Dann eben mal back to the roots... äh, OP.
(Lord Verminaard hat zwar eine Zusammenfassung geschrieben, aber die erscheint mir leicht überspitzt zu sein.)
D&D4 sollte offensichtlich gezielt einen bestimmten Spielstil befördern. Nennen wir es mal Taktikspiel.
Soweit kann ich z.B. mitgehen, Kämpfe verregelt D&D4 meiner Ansicht nach wirklich sehr gut, wenngleich leider (aus meiner Sicht) etwas zu langatmig.
Den Grund dafür bildet die Vorliebe insbesondere US-amerikanischer Spieler für Dungeongeschnetzeleien.
Hier wirds schon problematisch, weil D&D ja wirklich mal eine Weile vorwiegend "storyorientiert" publizierte (Dragonlance). Ich würde eher annehmen, dass der "amerikanische" Rollenspielstil weitaus breiter aufgebaut ist und sowohl Storyspiel (was ich mich hüte, näher zu definieren) als auch fröhliches Monsterschnetzeln*, als auch taktisches Monsterumgehen bzw. -austricksen umfasst - und eventuell noch einiges mehr. Earthdawn mit seinen cinematischen Storyabenteuern (Mysts of Betrayel) ist ebenso ein "amerikanisches" Abenteuer wie "Sunless Citadell".
(*Nebenbei erlaube ich mir mal darauf hinzuweisen, dass "Dungeon" und "Monsterschnetzeln" keineswegs zusammengehören müssen.)
Nun waren aber die vorhergehenden D&D-Regeln so ausgelegt, dass eine typisch besetzte Spielgruppe im Rahmen solcher Schnetzeleien quasi nie auf Augenhöhe interagieren konnte. Erst sind die Magier zu schwach, dann zu stark und so weiter. Also, dachten sich die Wizards, designen wir doch ein Spiel, welches diese Probleme behebt.
Die Aussage ist übersetzt: Vorher war D&D ein unbalanciertes ("anders balanciertes") taktisches Spiel. Stimmt zum Teil: die taktischen Anforderungen waren in verschiedenen Levelblöcken sehr unterschiedlich, weil sich mit steigendem Level Kämpfe eben von grim&gritty zu superheroic entwickelten, und unterschiedliche Klassen zu unterschiedlichen (Level-)Zeiten glänzten (außer Cleric, immer spitze
Wichtig daran:
Schon vorher war D&D ein taktisch fokussiertes Spiel (nur eben kein ausbalanciertes).
Und da zu der Zeit WoW en vogue war und Spieler von dort rekrutiert werden sollten, stand das Designvorbild auch direkt fest.
Da würde ich die Aussage relativieren, es gibt zwar Elemente, wie man sie aus MMOs kennt, aber der Wizard als Glaskanone im Hintergrund und der Fighter als Monsterstopper an der Front ist nicht erst mit WoW erfunden worden. Trotzdem ist die Aussage auch nicht ganz von der Hand zu weisen.
Heraus kam mit 4E ein brilliantes Spiel, das aber vollkommen am Markt vorbeiging.
Das kann ich wieder unterschreiben: 4E schlug nicht erwartungsgemäß ein. (Und nochmal zur Sicherheit: Mir gefällt 4E.)
Was die Wizards nämlich abgesehen von der Fehleinschätzung der Kundengewinnung über WoW nicht geahnt haben, war eine Art Selbsttäuschung vieler Spielrunden (insbesondere auch in Deutschland).
So, und hier wirds mit einem Satz auf einmal problematisch.
Zuerst mal das einfache: Deutschland.
Wenn überhaupt, dann hat sich Feder&Schwert da getäuscht. Zur Erinnerung, das sind ist der Verlag, der mit V:tM angefangen hat, Engel entwickelte und warhammer übersetzte - alles Spiele für Storyliebhaber (der einen oder anderen Art). Ansonsten dürfte es Wizard wahrscheinlich eher am Rande interessieren, wie der deutsche Markt auf D&D reagiert.
Der problematischere Teil ist die vom TE behauptete "falsche Einschätzung WotCs hinsichtlich der Selbsteinschätzung der D&D-Gruppen", der weiter ausgeführt wird:
Nach meinem Eindruck und nach meiner Erfahrung existieren zwar viele Bier-&-Bretzel-Dungeonschnetzelrunden.
Das ist schonmal so ein Punkt, an dem ich ehrlich meine Zweifel habe. Aber ok, das ist wohl ziemlich umstritten, wenn z.B. Eulenspiegel hier die Erfahrung des TE teilt.
Deren Selbstbild ist jedoch vollkommen anders.
Das ist wiederum ein Punkt, wo es mir leicht fällt, zuzustimmen. Ich bin in den letzten 20 Jahren Rollenspiel noch keinem Rollenspieler in D. begegnet, der von sich behauptet, ein Hack&Slayer zu sein oder diesen Stil zu bevorzugen. Also scheint dies kein beliebtes Bekenntnis zu sein (und ich habe wegen meiner Buttkicker-Neigungen immer ein schlechtes Gewissen).
Das liegt nach meiner Ansicht an einer Politisierung von Spielvorlieben, die hierzulande insbesondere durch DSA, in den Staaten durch Vampire propagiert wurde: ROLEplay not RULEplay, "anspruchsvolles", "erwachsenes" Spiel, Immersion, Stimmigkeit, Spieltiefe und so weiter wurden da als Kampfbegriffe genutzt, mit denen sich die Schnetzler konfrontiert sahen.
Da bin ich natürlich vollkommen mit einverstanden. Aber hier möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass D&D diese Lehre in den 90ern auch verbreitet hat und sie in den amerikanischen Mainstream eingeflossen ist, der auch D&D3 gespeist hat. Nach meinem Eindruck wird (wurde) diese "Edelrollenspiellehre" primär in Deutschland als Maß aller Dinge angesehen.
Heute existiert eine weitaus größere Toleranz und Offenheit. Die Leute wissen, dass das Herbeigerade überlegener Spielformen bestenfalls dünkelhaft, eigentlich aber ebenso dumm wie ignorant ist. Damals nicht.
Diesen Optimismus teile ich nicht, ich glaube immer noch nicht, dass sonderlich viele Leute von sich behaupten, Rollenspiel vor allem wegen der coolen Kämpfe zu spielen.
Derartig marginalisiert wurde das Selbstbild der Schnetzelgruppen aber sukzessive umgedeutet, die Außenwahrnehmung änderte sich jedoch kaum.
Und da liegt der kritische Punkt: Wurde nur das Selbstbild der
Hack&Slayer umgedeutet, oder starb der Spieltyp
Hack&Slayer nahezu aus? Ich behaupte das zweite: der Hacker&Slayer hat den Dodo gemacht.
Durch diese Diskrepanz von Selbst- und Fremdbild fühlten sich viele Gruppen von den Wizards durch die neue D&D-Version jedoch verarscht, marginalisiert und vernachlässigt. Ihnen wurde wiederum das Schnetzelimage unter die Nase gehalten, weil D&D4 sich genau darauf maßgeblich kaprizierte. Nur wich das Selbstbild der Gruppen davon ja fundamental ab. Das Ergebnis konnte eigentlich nur die massive Ablehnung sein.
Dem kann ich wiederum in Grenzen zustimmen: D&D4 wurde von vielen Rollenspielern - völlig zu Unrecht oder meinetwegen auch nicht (bitte keine Edition Wars II: 4e strikes back) - als ein reines Kampfdungeonschnetzelspiel
wahrgenommen. (Das war bei 3e genauso, wird bei 5e wiederkommen, prognostiziere ich, und haftet D&D in DSA-Land schon immer an, aber das ist nicht der Punkt!) Und eine Gruppe, die "Edelrollenspiel" pflegt, kann damit nichts anfangen - egal ob sie nun wirklich so edel spielt, oder nur ein Haufen selbstverleugnender
Hack&Slayer ist.
Darin sehe ich den eigentlichen Grund für die Spaltung. Den Gruppen wurde ein Spiegel vorgehalten, dessen Spiegelbild den Leuten aufgrund der jahrelangen Indoktrination vorgeblich überlegener Spielstile nicht genehm war.
So, nun ist es nicht ganz falsch (zumindest aus meiner Erfahrung), dass ein Teil der Abneigung gegen 4e in der Ansicht begründet liegt, 4e sei ein als Rollenspiel verkleidetes Descent. Der Ruf, ein Hack&Slay-Spiel zu sein, hat dem Verkauf der 4e (speziell in D) sicherlich geschadet, weil es keine Kundschaft für so ein Produkt gibt.
Aber andere Faktoren sollten nicht ignoriert werden, z.B. die simple Tatsache, dass manch ein potentieller Käufer noch ungespieltes 3.x Material bis zum Abwinken hat und die Edition nicht abwärtskompatibel ist. Oder dass die beliebten Settings nicht sonderlich unterstützt wurden. Oder eben (mein Punkt), dass es keine Tradition im Mainstream (mehr?) gibt, dem Würfel auch außerhalb des Kampfes eine abenteuerrelevante Rolle zuzusprechen.