Autor Thema: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?  (Gelesen 16281 mal)

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Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #50 am: 15.05.2012 | 21:05 »
Zitat
Ich schätze mal, dass es dabei hauptsächlich um Arbeitserleichterung geht; außerdem haben offizielle NSCs eben den Vorteil, dass sie jeder kennt und mit ihnen bereits irgendwas verbindet (zumindest, wenn sich die Spieler mit dem Setting beschäftigt haben).

Spannend. Danke für den Hinweis. Die Arbeitserleichterung liegt so nicht nur bei der Durchführung, sondern auch beim Einsatz im Spiel. Ich muss meinetwegen Count Doku nicht mehr herablassend und träge beschreiben. Das wissen die Spieler schon bzw. füllen meine Darstellung entsprechend aus.

Passt das so?

Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #51 am: 15.05.2012 | 21:08 »
(...) ...das bringt mich aber zu einem anderen Thema: Ich habe das Gefühl, dass Charaktergeheimnisse beim Storytelling auch Spielergeheimnisse bleiben sollten - das heißt, wenn ein Char ein Geheimnis hat, dann weiß das sein Spieler und der SL, der Rest der Gruppe nicht.
Das ergibt auch durchaus Sinn, wenn man sich vor Augen hält, dass Immersion eines der Ziele von Storytelling ist: Metawissen wie "XY ist ein Grüner Meuchelbär" stört da eher, weil man es ja nur auf der Metaebene einbinden kann - und das ist eigentlich nicht erwünscht.

Interessanter Ansatz und für mich das erste mal, dass ich das mit einem für mich nachvollziehbarem Argument unterfütter sehe.

Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #52 am: 15.05.2012 | 21:14 »
Spannend. Danke für den Hinweis. Die Arbeitserleichterung liegt so nicht nur bei der Durchführung, sondern auch beim Einsatz im Spiel. Ich muss meinetwegen Count Doku nicht mehr herablassend und träge beschreiben. Das wissen die Spieler schon bzw. füllen meine Darstellung entsprechend aus.

Passt das so?

Ja, das war zumindest meine Idee. Andererseits ist natürlich die Frage, ob die Spieler überhaupt im Regelwerk herumlesen sollten, wegen der Trennung von Spieler- und Charakterwissen.

Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #53 am: 16.05.2012 | 07:19 »
Interessanter Ansatz und für mich das erste mal, dass ich das mit einem für mich nachvollziehbarem Argument unterfütter sehe.

Ja. Würdet ihr zustimmen, dass der Spielstil generell viel im Privaten tut? Ausgefeilte Charaktergeschichten, die zumindest nicht von allen anderen Teilnehmern rezipiert werden, komplexe Plots, welche die Spieler nicht unbedingt mitbekommen, Rezeption von Hintergrundmaterial, dessen Kenntnis nicht notwendig von allen Teilnehmern geteilt wird? Ist das ein Charakteristikum für den Stil?


Andere Sache, die mich interessieren würde: Ein paar mal kam die Aussage: "Regeln sind nicht so wichtig." Nun ist es allerdings so, dass die meisten Spiele, welche diesen Stil empfehlen, durchaus noch einiges an Regelwerk mitbringen. Ist das dann nur über und zu ignorieren oder können Spielmechanismen im Rahmen des Storytellings einen Sinn haben?

Offline Tarin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #54 am: 16.05.2012 | 07:31 »
Die Regeln sind so eine Sache, da zerbreche ich mir seit gestern den Kopf drüber. Einerseits wegen dem Abstand von VtM Regeln und gewollter Stimmung, andererseits wegen DSA Barbiespiel.
Regeln sind dafür da, Charaktere auszustaffieren und zu beschreiben. Das zeigt sich bei der oWoD durch diese Hintergrundtalente (wie auch immer sie heißen), beispielsweise Kainit der Y. Generation. Sie sind insofern Gesetz, als dass sie Teile der Charakterstory auf Papier festhalten. Ich vermute, dass der SL dagegen sehr frei mit den Regeln umgehen darf, seine NSC abseits der Regeln bauen kann und generell die Regeln solang verbindlich sind, wie sie nicht dem Plot zuwiderlaufen. Der ST entscheidet dabei, wann regeln ungültig sind, denn nur er kennt ja den Plot.
Insgesamt also die Auffassung "Wir spielen nach den Regeln, solang der ST nix anderes sagt."
Es verstößt gegen die Hausordnung, aus dem Necronomicon zu zitieren.

Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #55 am: 16.05.2012 | 07:40 »
Regeln sind dafür da, Charaktere auszustaffieren und zu beschreiben.

Das scheint mir schon ein guter Ansatzpunkt zu sein. Sie funktionieren in diesem Sinne ähnlich wie die Hintergrundlektüre, über die wir gesprochen haben. Die Zahlen auf dem Zettel geben Inspiration und Absicherung, wie ein Charakter zu spielen ist. Die Zahlen, die auf dem Blatt stehen, dann auch selbsttätig und bewusst in irgendwelche Prozesse einzurechnen, ist dagegen nicht so wichtig.

Weitere Ideen?

Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #56 am: 16.05.2012 | 10:34 »
Ganz allgemein würde ich sagen, dass Regeln im Rollenspiel zu verschiedenen Dinge dienen:
- Spielregeln der Gruppe (nicht abgedeckt durch ein Buch, sondern individuelle Aushandlung der Runde)
- Steuerung des Spielerlebnis (durch den Autor)
- Simulation der Spielwelt
- Mechanik für Nicht-anders-umsetzbares
- ...

Mein erster Eindruck ist, dass es bei den Storytelling-Regeln vor allem um das geht, was nicht anders darstellbar ist.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Regeln hier nicht tendenziell auch eher dazu dienen, den Fluff und das, was du in der Welt alles erleben kannst, zu unterstützt.

Offline Megan

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #57 am: 16.05.2012 | 10:48 »
Ich bin da bei Tarin: Die Regeln sind sicherlich auch dazu da, "die Charaktere unter Kontrolle zu halten".

Offline kalgani

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #58 am: 16.05.2012 | 10:50 »
So langsam komme ich dahinter was allgemein als "Storytelling" tituliert werden sollte.

Als aller erstes ruled Bruce Darnell alles weg (Drama rules it all)
Rolle vor Spiel (aber das war wohl jedem klar...)
Regeln nur da damit eine gemeinsame Basis besteht, aber stark in den Hintergrund gerückt.

Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #59 am: 16.05.2012 | 11:46 »
Mein erster Eindruck ist, dass es bei den Storytelling-Regeln vor allem um das geht, was nicht anders darstellbar ist.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Regeln hier nicht tendenziell auch eher dazu dienen, den Fluff und das, was du in der Welt alles erleben kannst, zu unterstützt.

Hmmm. Bei Vampire z.B. gibts ja so Spielwerte für das Verhalten, ebenso bei 7te See oder anderen typischen Spielen der 90er. Sowas wäre doch ausspielbar oder?

Der zweite Punkt scheint sich dem zu decken, was Tarin sagt: Regeln dienen demnach dem anschaulich Machen und der Verdeutlichung, nicht einer durchgehenden Simulation.

Ich bin da bei Tarin: Die Regeln sind sicherlich auch dazu da, "die Charaktere unter Kontrolle zu halten".

Du meinst als Mittel für die SL, dass die SCs nicht aus der Reihe tanzen? Oder habe ich dich da jetzt falsch verstanden?

Offline Megan

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #60 am: 16.05.2012 | 11:58 »
Du meinst als Mittel für die SL, dass die SCs nicht aus der Reihe tanzen?
Genau  :)

Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #61 am: 16.05.2012 | 13:02 »
Hmmm. Bei Vampire z.B. gibts ja so Spielwerte für das Verhalten, ebenso bei 7te See oder anderen typischen Spielen der 90er. Sowas wäre doch ausspielbar oder?

Ich glaube, die Regeln (gerade bei VtM) sollen die Spieler zum Drama hinführen und persönliche Veränderung deutlich machen. Außerdem soll dadurch eine gewisse Stimmung erzeugt werden - z.B. eben der tragische Kampf um die Humanity.

Leider funktionieren die Regeln nicht unbedingt so, wie sich die Autoren das vorgestellt haben. Das ist aber vermutlich der Tatsache geschuldet, dass die Autoren damals auf wenige Erfahrungen mit drama-unterstützenden Mechanismen hatten; außerdem sind das Regeln, die der Immersion entgegenstehen. Allerdings unterstützen sie natürlich in gewisser Weise Barbiespiel.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Arldwulf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #62 am: 16.05.2012 | 14:06 »
Ja. Würdet ihr zustimmen, dass der Spielstil generell viel im Privaten tut? Ausgefeilte Charaktergeschichten, die zumindest nicht von allen anderen Teilnehmern rezipiert werden, komplexe Plots, welche die Spieler nicht unbedingt mitbekommen, Rezeption von Hintergrundmaterial, dessen Kenntnis nicht notwendig von allen Teilnehmern geteilt wird? Ist das ein Charakteristikum für den Stil?

Mhh...aber ist die Loslösung von direkter Storybindung nicht eher ein Zeichen für Sandboxing? Das es einen komplexen oder auch nicht komplexen Plot im Hintergrund gibt mit dem die Spieler nichts zu tun haben müssen wäre dort ein durchaus gutes Beispiel. Das gilt ähnlich ja auch für verborgene Hintergrundgeschichten, welche viel eher dazu führen dass die Spieler sich passend zu diesen Geschichten eigene Ziele ausdenken.

Offline kalgani

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #63 am: 16.05.2012 | 14:38 »
Nach meinem bisherigen Verständnis schliessen sich Sandbox und Storytelling aber nicht gegenseitig aus.

Das eine ist ja eher ein Settingbezug, das andere ein Spielstil...

Offline Dark_Tigger

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #64 am: 16.05.2012 | 14:43 »
Das eine ist ja eher ein Settingbezug, das andere ein Spielstil...
Im Old-School Faden wurde das Wort "Werkzeug" für Sandboxing benutzt.
Was es ganz gut trifft, wie ich finde.
Und Sandboxing hat im Storytelling doch das Problem das die Setzungen der Sandksite der Storry im Weg sein können.
Zitat
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Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #65 am: 16.05.2012 | 15:02 »
Und Sandboxing hat im Storytelling doch das Problem das die Setzungen der Sandksite der Storry im Weg sein können.

Also ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Spieler, die gerne Storytelling [als primär an der (in der Obhut des SL liegenden) Story orientiertes RSP] spielen wollen, ablehnend auf den Vorschlag eines Sandbox-Settings reagieren.
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Offline kalgani

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #66 am: 16.05.2012 | 15:05 »
Und Sandboxing hat im Storytelling doch das Problem das die Setzungen der Sandksite der Storry im Weg sein können.

Und ein Setting mit krassem Metaplot würde das Problem also weniger erzeugen  ::)

Offline Dark_Tigger

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #67 am: 16.05.2012 | 15:11 »
Und ein Setting mit krassem Metaplot würde das Problem also weniger erzeugen  ::)
Sag ich doch gar nicht, oder? Außerdem braucht eine Sandkiste ja auch eine irgendwie geartete Form eines Metaplots, oder einer Handlungsmaschine.
Zitat
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Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #68 am: 16.05.2012 | 15:16 »
Andere Sache, die mich interessieren würde: Ein paar mal kam die Aussage: "Regeln sind nicht so wichtig." Nun ist es allerdings so, dass die meisten Spiele, welche diesen Stil empfehlen, durchaus noch einiges an Regelwerk mitbringen. Ist das dann nur über und zu ignorieren oder können Spielmechanismen im Rahmen des Storytellings einen Sinn haben?

Prinzipiell glaube ich auch, dass beim Storytelling alle Regeln der Story und damit der "Goldenen Regel" unterworfen sind. Der umfangreiche Regelapparat ist nach meinem Eindruck eher dafür da, dem Spieler Hinweise auf die Interpretation seines SC zu geben, aber das wird, glaube ich, nicht so offen gesagt. Wenn es dramaturgisch passend ist, darf bzw. soll der Spielleiter sich über die Regeln hinwegsetzen. Allerdings glaube ich auch, dass Illusionismus die traditionelle Form des Storytellings war und heute vielleicht vom Partizipationismus abgelöst wurde.

Insofern konnte Storytelling auch mit sehr regellastigen "simulationistischen" (ich weiß, sagt man nicht nicht mehr so) Spielsystemen (z.B. DSA) gespielt werden, aber auch mit "gam-sim"-Systemen (AD&D?). Selbst mit eher "gamistisch" angehauchten Regelwerken (D&D3.x) scheint Storytelling zu funktionieren ("Witchfire"-Serie soll so gewesen sein).

Die Frage, die ich mir stelle: Klappt Storytelling auch mit Systemen aus der "Indie"-Ecke?
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Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #69 am: 16.05.2012 | 15:22 »
@Megan: OK, das ist dann eine sehr pessimistische Auffassung.


Leider funktionieren die Regeln nicht unbedingt so, wie sich die Autoren das vorgestellt haben[...]; außerdem sind das Regeln, die der Immersion entgegenstehen. Allerdings unterstützen sie natürlich in gewisser Weise Barbiespiel.

Hmmm. Gibt es hier jemanden, der die Moral-Regeln der WoD für nützlich erachtet? Benutzt die jemand, wie sie geschrieben stehen?

Und die Anmerkung zum Barbiespiel versteh ich gerade nicht.


@Arldwulf: Du scheinst den weiten Begriff von Sandkiste zu benutzen ("Spieler machen, was sie wollen"). Den halte ich nachgerade für nutzlos. Dann spielt fast jeder Sandkiste. Sandkiste im engeren Sinne bedeutet: "Es existiert ein Angebot mehrerer unabhängiger Abenteuer, üblicher Weise verörtlich in einem fiktiven Raum. Einige dieser Angebote haben ein Verfallsdatum, einige nicht. Die Spieler können aus diesen Angeboten auswählen." Ein Metaplot ist für ein Sandkiste sicherlich nicht nötig. Es reicht wenn jedes Angebot seinen eigenen Taktgeber hat.

Ich glaube aber nicht, dass Sandkisten für das Thema hier besonders relevant sind.

Offline Tarin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #70 am: 16.05.2012 | 15:25 »
Wo wir gerade bei dem Metaplot sind, der scheint auch eine Entwicklung der ST Ära zu sein. Wie passt der ins Bild?

@root hog
Die Witchfire Trilogie ist ziemlich railroadig und präsentiert letztlich die Geschichte einer einzelnen NSC. Die Spieler dürfen diese Geschichte entdecken, zwischenzeitlich auch mal einen Dungeon leerräumen, aber es geht immer um die besagte NSC. Ohne sie funktioniert der Start nicht, ohne sie funktionieren die einzelnen Wendepunkte nicht. Die Story an sich ist auch ok, wenn auch vorhersehbar. Hat als Einstieg in die IK Spaß gemacht, nochmal würd ichs nicht spielen wollen. Das Ding ist ein klassisches Beispiel für die schlechte Version vom ST, abseits vom eigentlichen Ziel und Ideal.

EDIT:
Das mit dem Sandboxen bringt einen Gedanken ein. Ich wollte erst bejahen, dass auch ST im Optimalfall sowas wie sandboxing betreiben. Der Vampir kommt in eine Stadt (per Biss, Reise) und sieht sich einem Netz konkurrierender Interessen gegenüber, in dem er sich irgendwie zurechtfinden und seinen Platz finden muss. Wie er vorgeht, ist eigentlich egal und vom SC abhängig. Der große Unterschied ist aber, dass hier keine unabhängigen Plothooks existieren, sondern der Spieler nur den Einstieg in das große Konfliktnetz selber wählt. Er wird auf jeden Fall mit der Story, die der ST geplant hat, einbezogen (beispielsweise Verschwörungen gegen den Prinzen, Sabbathüberfälle, Anarchen, was auch immer). Er könnte höchstens die Stadt verlassen, was zumeist vom Setting wegläuft, das ja dann eher eine Stadt, vielleicht mit Umland ist. Netterweise weiß ich jetzt, was für mich an ST nicht funktioniert hat, bzw. wo ich anfing, es doof zu finden. Nämlich an dieser Stelle, wenn der große Plot, das Konfliktnetz und v.a. die Eingliederung meines SC darin mir keinen Spaß machten.
« Letzte Änderung: 16.05.2012 | 15:32 von Tarin »
Es verstößt gegen die Hausordnung, aus dem Necronomicon zu zitieren.

Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #71 am: 16.05.2012 | 15:29 »
Das Ding ist ein klassisches Beispiel für die schlechte Version vom ST, abseits vom eigentlichen Ziel und Ideal.

Gibts da nicht auch Leute, die von begeistert sind?

Was mich zu der Frage bewegt: Kann es sein, dass beim Storytelling die Qualität der Spielerlebnisses tatsächlich nicht von der Originalität der Story, sondern von den Fähigkeiten des SLs (als Erzähler) abhängt?

Könnte es sein, dass in diesem Spielstil die Fähigkeiten des SLs weitaus entscheidender sind als in den anderen Spielstilen?
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Offline Tarin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #72 am: 16.05.2012 | 15:34 »
Witchfire ist super, weil es die relativ großartigen Iron Kingdoms vorstellt und die Story auch ganz nett ist. Liest sich super, spielt sich eher ein bisschen flach.

Der Storyteller und seine Fähigkeiten sind brutal wichtig, immerhin hat er viel mehr Verantwortung als in anderen Spielstilen. Würde ich so sehen, ja.
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Offline Nocturama

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #73 am: 16.05.2012 | 15:53 »
Hmmm. Gibt es hier jemanden, der die Moral-Regeln der WoD für nützlich erachtet? Benutzt die jemand, wie sie geschrieben stehen?

Und die Anmerkung zum Barbiespiel versteh ich gerade nicht.

Man kann das so sehen, dass die Moralregeln btb eben im Spiel nicht richtig funktionieren, aber mit außerhalb des Spiels die Möglichkeit bieten, etwas über meinen Charakter auszusagen. Menschlichkeit soundso heißt halt in meiner Vorstellung, dass der Charakter nur in Notsituationen töten würde und Tugend soundso, dass er sich immer an seine Versprechen hält.

Analog zu "Töpfermeister 5", was ich vermutlich nie würfeln werde, aber mir halt die Vorstellung gibt, dass mein Charakter ein toller Töpfermeister ist.

Natürlich könnte ich das auch alles so auf einen Zettel schreiben, aber manche Spieler mögen das in harten Daten auf dem Charakterbogen.
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #74 am: 16.05.2012 | 17:41 »
Ja, das hab ich gemeint. Der Spieler kann sich das Innenleben seines Chars vielleicht besser vorstellen, wenn er weiß, dass der Conscience 4 und Humanity 5 hat. (Tatsächlich könnte das System vielleicht sogar besser funktionieren, wenn der Spieler die Schrauben selber herumdrehen darf - dann eben ganz klar als Abbildung des tatsächlichen Innenlebens des Chars... aber das nur am Rande).

Storytelling verlangt natürlich nach einem SL, der Story und Charaktere gut zusammenbringt und es schafft, eine tolle Geschichte ohne Plausibilitätsbrüche zusammenzuschrauben. Das spricht natürlich die "Autorenfraktion" unter den SLs an, die hier ihre großartigen Storys am besten an den Mann bringen können; allerdings ist das beim Storytelling nicht unbedingt erforderlich. Ich habe auch schon Storytelling mit Improvisations-Monstern gespielt, die keine vorgefertigte Story im Ärmel hatten, sondern die die Story nach den Aktionen und Motiven der Spieler entwickelt haben.

Wichtig ist aber natürlich, dass die Story irgendwo rockt, egal, wo sie eigentlich herkommt. ;) Rockende Stories sind natürlich bei anderen Spielstilen auch schön, stehen aber nicht so hoch auf der Rangliste. Unter "rocken" würde ich hier eigentlich verstehen, dass die SCs von der Geschichte emotional angesprochen werden und sich dieses "Angesprochen-Werden" auch auf die Spieler überträgt. :)

@Sandbox: Das geht beim Storytelling wunderbar. Allerdings wird hier die Sandbox auch mal spontan umgeschmissen, wenn mit einer anderen Konstellation eine bessere Geschichte rauskommt. Beim Storytelling ist das eigentlich sogar eher Pflicht!
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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