Wenn ich weiß, dass der NSC Angriff 17 hat, wird die gewürfelte 18 für mich umso bedeutsamer, da ich sehe: Das hier ist fair! Es ist nicht einfach: Der SL hat schlecht gewürfelt, sondern ein echter Misserfolg des NSCs.
OK, das ist wieder das alte Thema, ob man dem SL vertraut, daß er fair spielt; aber wie ich dich verstehe, nicht dein Kernanliegen.
Worum es eigentlich geht, ist: Wenn alle alles wissen, können sie damit arbeiten. Sie können Dinge gezielt anspielen. Wenn ein Spieler auf dem Charakterblatt stehen hat: "Gesuchter Verbrecher in Nahostburg" oder "Angst vor großen Höhen" oder "Dunkles Geheimnis: Kann lesen, obwohl es verboten ist" und kein anderer am Spieltisch weiß es, dann wird das Triggern und Einbauen dieser Dinge immer nur am SL hängen und die Spieler nicht voll miteinbeziehen.
Wer sagt, daß es immer nur am SL hängt? Der Spieler, der sein Geheimnis hütet, hat doch selbst auch ein Interesse daran, daß es eine Rolle spielt. In einer hinreichend komplexen Spielhandlung bieten sich die Aufhänger von selbst, ohne daß sie "gezielt angespielt" werden müßten.
In der Praxis habe ich es eher so erlebt: In Spielrunden
ohne Geheimniskrämerei ging das Rumgeeier los "Ich muß dich doch jetzt hier mit deinem finsteren Geheimnis anspielen". Wer sagt denn, daß ich als Spieler will, daß mein finsteres Geheimnis
gleich in der ersten Spielsitzung zum Tragen kommt? Was, wenn es erst eine Weile nebenher läuft und sich hochschaukelt, und in der Mitte der Kampagne erfahren erst die anderen Charaktere davon?
Erfahrungswert meinerseits: Ohne "Geheimniskrämerei" entlockt das den Mitspielern als Reaktion höchstens ein "Na, endlich haben wir diesen Punkt auch abgearbeitet."
Mit "Geheimniskrämerei" dagegen fallen Kinnladen runter, ergeben sich echte Wow-Effekte, Fassungslosigkeit am Tisch, sprich: richtiges Drama.
"Vernünftige Story" (vielleicht ein schlechter Ausdruck dafür, zugegeben) ist für mich eine Story, bei der die Erzählrechte und die Erzählverantwortung nicht auf Seiten des SLs steht, sondern wo jeder am Spieltisch Anteil daran nimmt. Story wird so nicht nur vom SL gesteuert,
Bis hierher stimme ich dir zu.
sondern die Spieler können gezielt Entwicklungen ansteuern.
... und das ist genau das, was für mein Empfinden die Spielsitzung in einen Krampf ausarten läßt. Meiner Erfahrung nach geht dann das Lockere flöten, das Gefühl, einfach auf Teufel komm raus seinen Charakter ausspielen zu können. Stattdessen wird auf der Meta-Ebene ausdiskutiert, wie es denn jetzt am besten weitergehen sollte, und es wird eher gemeinsam geplottet als gespielt.
Ich habe häufig in Gruppen gespielt, in denen Metagaming verpöhnt war: Ergebnis waren häufig in sich so zersplitterte Spielergruppen, dass jeder nur sein Ding gespielt hat, weil keiner was vom anderen wusste.
Dieses Risiko besteht, ja. Solche Abende habe ich auch erlebt. Allerdings als absolute Ausnahme. Und die vielen dramatischen, emotionalen Momente, die ich dafür in 24 Jahren "Geheimniskrämerspiel" erleben durfte, waren solche Ausrutscher mir tausendmal wert.
Im Gegenzug kamen mir die metagaming-lastigeren Runden, in denen ich mitgespielt habe, immer eher vor wie das Abarbeiten eines Drehbuchs, aber nicht wie ein Spiel. Die Würfel waren da wirklich
das einzige, was etwas Ungewißheit ins Spiel gebracht hat, und das ist mir persönlich zu wenig.
Das Problem ist außerdem: Es ist vollkommen unmöglich, Metagaming total aus dem Spiel rauszuhalten – dazu müsste der SL auch die Werte der SCs geheim halten. Es gibt vielmehr verschiedene Grade von Metagaming. Ein bisschen Meta ist grundsätzlich erstmal jedes Spiel...
Stimmt natürlich, und den Versuch, das auf 0 zu senken, betrachte ich als genauso schädlich wie ein Zuviel an Metagaming. Die Frage ist nur, wo man da seine Grenzen zieht.
Metagaming bedeutet für mich: Die Karten liegen auf dem Tisch!
... und
genau das stört mich daran! Als Spieler will ich meine "Karten" ausspielen,
wann es mir paßt. Und ich will, daß die anderen noch Spaß an der Überraschung haben, und nicht die ganze Spielrunde eh schon darauf warten, wann ich denn endlich meinen Kreuzbuben ziehe.