Ich hoffe, du hast gut gekotzt
Ich bin mir nicht sicher, wie viel Sinn es macht, auf einen Rant ernsthaft zu antworten. Aber ich habe gerade ein Bedürfnis danach und auch zufällig (vor meiner DSA-Runde
) Zeit dafür.
1. DSA4-Spieler wollen komplizierte Regeln, egal was sie sagen
Erstens: Ich verbringe einen Teil meiner Freizeit damit, DSA zu spielen. Damit bin ich wohl DSA-Spieler und damit beginnt mein Problem mit diesem Rand. Ich lasse mir ungern sagen, wie ich bin, wie ich mich verhalte und wie ich denke. Du tust das und ich mag das nicht.
Frage:
“Akzeptieren es die Spieler in deiner Gruppe im Sinne der Spielbarkeit, die Regeln zu verändern? Wenn eine Regel also beim Spiel in den Weg kommt, weil sie einen Charakter beschneidet, eine Spielsituation kompliziert macht oder gerade nicht zur Szene passt, ignoriert oder ändert ihr sie dann? Erstellt ihr Hausregeln?”
Mehr als 85 Prozent der Teilnehmer antworteten mit “Ja” oder “Eher ja”. Trotzdem bestehen mehr als 77 Prozent darauf, für Talent- und Zauberproben die kreuzdämliche, schweinelangsame und völlig kontraintuitive 3W20-Regel weiterhin einzusetzen. Offenbar sehen sie diese Regeln als nicht kompliziert an. Da frage ich mich ernsthaft: Was ist passiert? Was geht in diesen Leuten vor? Wie kann man eine so abgrundtief blöde und langsame Regel auch noch aktiv einfordern?
Ironischerweise ist diese Reaktion der entscheidende Grund gewesen, warum ich für 3w20 gestimmt habe. Im Grunde genommen ist es mir gleich. Ich mag 3w20 wohl deshalb, weil ich es einfach gewohnt bin. Ich erkenne die Nachteile wie vor allem mangelnde Chancenausrechnung. Trotzdem ist es mir eigentlich latte. Dann aber habe ich, während ich darüber nachdachte, gelacht. Weil ich wusste, dass sich die Gegner so richtig schön aufregen würden, wenn viele "3w20" angeklicken. Klick!
2. DSA-Spieler wollen Metaplot
Mehr als 75 Prozent der Befragten halten “fortlaufende Geschichte” für unverzichtbar in DSA, und 69 Prozent möchten gerne oder eher gerne in die fortlaufende Geschichte miteingebunden werden. Ungefähr 41 Prozent will “klar definierte Plots”, also Railroading.
Diese Antworten sind klassisch für die Verwirrung der Hartwurst-DSA-Spieler. Einerseits wollen drei Viertel von ihnen den geliebten Metaplot und zwei Drittel von ihnen wollen in Abenteuern mitspielen, die mit dem Metaplot zu tun haben (Hallo, Erzählonkel-Spiel!), aber nur 41 Prozent sind bereit, sich dafür in das erforderliche Korsett zwängen zu lassen.
Und trotzdem geben mehr als 66 Prozent der Befragten an, sie hätten in ihren Abenteuern “vollkommene Handlungsfreiheit”. What the fucking fuck?
Hier siehst du glaube ich einen Widerspruch, der zumindest bei mir so nicht besteht. Kann auch auf andere zutreffen, ich weiß es nicht. Ich möchte eine fortschreitende Geschichte in Aventurien, obwohl ich zu 70% in einem eigenen Setting mit DSA leite. Warum? Wenn ich mal in Aventurien leite, soll es nicht immer gleich sein. Ich habe keine Lust, alle 10 Jahre ein Update zu bekommen. Nein, ich finde es toll, wenn sich in einer Welt etwas verändert. Einfach so, ganz ohne mich. Einen Teil davon verwende ich, einen anderen Teil nicht. So wie ich es will.
DSAler sind Sklaven ihrer Rollenspielerziehung — und sie merken es noch nicht einmal.
Wo ist der dunkle, anarchische Freigeist der Erstauflage geblieben? Gibt es wirklich fast nur noch brave Konsumentenspieler, die mit stolzgeschwellter Brust “Ich bin mein eigener Herr” auf ihren T-Shirts tragen, während sie schön mit den gesichtlosen Massen 3W20 auf das Talent “Stricken” würfeln? Ist es das? Ist das die Freiheit, die uns Rollenspiel geben kann?
Wie schon eben gesagt: Ich reagiere sehr allergisch darauf, wenn ich einfach so in einen Topf geworfen werde, in den ich nicht will. Ein Wort an diesem Satz könnte mich geradzu an die Decke gehen lassen, aber das ist wohl ein persönliches Problem. Ich sage das nur, damit du merkst, dass du mich angreifst. Vielleicht auch andere, keine Ahnung.
Ich fühle mich nicht minder freigeistig (und auch nicht mehr) als 1985, als ich mit DSA angefangen habe. Ich wüsste auch nicht, warum. Mir ist bewusst, dass eine Vorgabe von vielen Möglichkeiten eine Erfindung eigener Möglichkeiten eventuell einschränken könnte, aber das muss jeder für sich selbst beantworten.
Ich bin ein sehr starker DSA-Konsument, im weiteren Sinne jedenfalls, da ich Sammler bin. Trotz der Sammelleidenschaft würde ich mich nicht als DSA-Experten bezeichnen, weil ich die erworbenen Werke dafür viel zu wenig lese. Den Boten überfliege ich, das meiste Regionalzeug auch, bis ich es mal wirklich als Inspirationsquelle oder auch Nachschlagewerk in mein Spiel einbinde.
3. Die Liebe zum Detail ist das Zeichen kleiner Geister
Und natürlich: Knappe 65 Prozent der Umfrageteilnehmer antworteten mit “Ja” oder “eher Ja” auf die Frage: “Ist dir die Detailtreue des Hintergrundes wichtig?”
Mir ist das eigentlich nicht so wichtig. Aber seltsamerweise auf Aventurien mehr als in anderen Settings. Vielleicht Gewohnheitssache, vielleicht das viel zitierte Spielgefühl Aventuriens.
Auf alle diese Fragen gibt DSA Auskunft. Und zwar erschöpfend. Das freut die Buchhalter und Rudersklaven. Denn, “wir haben absolute Handlungsfreiheit in unseren Spielen” rufen sie, denn sie können sich aussuchen, über welches Detail sie nachlesen möchten. Die Themenwahl ist ihre! Und wenn sie rudern, dann können sie sich aussuchen, ob sie stärker mit dem linken oder mit dem rechten Arm anziehen. Die Freiheit! Die Freiheit!
Ganz grundsätzlich hast du wohl verkannt, dass auch die freiheitliche Wahl der Unfreiheit immer noch eine freiheitliche Entscheidung ist.
Ich benutze die DSA-Vorlagen im Detail, wenn ich es möchte. Vielleicht schaue ich mal nach, wie lang und breit das Schiff Korisande ist. Wenn ich die Werte in irgendeinem AB oder Settingband finde, schön. Wenn nicht, auch gut. Und wenn ich sie finde und sie mir nicht passen, dann ändere ich es. Es ist also nicht nur die Wahl eines Themas von einer Liste, sondern eben auch jenseits dieser Liste nach wie vor möglich.
In dieses beschissene Porträit der derzeitigen DSA4-Spielerschaft paßt auch ihr ausdrücklicher Wunsch, die Wunden-Regeln beizubehalten. Mehr als 73 Prozent haben mit “Nein” und “eher Nein” auf die Frage geantwortet: “Sollen Wunden und Wundschwelle abgeschafft werden?”.
Ich bin mir nicht mehr sicher. Gefühlsmäßig würde ich sagen, auch da habe ich mit "Nein" gestimmt, weil ich lieber auf LeP statt auf Wunden und dann angepasste Regeln verzichten würde. Geschmackssache.
“Fantastischen Realismus” nennen sie das gerne. Dabei ist es nur eine Maske, hinter der sich Regelnazis verstecken. Hat sich Tolkien um irgendwelche Regeln geschert, als er sein weltbewegendes Epos geschrieben hat? Hätte Tolkien Sam Gamdschie in so ein völlig verblödetes Regelwerk pressen müssen, dann wäre Mittelerde nicht gerettet worden.
Ich glaube, mit "fantastischer Realismus" war seinerzeit, als dieser Begriff aufkam, etwas anderes gemeint. Für mich bedeutet es eher "spiel mit gesundem Menschenverstand, auch wenn es ein Fantasyspiel ist". So in der Art. Aber darum gehts hier ja nicht.
Aber genau darum geht es DSA-Spielern ja: Zeitzeuge zu sein, mitzuerleben, wie sich die Geschichte Aventuriens vor ihren Augen entfaltet. Aber dabei stehen sie gerne etwas abseits und lassen die wichtigen Charaktere, die echten aventurischen Badfuckingasses, zum Zuge kommen: die Meisterpersonen.
In meinen Kampagnen entscheiden die SC die großen Schlachten und tun die großen Taten. Damals als wir 10 waren und heute. Durch verschiedene Systemerneuerungen hindurch. Heutzutage gilt das dann als modern und wird "Mover" und "Shaker" genannt.
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Ist das nicht erfrischend? Die Gedanken sind frei — aber bei vielen DSA-Spielern sind sie nicht mal das.
Ist das "vielleicht" reine Höflichkeit gewesen oder dämmert dir etwa, dass doch nicht alle DSA-Spieler gleich sein könnten? Falls das "vielleicht" ernst gemeint ist, kann ich für oder gegen diese Aussage nichts sagen und hab auch mein o. g. Problem nicht damit.
4. Mitgestaltung ja — aber bitte ohne uns
In den Saisonzeiten meines zweiten Standbeines komme ich teilweise auf 60-70 Arbeitsstunden pro Woche. Ich hab keine Zeit, mich so intensiv mit meinem Hobby zu beschäftigen, wie ich es gerne möchte. Früher hab ich mehr gemacht. Ich hab allerdings meine Sachen nicht ins Netz gestellt (1. weil es das so einfach noch nicht gab und 2. weil es für meine Gruppe(n) gemacht wurde).
Selbst wenn ich Zeit hätte, könnte es aber gut sein, dass ich faul bin und die anderen machen lasse. Ich glaube, dass es sehr viel kreativere Leute gibt als mich, die sich mehr da rein hauen und bessere Ergebnisse liefen.
5. Fazit
In deinem Fazit ziehst du D&D heran, obwohl der Rant über DSA geht? Verstehe ich irgendwie nicht, bzw. finde ein einziges Beispiel irgendwie schwach für den ja durchaus guten Rant. Kann ich aber auch nicht beurteilen.
Mein Fazit:
Ich hab deinen Rant gern gelesen, weil er witzig war und trotz aller Überspitzung natürlich seine wahren Momente hatte.
Du verkennst aber die Heterogenität der DSA-Spielerschaft (die es eben so nicht gibt).
Du wirst zum Teil ein ganz gutes Echo finden, weil es viele Leute gibt, die die Schwächen des DSA-Systems erkennen (dazu zähle ich im Übrigen auch). Dann wirst du vielleicht denken "wow, toll, dass so viele denken wie ich" und erliegst einem Trugschluss. Der Trugschluss ist, dass eine Heterogenität in der Gruppe der DSA-Kritiker besteht. Jeder von denen, die DSA scheiße finden, würden die Lösungsvorschläge anderer DSA-Kritiker zur Verbesserung von DSA ebenfalls scheiße finden.
DSA ist ein Spiel, ein Hobby. Leute spielen es, um Spaß zu haben, wie andere Rollenspiele auch. Wir reden hier auch zum Spaß drüber, niemand zwingt uns.
Wie sehr ist dir bewusst, dass du Menschen Kleingeistigkeit unterstellst, während du freiwillig zu einem Freizeitvergnügen auf einer von vielen Internetseiten einen Text schreibst, der dich mehr Lebenszeit kostet, als den Opa von nebenan, der sich über die Höhe deines Rasens beschwert?