sind ein noch größerer Abschnitt. Aber schauen wir uns erstmal das Abenteuer an.
Abenteuer werden nun etwa im Vergleich zu Szenen von vergleichsweise wenigen Spielen ausgewiesen. D&D etwa kennt sie überhaupt nicht. D&D weiß, was ein Encounter, was ein Tag, was ein Milestone, was ein Level, was ein Tier, was ein Quest ist. Und das ist die neuste D&D-Version. Ältere kennen noch viel weniger. Aber... es gibt doch seit je her D&D-Abenteuer zu kaufen! Wie soll denn das gehen? Naja, so ein fertiges Ding ist eben etwas, dass man in sein Spiel reintut. Es heißt unter urigen D&D-Spielern auch gar nicht Abenteuer, sondern Modul. Also ein Ding, dass man in sein Spiel steckt und das mehr oder weniger in diesem Spiel aufgeht, vielleicht sogar völlig mit selbst gemachtem Input verschmilzt.
Viele andere Spiele kennen Abenteuer insofern, dass an bestimmten Punkten XP ausgeschüttet werden. Es soll also nach einer bestimmten Handlungseinheit die XP-Auszahlung folgen unter Berücksichtigung dessen, was in dem Abenteuer passiert ist. Viele Spiele, die nicht D&D sein wollen (z.B. die WoD da heißt es Kapitel), verfahren auf diese Weise. Theoretisch jedenfalls, denn praktisch verteilen die viele Gruppen am Ende eines Spielabends XP ganz unabhängig davon, ob ein "Abenteuer" um ist. Was immer dann ein Abenteuer sein soll, ist zu vage, als dass es forciert angespielt würde, und so fallen die Teilnehmer auf ein äußeres Kriterium - die reale Uhrzeit - zurück. Natürlich gehen einige Spiele diesen Weg auch direkt mit und hängen die XP-Verteilung an die Spielsitzung.
Das ist jetzt schon etwas mysteriös. Der Ur-Opa des Rollenspiels weiß bis heute nicht, was ein Abenteuer ist und bei Spielen, die das angeblich gern wüssten, wissens die Teilnehmer nicht. Gut, dass es Spielleitertipps, Spielleiterseminare auf Cons o.ä. gibt.[1] Da lernt man unter dem Stichwort "Abenteuer" dann meist, wie man einen Handlungsbogen aufbaut. Abenteuer sind also eine Einheit aus einem Handlungsbogen. Das klappt nach meiner Erfahrung auch solange gut, wie man Oneshots spielt. Da kann ich einen solchen Handlungsbogen durchplanen und ihn mit Genuss spielen. Wenn es ein längeres Spiel werden soll, löst sich diese Einheit zumindest in den meisten Runden, die ich so gespielt habe, auf. Häufig werden Dinge aus vorherigen Handlungseinheiten wieder aufgegriffen, weil sie nicht fertig waren, oder solche aus späteren werden bereits angelegt.[2]
Ich kenne jetzt einige Spiele, die so etwas Abenteuerartiges ausweisen, beispielsweise Inspectres mit seinen Aufträgen oder Primetime Adventures mit seinen Episoden. Bei diesen Spielen sind diese Einheiten mechanisch geregelt. Man kann an gewissen Spielwerten sehen, dass sie vorbei sind. Möglicher Weise schafft man dann auch zwei oder drei davon pro Spielsitzung, je nachdem wie schnell gespielt wird und wie lange Zeit ist.
Das war jetzt ne Menge Vorarbeit. Was ist jetzt aber ein Kampagne? Ich kam jedenfalls auf die Frage, weil bei den Spielleiterfragen Saffron nach
Tipps für Kampagnen fragte. Die Gedanken über Abenteuer habe ich mir jedenfalls gemacht, weil ich so im Kopf hatte "Szene < Abenteuer < Kampagne". Nun ist mir allerdings, wie gesehen aufgefallen, dass das mit dem Abenteuer schon nicht so ganz einfach ist.
Was ist denn also eine Kampagne?
Zunächst könnte man sagen, dass eine Kampagne das Spiel mit einem Spielleiter ist. Das liegt den OSRlern sicherlich nahe. Egal wer da als Spieler auftaucht, egal welche Charaktere versterben, die Einheit der Kampagne ergibt sich aus der Tatsache, dass eine gegebene Person als Spielleiter fungiert. Das hat auch etwas für sich. Es fragt sich natürlich, was passiert, wenn ein anderer SL übernimmt. Ist es dann noch die gleiche Kampagne? Häufig lassen sich magistro mutato durchaus größere Änderungen im Spielfluss feststellen.
Eine zweite Variante ist von den Protagonisten auszugehen, eine Kampagne ist also das Spiel, das mit relativ gleichbleibendem Personal von SCs gespielt wird. Das passt auch nicht schlecht und hat auch eine größere Schnittmenge mit Vorschlag #1. Ähnlich wie beim ersten ist hier jetzt die Frage, ob es noch die gleiche Kampagne ist, wenn regelmäßig Total Party Kills passieren.
Beide Möglichkeiten kann aber Saffron jedenfalls nicht im Sinn gehabt haben. Für Nummer 1 muss sie nichts tun, außer eben Spielleiter zu sein, für Nummer 2 bitte nicht regelmäßig alles SCs umbringen. Vielleicht, Saffron, kannst du ja mal Aufschluss geben. Ansonsten frage ich schon mal rum: Was ist bitte eine Kampagne?
[1] Die gibt es wohlgemerkt vornehmlich von einer Rollenspiel-Schule, die ich für mich die "Storyteller" getauft habe. Andere Schulen etwa die Storygamer(Forgianer) oder die ARSianer/OSRler würden diese Textform des "Spielleitertipp" in dieser Art nie schreiben.
[2] Für meine aktuelle Magus-Runde habe ich mich bis jetzt auf 5 offiziellen Veröffentlichungen von White Wolf bedient. Eine wurde durchgespielt, eine befindet sich kurz vor dem Abschluss, eine haben die Spieler rundheraus abgelehnt, zwei längere Stücke sind angespielt.