Ich glaube, ich sehe nur eine Sache wirklich anders als Du: ich finde mehr Hintergrund praktisch, aber nicht, weil ich als SL dann mehr Spaß habe, sondern weil es für mich auch Anregungen bereit hält, das Szenario etwas weiter zu spinnnen, etwa, wenn die Spieler, was ja nicht ganz unwahrscheinlich ist, den Hintergründen einer Zombieplage noch etwas weiter nachgehen wollen. Das kann man sicher alles hinbekommen ohne dabei die Stilmittel hinzuzuziehen, die der Nicht-DSA-Fan meidet wie der Teufel das Weihwasser. Du hast aber recht: im strengen Sinne notwendig ist es nicht, um das Szenario zu spielen. Aber halt doch besser, find ich.
An dieser Stelle lohnt es sich wahrscheinlich, das Gespräch noch etwas weiterzuführen, denn darin stecken im Grunde die konträren Vorlieben, obwohl man sich ja ansonsten weitgehend einig ist. Dir gäbe mehr Hintergrund Anregungen für "freies" (so nenne ich das jetzt mal) Fortspinnen. Und in meinen Augen ist genau das ein Paradox oder Teufelskreis oder wie auch immer man dazu sagen möchte.
So, wie das Abenteuer jetzt ist, haben wir nichts als eine willkürliche, zusammenhanglose Manifestation des Erwachens, mit der sich eine Spielergruppe herumschlagen und Spaß haben kann. Das lässt aber immer noch die Möglichkeit offen, dass ich als SL eigene Erklärungen und Einbettungen erfinden kann. Das Abenteuer lässt sich gerade, weil es eigentlich so gut wie ohne Hintergrund daherkommt, in jeden anderen Hintergrund einfügen, sprich in den Zusammenhang einer eigenen Kampagne.
Böte das Abenteuer aber selbst einen eigenen, ausführlicheren Hintergrund, ließe sich meiner Meinung nach im Grunde viel weniger selbst spinnen, denn Hintergrund bedeutet immer auch Setzung. Setzung wiederum bedeutet immer auch eine gewisse Einschränkung für den SL und seine Kampagne. Im Grunde ist das Abenteuer, das Moritz hier präsentiert, am ehesten eines, das in der offiziellen Spielwelt überhaupt keine Spuren hinterlassen muss (es sei denn, irgendein Metaplötter findet es geil, die Zombieplage dereinst offiziell zu machen, um die bornländische Geschichtsschreibung etwas aufzupeppen). Es macht keinerlei Setzungen, auf die man später einmal verweisen oder sich beziehen könnte oder müsste. Und ich empfinde gerade diesen Umstand als Freikarte zum selbst Spinnen.
Wenn man sich vor Augen führt, wie viele solcher "anregenden" Hintergründe aus früheren Abenteuern, Botenartikeln, Spielhilfen über Jahre die weiteren Abenteuer, Kampagnen und Publikationen zupflastern (jüngstes Beispiel ist Bahamuths Dingens, wo jede alte Setzung, die nicht rechtzeitig davonlaufen konnte, verwurstet wird). Das ist im Moment vielleicht für den einen oder anderen Anregung, aber es ist gleichzeitig auch Ballast. Und meistens erschwert es eben den eigenen, freien Umgang (sprich: die Eingliederung in eine eigene Kampagne) mit solchen Abenteuern mehr, als dass es ihn fördert.
Die einzige Option für die Charaktere, das Problem selbst zu lösen, die im Abenteuer angeboten wird, ist nunmal aber: den Sphärenriss mit Steinen verschließen. Das ist aber weder eine dauerhafte Lösung noch, nach meinem Verständnis, inneraventurisch stimmig, und deshalb aus zwei Gründen unbefriedigend. Da beißt die Zombiemaus keine W6 Fäden ab.
Und auch hier lässt sich das noch einmal durchexerzieren. Am Ende einer Con-Runde ist es ohnehin egal, was mit dem Sphärenriss passiert. Wirft man halt Steine rein und gut ist. Spiele ich das Teil in meiner eigenen Runde, kann ich meine Zauberer und Geweihte sich voll austoben lassen. Da spinnt sich sehr wahrscheinlich von ganz alleine etwas Interessantes weiter.
Oder ich habe eine größere Kampagne geplant und nehme das Problem als Anlass, die Helden nach Person X, Drache Y oder Artefakt Z suchen zu lassen, um den Riss letztlich zu schließen. Der -- freilich nicht explizit ausgesprochenen -- maximalen Offenheit entspricht eine maximale Brauchbarkeit. Von daher komme ich zum entgegengesetzten Schluss: Gerade der fehlende Hintergrund und das Fehlen von ausgefeilten Lösungen eröffnet Räume zum eigenen Fortspinnen für Spieler wie SL.
Und wie gesagt, ich habe eben den Verdacht, dass das im DSA-Weltbild etwas missverständlich verankert ist. Auf der einen Seite herrscht das Verlangen nach offener, freier Spielwiese, auf der anderen Seite giert man nach "Anregungen", die die Spielwiese mit ihren Setzungen gleichsam wieder wie Zaunpfähle einkasteln. Und so sieht's aus in der Zwickmühle: Nur, wenn einem Autor wie Moritz das offizielle Aventurien zu einem gewissen Grad irgendwie am Arsch vorbei geht, dann geht das Abenteuer auch dem offiziellen Aventurien am Arsch vorbei. Oder andersrum: Sobald es durch Huntergrund eingebettet ist, schafft es Hintergrund und damit Setzungen und ist aus seinem Bett auch nie wieder rauszukriegen.
@Glgnfz, der gleichzeitig gepostet hat: