Autor Thema: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")  (Gelesen 52853 mal)

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Offline Timberwere

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Von außen mochte die Halle aussehen wie ein Wikingerlanghaus, aber innen hatte sie mehr Ähnlichkeit mit einem britischen Gentleman’s Club: Ein breiter Eingangsbereich, wo ein großer Haufen Waffen säuberlich in Regalen geordnet war, dann führten ein paar Treppenstufe nach unten in einen großen Saal. Im Raum verteilt standen kleine Sitzgruppen, mehrere Ständer mit Magazinen und Dutzende von Bücherregalen. Etliche Leute saßen auf gemütlichen Sesseln oder eleganten Bistrostühlen, spielten Schach oder Kartenspiele, diskutierten über alles mögliche und aßen Flammkuchen. Auf den Tischen stand Bier, aber nicht in großen Krügen, sondern in künstlerisch geformten Flaschen mit merkwürdigen Etiketten.

Es war warm in Heorot. Sehr warm. Die Anwesenden trugen größtenteils dünne Bademäntel, manche auch Boxershorts oder überhaupt nichts. Das war nicht immer allzu schön anzusehen - ein Großteil der Leute war männlich, nicht allzu jung und behaart wie ein Yeti. Die wenigen Frauen unter ihnen schienen sich an dem Anblick aber nicht zu stören. Einen Bikini trug trotzdem nur eine, der Rest hatte etwas mehr an.

Schuld an der Hitze war das große, wild lodernde Feuer in dem weiten Kamin. Ein paar… was waren das für Wesen? Zwerge? Gnome? “Hauselfen”, schoß es mir durch den Kopf. Dem Harry-Potter-Thema hatte ich ja schon in Edinburgh nicht entgehen können, nur waren diese Wesen hier besser gekleidet als Ms. Rowlings Hauselfen. Sie huschten durch den Raum, füllten hier ein paar Getränke auf, brachten da ein paar Pastetchen, räumten Bücher zurück in die Regale… und schleppten gerade einen halben Baumstamm, der viel zu schwer für sie war, zum Kamin.
Selbst über das Murmeln der Einherjar hinweg konnte ich die Stimme des Feuers hören: “Kssss… issst dassss etwa Eichenholz? Dasss isssst gar nicht heisssss… ich wollte doch Buche! Buche!” Ein paar missmutige Flammen schlugen nach den ... Hauselfen, und die kleinen Wesen sprangen hektisch beiseite. Den Baumstamm ließen sie fallen und huschten davon.

“Holder Halfðan, willkommen zurück in Heorot”, sagte eine leise Stimme. Neben der Gruppe stand ein ...wasauchimmer... Hauself mit einem geschwungenen Schnurrbart, hinter dem das alte, faltige Gesicht fast verschwand. Aus irgendeinem Grund schien er einen britischen Akzent zu haben, wie ein Butler aus einem Upper-Class-Krimi. Einer von denen, wo der Detektiv es unglaublich schwer hat, weil er reich ist und gut aussieht und das Gefühl hat, die Leute würden ihn allein darauf reduzieren. Dieser Butler-Elf hier trug sogar eine Art Anzug, und er hatte definitiv Schuhe und Socken an. Und irgendwie schaffte er es, Halfðan gleichzeitig respektvoll und missbilligend anzusehen.
Der Einherjar hatte ihn gar nicht bemerkt und zuckte bei seinen Worten zusammen.
“Hallo, Ranulf”, sagte er lahm und lächelte unsicher. “Bringst du mir bitte mal ein Bier?”
“Gewiss, holder Halfðan”, erwiderte Ranulf mit einer leichten Verbeugung. “Das wird Euch nach der Erfüllung Eurer Pflichten gewiss munden.”
Dann wandte er sich von dem stämmigen blonden Krieger ab, begrüßte Astrid mit einem aufrichtigen Lächeln und verneigte sich schließlich vor mir. “Seid gegrüßt, Fremdling. Ein Ritter des Sommers, wie ich sehe? Darf ich euch etwas abnehmen? Etwas bringen?”
Es war ja nett gemeint, aber ich lehnte dankend ab. Erstens hatte ich gerade andere Dinge im Kopf, und zweitens war das hier immer noch das Nevernever. Was mich daran erinnerte, dass ich Eileen bei Gelegenheit mal fragen muss, wie das mit Essen und Trinken hier ganz grundsätzlich läuft.

Aber erstmal das Wichtigste. Das Feuer. Es wurde ziemlich schnell deutlich, dass das es nicht nur eine Persönlichkeit besaß, sondern die Persönlichkeit eines ziemlich verzogenen Teenagers. Es konnte Halfðan sichtlich nicht ausstehen, und Astrid noch viel weniger.
Den grünhäutigen Orc – Moment. Was? Orc? Tatsächlich. Der sah aus wie der sprichwörtliche Fantasy-Orc. Eindeutig mehr Arcanos oder World of Warcraft als die Herr der Ringe-Filme  – der beim Kamin saß, schien dessen flackernder Insasse hingegen tatsächlich zu mögen. Und mich erstaunlicherweise auch, denn mich blaffte es nicht an, sondern mit mir redete es ganz friedlich.

Dabei kam heraus, dass das Feuer tatsächlich ein Bewusstsein hatte und nicht einfach nur magisch animiert war. Auf mich wirkte es wie ein Kind, oder vielleicht besser wie ein Teenager; wie ein ziemlich verzogener Teenager dazu. Den blonden Krieger redete es mit „Onkel“ an und sprach von Astrid als seiner „Schwester“, was mich erst stutzen ließ und dann fieberhaft nachdenken. Wenn Sigthor Oddson jemanden geschwängert hatte – denn jeder, mit dem Sigthor Oddson schlief, wurde ja immerhin schwanger, wie ich gelernt hatte – wer zum Nether war dann die Mutter? Ich hatte da einen ganz, ganz, ganz schrecklichen Verdacht. Was, wenn es Lady Fire wäre? Oh, santísima madre.
Andererseits, das Feuer schien ja ganz nett. Wer weiß, vielleicht wäre das ein allererster Schritt zu einer möglichen Aussöhnung?

Jedenfalls stellte sich sehr schnell heraus, dass es weder in Heorot bleiben, noch die Einherjar es weiter dort sehen wollten. Astrid sprach den Gedanken aus, der mir flüchtig durch den Kopf gegangen war, den ich aber nicht zuende zu denken gewagt hatte: ob ich das Feuer vielleicht mitnehmen könne in meine eigene Welt.
Unser zickiger Halbwüchsiger war gleich – nein, ich sage jetzt nicht 'Feuer und Flamme', das wäre zu billig – ziemlich begeistert von der Idee. Hauptsache hier wegkommen, meinte es, und auch die diversen Umstehenden waren durchaus ebenfalls dieser Meinung.
Na gut, sagte ich, aber nicht in meine eigene Welt. Ein lebendes Feuer in mein Apartment zu holen, kam so überhaupt nicht in Frage. Nicht mit Jandra, die seit ihrem Erlebnis mit Lady Fire ohnehin auf Feuer fixiert ist, die ständig von ihrer besten Freundin Monica besucht wird, welche wiederum ganz am Anfang ihrer Magierausbildung steht – Spezialisierung Feuer, wohlgemerkt – und bei all dem Papier in der Wohnung? Lasst mich nachdenken... Ähm, nein.
Aber in Pans Palast ginge es vielleicht. Da ist dieser riesige Kamin in Pans Großer Halle, der ohnehin nie benutzt wird und wo sich ein Bewohner vielleicht ganz wohl fühlen würde.
Dieser Alternativvorschlag war für das Feuer auch in Ordnung – egal was, nur weg hier, nehme ich an. Lustigerweise wollten die anderen sich ebenfalls alle anschließen: Den Fantasy-Orc (der übrigens selbst nicht wusste, wie er hierher gekommen war, und der keinen anderen Namen kannte als Orc Nummer Vier) wollte das Feuer ja schon ganz gern dabeihaben, aber auf Halfðan und Astrid hätte es gerne verzichten können, wie es uns lautstark wissen ließ. Da war aber nichts zu machen, die beiden wollten auch mit, und wer war ich, um sie daran zu hindern? Außerdem konnte keiner der drei vermutlich ewig in Pans Palast bleiben, oder überhaupt wollen. Der Orc fragte mich schon, ob es dort viel zu kämpfen gebe. Naja, zwei Gelegenheiten zum Kämpfen im Jahr konnte ich ihm immerhin versprechen (wobei die Kämpfe zur Winter- und Sommersonnenwende bei uns ja meist auch nicht so blutig daher kommen, wie ein kriegerischer Orc das vermutlich gerne hätte), aber ich zweifelte doch immer noch ziemlich daran, dass unsere Begleiter es sonderlich lange in Pans Hofstaat aushalten würden.

Ehe wir gingen, erinnerte ich Astrid aber noch an ihr Versprechen mit den drei Sonnenhaaren. Die Kriegerin wollte sich erst etwas zieren, aber das Feuer loswerden wollte sie dann doch lieber, und den Einherjaren in der Halle war es auch lieber, die Haare und ihre wärmende Wirkung zu verlieren, als das Feuer behalten zu müssen, also bekam ich sie am Ende dann doch.
Eines meiner Bücher durfte ich dann zu dem Zweck sogar auch noch signieren. Wobei ich die Haare vermutlich auch ohne Autogramm bekommen hätte, aber der Einherjar, der es sich im warmen Licht der Haare in einem Lehnsessel gemütlich gemacht hatte, las lustigerweise gerade Cuban Ghosts, und die Tatsache, dass dessen Autor die Haare haben wollte und ihm eine ausführliche Widmung ins Buch schrieb, war der Sache sicherlich nicht ganz abträglich.

George, noch immer in Pferdegestalt, hatte die ganze Zeit über geduldig draußen vor der Halle gewartet. Jetzt bat ich ihn, uns zurück in Pans Reich zu bringen, und schwang mich in den Sattel. Warum, weiß ich gar nicht so genau; vielleicht, weil ich dachte, so könnte George uns den Weg leichter zeigen. Oder warum auch immer. Vielleicht wollte ich auch einfach nur eine vornehme Gestalt abgeben, so hoch zu Ross.

Jahaaa. Y una leche. Kaum saß ich im Sattel, galoppierte George los, und das war es dann mit meiner vornehmen Gestalt hoch zu Ross. Ich zog einige Male am Zügel, wollte meinem kleinen Wyldfae-Freund aber auch nicht zu fies im Maul herumzerren, ganz abgesehen davon, dass ich alle Mühe hatte, mich oben zu halten. Ich rief George zu, er solle anhalten, aber der dachte gar nicht daran, und sehr schnell waren die anderen hinter uns verschwunden. Und zwar nicht einfach nur hinter uns, weil George so schnell galoppierte. Sondern die Landschaft veränderte sich rapide, und dann waren wir schon wieder an einem ganz anderen Ort. Und ich fiel unsanft zu Boden, weil da nämlich plötzlich kein Pferd mehr unter mir war. Überhaupt kein George, egal in welcher Gestalt. Ich war wieder in meiner eigenen Welt.
« Letzte Änderung: 13.11.2016 | 22:23 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Zitat von: Shield Warden
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Der Orc Nummer Vier wurde übrigens aus einer dieser "Darf der SL die SCs an den Haare ziehen"-Debatten geboren. :D

(Schöne Zusammenfassung!)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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*Kopfkratz* Zusammenfassung?
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: Shield Warden
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Vom letzten Teil, der ja nicht mehr geschrieben, sondern gespielt wurde. "Zusammenfassung" im Sinne von "konzise, gut lesbare Verschriftung des Geschehenen". ;)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Ja, nur es war ja ein Diary wie alle anderen, die nicht gerade ein SST waren, auch. :)
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Zitat von: Shield Warden
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Ricardos Tagebuch: White Night 6

Ich befand mich also wieder in meiner eigenen Welt. Soviel zumindest war klar, denn sonst wäre George noch da gewesen. Aber wo war ich? Ich rieb mir das schmerzende Hinterteil und sah mich um. Ich befand mich auf einer kleinen Anhöhe, unter bleigrauem Novemberhimmel. Vor mir, unterhalb der Anhöhe, eine Wasserfläche von beachtlicher Größe, umgeben von Moor- und Heidelandschaft auf der einen Seite, einem Waldstück auf der anderen. Berge – oder waren das noch keine Berge, sondern nur Hügel? – in einiger Entfernung. Das sah mir aus wie Schottland. Ich war in den Highlands. Und dann musste das da unter mir der Lochan Dubh nan Geodh sein. Aber warum hatte George mich gerade jetzt hierher gebracht?

Stimmen machten mir klar warum. Denn als ich in die entsprechende Richtung sah, erkannte ich unten am Ufer sechs mir nur allzu wohlbekannte Gestalten. Das waren die Jungs mit Gerald und seinem Sohn, und offenbar wollten sie genau jetzt das Ritual abhalten. Okay, George, alter Kumpel, ich nehme alles zurück.

Dass ich so plötzlich aus dem Nichts auftauchte, wunderte die Jungs natürlich genauso wie mich, und da die Nerven etwas angespannt waren, konnte ich vermutlich ganz froh sein, dass ich nicht von einem Zauber empfangen wurde. Aber als sie mich dann mal erkannt hatten, waren sie doch ganz froh, mich zu sehen, glaube ich.
Ehe es losging, ließ ich mir aber erstmal erzählen, was ich alles verpasst hatte, und berichtete selbst von meinen Erlebnissen in der Sommerhalle. Als ich erzählte, dass ich es für grundsätzlich möglich hielt, dass das Feuer das Kind von Sigthor und Lady Fire sein könnte, sah Alex mich an, als sei ich völlig verrückt geworden. „Und dann hältst du es für eine gute Idee, Lady Fires Kind in den Thronsaal ihres Feindes zu bringen? Was, wenn es für seine Mutter spioniert?!“
Oh oh. So weit hatte ich in meinem Bemühen, an die Sonnenhaare zu kommen, natürlich wieder mal nicht gedacht. Ganz schlau, Alcazár, echt.

Ich selbst hatte auch ein paar Sachen verpasst. Seit meinem Aufbruch ins Nevernever waren hier in der echten Welt einige Tage vergangen. Den erfolgreichen Abschluss von Operation Valinor hatte ich ja noch mitbekommen, und als ich dann abgereist war, fingen die anderen an, die Ritualzutaten für die Aktion hier zu besorgen. Oh, und sie hetzten Camerone Raith gegen Anabel auf. Muahahahaha. Da wäre ich gern dabei gewesen. Aber es klang auch schon aus den Erzählungen der Jungs ziemlich cool, ein echtes Raith'sches Meisterstück seitens Totilas. Der überzeugte seine Tante nämlich, dass er Gerald absetzen wolle, dass er die Geschäfte übernehmen wolle und dass Gerald, wenn er mit ihm fertig sei, keinen Fuß mehr nach Miami werde setzen können – und Gerald werde keinerlei Zweifel daran haben können, dass es Totilas gewesen sei, der ihm das eingebrockt habe.
Ich wiederhole mich, aber: Muahahahahaha. Perfekt mit der reinen Wahrheit über den Tisch gezogen.

Spencer Declan hetzten sie auch Richtung Anabel, frei nach dem Motto, dass es für die Stadt nicht gut wäre, wenn da jetzt plötzlich so ein ganz neuer Mitspieler auftauchen würde. Anabel, die Declan um ein Treffen gebeten hat, hat wohl einen Termin in zwei Wochen genannt bekommen. Und noch ein kleines Muahahaha.

Jetzt, hier am See, hatten die Jungs schon so gut wie alles fertig. Richard und Roberto würden mit ihren eigenen Ritualen beginnen: Roberto würde die Umgebung vorbereiten, wenn ich das richtig verstanden hatte, Richard würde den Dämon aus Gerald herausziehen, und Edward den Dämon in den See treiben. Und das würde richtig schwierig werden, das konnte er jetzt schon sagen. Die Jungs hatten schon einige Dinge dafür eingesammelt, während ich im Nevernever war, aber ob das ausreichen würde? Ich bot eine Blutspende an, weil ich von Edward ja weiß, dass Blut ein Ritual tatsächlich erleichtert, aber so weit würde es nicht kommen müssen, meinte er. Soweit er sagen könne, hätten sie genug Sachen vorbereitet. Aber falls es hart auf hart kommen würde, wollte er nochmal darauf zurückkommen, meinte er. Si, claro, weil das in der Hektik auch gerade so gut gehen würde. Aber gut, mir in die Hand schneiden und etwas Blut wohin auch immer tropfen lassen, könnte ich vermutlich tatsächlich auch in einiger Eile.

Ehe es losging, warnte Richard uns, dass wir ihn auf jeden Fall im Auge behalten müssten. Immerhin würde das Ritual vermutlich ziemlich an den Kräften zehren, und das wiederum würde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Richards Red Court-Infektion hochkochen lassen. Erkennen könnten wir das daran, dass seine Tätowierungen die Farbe verändern würden: je greller rot, desto kürzer stünde er davor, die Kontrolle zu verlieren. „Alles klar“, sagte Alex, „darum kümmere ich mich“, und bastelte aus der Batterie des Mietautos einen Taser, um Richard falls nötig ausknocken zu können. Totilas und ich hingegen wollten Richtung Klippe und Richtung See die Umgebung sichern beziehungsweise Edward schützen, so gut wir konnten.

Richard und Roberto begannen zuerst mit ihren jeweiligen Teilen des Rituals, dann kam Edward dazu. Ich konnte gar nicht genau sehen, wann es soweit war, aber dann wurde mit einem Mal sein Dämon aus Gerald herausgezwungen. Es war ein ziemlich beunruhigender Anblick, weil der Dämon tatsächlich haargenau so aussah wie Gerald selbst, nur eben etwas blasser. Die Kreatur zögerte kaum einen Herzschlag lang, dann rannte sie davon, was das Zeug hielt. Totilas, der Richtung See die Stellung hielt, war dem Dämon sofort auf den Fersen, aber der kam gar nicht weg. Er prallte von der unsichtbaren Barriere ab, die Edward mit dem Ritualkreis vorher gezogen hatte, fauchte wütend auf und hatte sich im Nullkommanichts von dem Hindernis abgewandt, ehe er auf Edward zustürmte. Damit hatte ich nun wiederum so halbwegs gerechnet, und vor allem stand ich auch so, dass ich mich dem Dämon ziemlich gut in den Weg stellen konnte. Glücklicherweise, denn der war richtig schnell. Ich hatte auch ein wenig den Eindruck, dass er zurückprallte – weniger vor mir, aber vor der Sommerklinge in meiner Hand. Ob er an Jade vielleicht nicht vorbeikonnte?

Während der Dämon zurückzuckte und ich ihm, so drohend ich konnte, mein Schwert entgegenhielt, warf Totilas sich von hinten auf ihn. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass der See zu brodeln begann: Irgendetwas darin schien zu erwachen, oder vielleicht war es auch schon wach und kam jetzt einfach an die Oberfläche geschwommen.
Jetzt überwand der fahle Dämon seinen Schrecken, oder vielleicht besann er sich auch einfach auf seine unglaubliche Schnelligkeit. Jedenfalls tanzte er einfach um mich herum und auf Edward zu, und ich hatte keinerlei Chance, ihm hinterherzukommen.
Aber glücklicherweise waren Roberto und Alex ja auch noch da. Alex tat dasselbe, was ich auch getan hatte, und warf sich dem Gerald-Abbild in den Weg, während Roberto irgendwas rief. Ich weiß gar nicht, ob es ein Zauber war oder einfach nur Robertos Persönlichkeit, aber er... mierda, wie sage ich das, er machte sich wichtig. Plötzlich wirkte es so, als sei Robertos Anteil am Ritual der größte und wichtigste – sogar für mich, obwohl ich ja wusste, dass Robertos Part eigentlich schon getan war und nur Edward die Sache am Laufen hielt.
Jetzt packte der White Court-Dämon Alex und warf ihn nach Roberto, um ihn aus dem Tritt zu bringen – hatte dessen Ablenkungsmanöver also geklappt. Sehr gut. Also nicht gut für Alex und Roberto, die beide davon zu Boden gingen, aber gut für Edward, dessen Ritual nicht unterbrochen wurde. Dafür bekam Totilas plötzlich silbrige Augen, als dessen eigener Dämon die Kontrolle übernahm und ganz offensichtlich die Essenz von Geralds dämonischem Ebenbild in sich aufnehmen wollte, um sich selbst zu stärken. Derweil versuchte ich, die Aufmerksamkeit des wirtslosen Schemens auf mich zu ziehen, aber ich hätte genauso gut meilenweit weg stehen und leise flüstern können: Totilas' Dämon war einfach ungleich wichtiger und gefährlicher für Geralds Abbild als ein kleiner Cardo mit seinem Sommerschwert.

Das war der Moment, in dem Edward noch einmal alle Kraft zusammennahm und das Ritual mit einem Paukenschlag beendete. Der Dämon heulte auf und wurde unerbittlich in Richtung See gezogen, dessen Brodeln und Zischen in den letzten Minuten stark zugenommen hatte. Aber da die White Court-Dämonen ja angeblich alle aus genau hierher gekommen waren, hofften wir, dass der See, oder besser der Schutzmechanismus, der auf ihm lag, den Neuankömmling nicht abstoßen würde.
Totilas, dessen Augen noch immer silberfarben waren, dessen Dämon also noch immer zumindest zum Teil die Kontrolle hatte, wollte dem  Gerald-Schatten hinterher. Von uns allen stand ich ihm am nächsten, und ich konnte nicht zulassen, dass unser Freund ebenfalls in den See gezogen werden würde, also hielt ich ihn zurück. Der Dämon drehte sich um, und seine silbernen Augen bohrten sich in meine, und ich war mir sicher, dass er jetzt über mich herfallen würde, hungrig, wie er sein musste. Schon hatte er mich gepackt, aber dann fuhr er mit einem Mal herum. Von Roberto ging noch immer diese Aura der Wichtigkeit aus, und so ließ Totilas mich los, machte die paar Schritte hinüber und küsste Roberto, was unseren White Court-Freund nach ein paar Sekunden des Stärkens wieder genug zu sich kommen ließ, dass seine Augen ihre normale Färbung annahmen und er sich von seinem Opfer löste. Und ich bin mir nicht zu fein zu gestehen, dass ich massiv dankbar dafür war, so davongekommen zu sein.

Erst jetzt hatten wir wieder Augen für Gerald selbst. Der war zusammengebrochen, und sein Sohn kniete über ihm. Richards Schutztätowierungen waren hellrot, und seine Zähne traten bereits größer und spitzer hervor, als Zähne das eigentlich tun sollten. Alex schnappte seinen Autobatterie-Taser und verpasste dem Infizierten einen Stromstoß, während ich ihm mit dem Schwertknauf einen Schlag überbriet. Als Richard daraufhin verwirrt zu uns aufsah, begann ich, auf ihn einzureden, und es gelang mir tatsächlich, ihn wieder einigermaßen zur Vernunft zu bringen. Aber das kräftezehrende Ritual hatte seine Spuren hinterlassen: Totilas' Vater brauchte Nahrung, um nicht doch wieder auszuticken, und zwar schnell. Also kam ich doch noch zu meiner Blutspende, auch wenn wir natürlich nicht zulassen konnten, dass Richard mich biss. Stattdessen ließ ich Blut in die Schale tropfen, die Roberto für seinen Teil des Rituals benötigt hatte – genug, um den Infizierten zu sättigen, und genug, dass mir ziemlich schwummrig vor Augen wurde, aber es ging.
Gerald erholte sich auch ziemlich bald, zumindest so viel, dass wir ihm aufhelfen konnten. Er war zwar völlig erledigt, wirkte aber unsagbar glücklich. Kein Wunder, so sehr, wie er sich danach gesehnt haben musste, endlich kein Vampir mehr zu sein.

Im See war irgendetwas auf uns aufmerksam geworden, sagten Edward und Roberto, das hätten sie während des Rituals gespürt. Und oben an der Klippe waren drei Gestalten aufgetaucht, bemerkten wir jetzt. Schwarze Gestalten, irgendwie baumartig, aus einem Holz, das keiner von uns näher bestimmen konnte, wobei wir ja auch alle zu weit weg waren, um Näheres darüber sagen zu können. Gruselig jedenfalls, sehr gruselig. Wie Ents aus Mordor, wenn man so will. Um sie herum konnte Alex eine Art Verzerrung spüren, ließ er uns wissen: sowohl hier in der echten Welt als auch im Nevernever. Und irgendwie hatte Alex ein ähnliches Gefühl wie bei Jack, also dem bösen Jack von den Outer Gates, wohlgemerkt. Er würde sich nicht wundern, wenn diese Gestalten ebenfalls von den Outer Gates kämen, meinte er. Sie wirkten jedenfalls keineswegs freundlich, eher das Gegenteil, aber so, wie sie da oben standen und beobachteten, schien es uns, als wollten sie erst einmal abwarten und nur schauen, was hier unten passierte. Trotzdem sahen wir zu, dass wir uns schleunigst davonmachten. Im Auto erklärten Edward und Roberto dann, dass keiner von beiden je irgendwas von solchen oder auch nur ähnlichen Kreaturen gehört hatte, und das ist für sich genommen schon seltsam genug.

Im Wegfahren konnten wir sehen, dass die drei Figuren inzwischen den Abhang herunter gekommen waren. Sie bewegten sich auf den See zu, aber sie trauten sich nicht ganz bis an dessen Ufer. Es sah nicht so aus, als würden sie an eine unsichtbare Barriere stoßen, sondern eher so, als wüssten sie selbst nicht so recht, was sie tun sollten, also bewegten sie sich widerwillig und unentschlossen vor und zurück.

Am See selbst hatte es die ganze Zeit kein Handynetz gegeben. Irgendwann auf halbem Weg Richtung Wick, wo der Privatjet stand, den Gerald für die Aktion hatte springen lassen, gab Totilas' Telefon plötzlich Laut. Es war eine SMS seiner Cousine Cherie: „Anabel Katze Kanarienvogel, sagt Hilary. Komm schnell heim!“ Oh, mierda. Das klang dringend. Keine Zeit für die Sonnenhaare, keine Zeit für mein Gepäck in Edinburgh, wir mussten sehen, dass wir nach Hause kamen. Also rief ich im Hotel an und bat sie, mir meinen Koffer schicken zu lassen, und die Haare behielt ich auch erst einmal bei mir. Gerald ließen wir in Edinburgh zurück: Er will sich hier ein paar Tage ausruhen und dann weitersehen, meinte er. Aber wir sollten uns keine Sorgen um ihn machen, ihm gehe es prima. Und so sah er auch aus. Richtiggehend erlöst im Vergleich zu vorher.

Ehe wir abflogen, rief ich noch bei Yolanda an und bat sie, doch bitte Pan vorzuwarnen, dass da jemand käme: ein lebendes Feuer, ein Einherjar und ein Orc. Und ja, mir war völlig bewusst, wie das klang, da brauchte mein Schwesterchen nicht erst ungläubige Geräusche zu machen. Aber immerhin erklärte sie sich bereit, Pan bescheid zu sagen. Ich rief auch im „Old Cauldron“ an, um Warden Hawkins zu informieren, dass ich erfolgreich gewesen sei und ihm die Haare demnächst bringen werde, aber irgendwie war der Barkeeper etwas schwer von Begriff oder hatte keine Lust, dem Warden etwas auszurichten, und ich hatte nicht den Eindruck, dass ich zu ihm durchdrang. Also schickte ich von Wick aus kurzerhand ein Telegramm nach Edinburgh.

Und jetzt sitzen wir hier in unserem Privatjet, und ich habe die Zeit genutzt, um das alles aufzuschreiben. Und das Essen ist auch richtig gut. An dieser Art des Reisens könnte ich echt Gefallen finden.
Aus, Alcazár. Erfolgreicher Schriftsteller oder nicht, jedesmal Privatjet ist trotzdem nicht drin. Gewöhn' dich besser nicht daran.

---

Oh oh. Eben bekam Totilas wieder eine SMS von Cherie. „Erdbeben. Nur hier. Nichts kaputt. Seltsam.“
Totilas schrieb sofort eine SMS zurück: „Wo ist 'hier'?“, und Cherie antwortete ebenfalls umgehend: „Raith Manor“.

Mierda. Wir haben noch zwei Stunden bis zur Ankunft, können rein gar nichts machen. Wir können ja schon froh sein, dass das Flugzeug überhaupt mit Netzverbindung ausgestattet ist und Nachrichten durchkommen.

---

Wieder eine SMS gerade. „Noch ein Erdbeben. Wir evakuieren.“
Totilas hat uns erklärt, 'evakuieren' ist der Plan, um die menschliche 'Herde' – wie ich das Wort hasse, aber so nennen die Vampire es nun mal, cólera – in Sicherheit zu bringen. Es gibt keinen festen Treffpunkt, kein koordiniertes Sammeln an einem Punkt A oder B, sondern die menschlichen Bewohner des Hauses sollen einfach ein paar Stunden shoppen oder ins Kino gehen oder ihre Zeit sonstwie verbringen.

Eine Stunde noch. Wir sitzen wie auf Kohlen. Lenk dich irgendwie ab, Alcazár. Schreib was. Mach Übungen mit Jade. Haha.
« Letzte Änderung: 29.11.2016 | 11:30 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Sehr schön. :)

...ich bin mir aber nicht sicher, ob Edwards Teil des Rituals wirklich als "Hauptarbeit" im Vergleich zu Richards und Robertos Ritualen zählt. Das klingt, als wäre der Teil, bei dem der Dämon aus seinem Wirt herausgelöst wurde, irgendwie simpel oder zweitrangig gewesen.  :P

Ich freu mich jetzt schon auf Cardos Gefluche, wenn er diesen Abschnitt nach McCoys Besuch noch mal liest. :D
« Letzte Änderung: 25.11.2016 | 23:29 von Bad Horse 8 »
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Ich auch. Mal sehen, ob er das Nichtmehrwissen mit dem Besuch in Verbindung bringt, oder mit seiner blühenden Phantasie begründet. :)
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das mit Vorbereitung und Hauptarbeit kam bei mir irgendwie so an, sorry. Mal sehen, ob sich das noch elegant ändern lässt.

Edit: So, jetzt.
« Letzte Änderung: 29.11.2016 | 11:14 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Zitat von: Shield Warden
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Okay. Das war... 'schräg' wäre untertrieben. Und viel zu harmlos ausgedrückt. Sagen wir: Das war übel. Es gab Verluste. Und Raith Manor liegt wieder mal in Trümmern.

Sofort nach unserer Landung fuhren wir zum Anwesen der White Courts. Vor dem Gelände hatte sich eine ziemliche Menschenmenge angesammelt, dazu mehrere Polizeiwagen, auch ein oder zwei Einsatzfahrzeuge des Katastrophenschutzes, die aber alle mit abgestelltem Motor einfach nur dastanden und nichts taten – die Fahrzeuge ebensowenig wie ihre Besatzungen. Oh, und die Presse war auch da. Fernsehübertragungswagen, gestylte Reporterinnen, wie man das so kennt. Und warum? Weil über Raith Manor ein Schneesturm wütete. Und zwar nur über Raith Manor. Eine einzige, örtlich begrenzte Wolke über dem Haus, die der Meteorologe, der von der gestylten Reporterin gerade interviewt wurde, der geneigten Zuschauerschaft gerade mit dem Begriff 'Mikroklima' zu erklären versuchte.

Bei dem ganzen Chaos war es ziemlich leicht, sich unbemerkt auf das Gelände zu schleichen. Dort, außer Sicht der Gaffer draußen, aber noch vor der Wolke, hielt Totilas an und überlegte laut, ob der Schneesturm vielleicht von der Anwesenheit des lebenden Feuers ausgelöst worden sein könnte, um das Gleichgewicht zu wahren gewissermaßen? Aber das hielt ich nicht für sonderlich wahrscheinlich. Denn das Feuer und seine Begleiter hatte ich ja zu Pans Palast geschickt, also warum sollte die Auswirkung, falls es denn eine Auswirkung gäbe, sich ausgerechnet hier zeigen? Na gut, es könnte natürlich auch sein, dass das Feuer eben nicht in Pans Palast herausgekommen war, sondern hier, aber das hielt ich ebenfalls für ziemlich weit hergeholt. Nicht völlig ausgeschlossen, aber doch ziemlich fragwürdig.

Mit dem ersten Schritt in den Schneesturm hinein befanden wir uns in einem eisigen Inferno. Der Wind – von dem wir außerhalb der Wolke keinen Ton gehört hatten – blies uns mit voller Wucht um die Ohren, und wir kamen dagegen kaum an, wurden unerbittlich zurückgedrängt, wenn wir nicht mit allen Kräften dagegenhielten. Schon bald hatte Totilas uns andere abgehängt – er ist nun mal einfach der Ausdauerndste und Stärkste von uns.

Im Gebäude ließ das Getöse des Sturms etwas nach – aber gut sah es da drinnen nicht aus. Die große Vorhalle war ein Trümmerfeld, und um uns herum knackste und knarzte es, als werde gleich alles einstürzen. Die Marmorstatuen in Lebensgröße, die sonst immer zu beiden Seiten des breiten Treppenaufgangs gestanden hatten, lagen zerborsten herum, von den Wänden und der Decke war Mörtel gebröselt, und der Boden war von Schutt übersät.
Mitten in der Halle stand Totilas. Er hielt eine Kreatur am Schlafittchen gepackt – ein Eisgoblin, wie mir später klar wurde – und zischte den gerade wütend an. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Du rufst deine Freunde, und ihr haut ab... oder es ergeht euch wie deinem Kumpel da.“
Der 'Kumpel da' war die reglose Gestalt eines weiteren Eisgoblins, der verkrümmt an einer Wand lag. Das sah schwer danach aus, als habe Totilas ihn einfach gepackt und gegen die Mauer geschleudert. In einem derartigen Badass-Modus habe ich unseren White Court-Freund selten gesehen.
„Ok, ok, ok“, winselte der Goblin. „Wir sind ja schon weg!“
Totilas brach ihm noch ein Stück Zahn ab und hielt es ihm vor das Gesicht. „Jetzt weiß ich immer, wo du bist. Also keine Tricks!“
„Ok, ok, ok“, jaulte der Goblin wieder. „Lass uns gehen, wir wollten doch nur Party machen! Sie haben gesagt, wir könnten hier Party machen!“
„Wer hat das gesagt?“ hakte Totilas nach.
„Die Menschenfrau und der Ritter! Und jetzt lass uns gehen!“
Tatsächlich ertönten in diesem Moment Schüsse von weiter hinten im Gebäude, die schnell näher kamen. Irgendwer lieferte sich da ein Rückzugsgefecht.
Wir gingen in Deckung und machten uns kampfbereit, aber es waren keine Gegner, die in die Halle gewankt kamen, sondern einige Raiths. Einer von ihnen trug Cherie über der Schulter, die schwer mitgenommen war, richtig schwer verletzt. Edward erklärte sich sofort bereit, ihr als Nahrung zu dienen, aber Roberto erklärte, Edward sei zu wichtig, zu schlagkräftig, um jetzt außer Gefecht gesetzt zu werden. Das ließ mich stutzen – Roberto, der so etwas über Edward sagte? Aber gut, er hatte ja recht, und Roberto ist nichts, wenn nicht pragmatisch. Also blieb Roberto zurück, und Totilas blieb bei ihm, um aufzupassen und Cherie rechtzeitig von Roberto wegzuziehen, weil sie ihn sonst vermutlich umbringen würde. Alex, Edward und ich hingegen machten uns auf den Weg tiefer in das Gebäude hinein.

Wir mussten gar nicht weit gehen, ehe wir den Grund für all die Zerstörung sahen: eine junge blonde Frau, offensichtlich Magierin, und ein Feenritter. Ein Winter Sidhe, eindeutig. Und beide hoben die Hände und machten Anstalten, irgendwelche fiesen Winterzauber auf uns loszulassen. Wir machten uns schon bereit, irgendwo in Deckung zu hechten, aber die Magierin fluchte deutlich hörbar „Scheiße, Menschen!“, als sie uns zu Gesicht bekam, und ließ ihren Stab sinken, ehe sie auch dem Sidhe ein Zeichen gab, innezuhalten. „Wer seid ihr, und was wollt ihr hier?!“

Klar. Wir waren Menschen, sie als Magierin durfte uns also nicht einfach angreifen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, einen von uns umzubringen und das erste Gebot der Magie damit zu verletzen. Die ganzen White Courts indessen, gegen die sie bis eben vorgegangen waren, zählten alle nicht als Menschen... und mit einem Mal war ich sehr froh, dass Totilas zurückgeblieben war, um auf Roberto und Cherie aufzupassen.

„Was wir hier wollen?“ Ich glaube, der Blick, den ich der blonden Frau zuwarf, muss zu gleichen Teilen empört und verwirrt gewesen sein. „Genau das könnten wir auch fragen.“ Meine Stimme klang etwas scharf, als ich das sagte. Aber dieser Winter Sidhe ließ mir – ließ der Sommermagie in mir – sämtliche Nackenhaare hochstehen und weckte das Bedürfnis in mir, auch ja sicherzustellen, dass der Sommer hier, an seinem angestammten Ort, nicht untergebuttert wurde, cólera noch eins. Am liebsten wäre ich ja auf den Kerl los, aber das konnten wir uns nicht leisten. Und außerdem wäre das der Sommermantel gewesen, nicht ich. Ich hielt den Drang zurück und gab mich bewusst höflich. „Und wer wir sind? Gestatten, Alcazár. Ich bin der Sommerritter in dieser Stadt.“
Oh. Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass das tatsächlich das erste Mal war, dass ich mich aus freien Stücken selbst mit diesem Titel vorgestellt hatte.

Bei meinen Worten fuhr der Winter Sidhe auf. „Sommerritter! Ich fordere Euch zum Duell, mein Herr!“ Ich starrte den Fae an, während die Magierin auch schon abwehrend die Hand hochhob, um ihren Kämpfer zurückzuhalten. „Kein Duell“, beschied ich dem Feenritter, ehe ich mich wieder seiner menschlichen Begleiterin zuwandte. „Wer sind Sie eigentlich?“
„Wir wollen Warden Declan!“ spuckte die Magierin.
Ähm. Wie bitte? Sie musste mir meine Verwirrung angesehen haben, oder vielleicht hielt sie sie auch für vorgespielt, denn sie wiederholte lauter und heftiger: „Rückt Warden Declan raus!“
Ich atmete tief durch, hob in einer besänftigenden Geste die Hände und lächelte sie an. „Nochmal zurück, bitte. Ganz ehrlich, wir haben keinerlei Ahnung, wovon Sie reden. Würden Sie uns vielleicht erst einmal verraten, wer Sie sind?“

Es brauchte noch etwas Überzeugungskraft, aber ich bekam die Dame dann doch zum Reden. Sie hieß Kirsten Lassiter und war Warden für Kanada, wie ihr Akzent schon angedeutet hatte. Naja, entweder Kanada oder Kalifornien, aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine Kalifornierin sich einen Winter Sidhe zur Unterstützung mitgebracht hätte. Sie erklärte, sie habe Hinweise darauf bekommen, dass Warden Declan vom White Court entführt worden sei.
Das ließ mich wieder vor Überraschung blinzeln. Warden Declan, vom White Court entführt? Und was für Hinweise darauf hatte Kirsten bekommen, wie und wo und von wem?
Über das Paranet, meinte sie, und sie habe dem natürlich nachgehen müssen. Also habe sie Declans Adresse aufgesucht, aber dort hätten zwei Männer, die wirkten, als seien sie gehirngewaschen worden, sie erst nicht zu ihrem Kollegen vorgelassen, während später ein Mann, der sich für den Warden ausgab, ihr einen Termin in zwei Wochen angeboten hätte. „Das war eindeutig nicht Declan“, spie die Kanadierin, „also! Wo! Ist! Er!“
„Äh, doch“, schaltete Edward sich hier ein, „das klingt schon nach Warden Declan, wie wir ihn kennengelernt haben.“
Die Magierin stutzte. „Wie meinen Sie das?“
Also brachten wir ihr vorsichtig bei, dass der gute Warden Declan hier in der Stadt Steuern von den Nicht-Rats-Praktizierern erhebt und sich fürstlich dafür bezahlen lässt, Leute in die Magierlehre zu nehmen.
„Was?!?“ empörte sich Lassiter, „Warden Declan ist ein Held!“
Wir antworteten nichts darauf, was sollten wir auch antworten? Lassiter mochte vielleicht trotzdem etwas in unseren Gesichtern gelesen haben, denn sie erklärte, sie wolle sich das mal ansehen gehen.
„Aber seien Sie vorsichtig“, warnte Alex.
„Immer. Aber wer sind Sie überhaupt?“
Edward sah sie mit einem gemessenen Blick an. „Wir? Wir sind die Ritter von Miami.“
Das ließ die Kanadierin laut auflachen. „Ahahahaha. Ja klaaar!“
„Das ist unsere Stadt“, ergänzte Edward, ohne sich von ihrem Spott stören zu lassen. „Wir achten auf sie, und wer ihr schaden will, bekommt es mit uns zu tun.“
Lassiter seufzte. „Na gut. Ich werde mir das ansehen.“
„Also kein Duell?“ Ihr Winter Fae klang enttäuscht. „Nein“, sagte die Warden fest. „Los jetzt.“ Der Sidhe war gar nicht glücklich, aber er fügte sich. „Na guuuuut.“
Und sie gingen. Während sie sich abwandten, konnte ich den Feenritter noch grummeln hören, dass er trotzdem gerne gesehen, hätte, was der – also ich – drauf habe. Tja, Kumpel. Pech gehabt. War aber vermutlich ganz gut so; ich brauche dringend mehr Stunden bei Eileen, wenn mich öfter irgendwelche Wintertypen zum Duell fordern wollen.

---

Zwei Tage später. Eigentlich hatte ich das vorgestern noch fertig aufschreiben wollen, aber dann musste Alejandra ins Bett, und Sheila rief an wegen der aktuellen Fassung von Totem Rise, und dann setzte ich mich daran und arbeitete noch einige Änderungen ein, die mir ohnehin schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrten, und... wie das halt so ist. Ich kam nicht weiter dazu. Aber jetzt sitze ich wieder mal im Flieger nach Schottland. Mir graust schon vor dem Jet Lag, den ich mit ziemlicher Sicherheit bekommen werde, nachdem ich zweimal in so kurzer Folge nach Europa und zurück fliege, aber ich muss ja immer noch die Sonnenhaare bei Warden Hawkins abliefern. Kein Privatjet diesmal, sondern ganz normale Business Class. Ist schon ein Unterschied, aber ich wie ich schon sagte: Nicht dran gewöhnen, Alcazár, der Privatjet war die Ausnahme.
Macht aber nichts, so unbequem ist die Business Class jetzt auch nicht, und so habe ich wenigstens Zeit, den ganzen Kram von vorgestern noch fertig aufzuschreiben. Ahí va.

War das mit der kanadischen Warden also soweit geklärt. Aber das Haus schien kurz vor dem Einsturz: Lassiter und ihr Feenritter hatten ganze Arbeit geleistet. Wir sahen zu, dass wir abhauten, ehe uns noch das Dach auf den Kopf fallen konnte. Verluste hatte es auch gegeben: Cherie war am Leben, aber zwei andere Raiths, die wir nicht näher kannten, hatten den Kampf mit der Warden und dem Sidhe nicht überstanden.
Da Raith Manor schon wieder hinüber war – die Baufirma, die ihre Arbeiten ja eigentlich gerade erst abgeschlossen hat, wird sich freuen, dass es gleich schon wieder so viel zu richten gibt –, besorgte Totilas seinem Clan wieder mal eine Unterkunft im Hotel. Nicht im Fountainebleu diesmal, sondern in dem etwas kleineren, aber ebenso luxuriösen Hotel Marbella. Außerdem plante unser White Court-Freund einen neuen Ort für das Duell, da Raith Manor für diesen Anlass ja ebenso ausfiel, und beauftragte die raithsche Eventplanerin Analind mit der Organisation.
Mit Cherie sprach Totilas auch und teilte ihr mit, dass das Duell nicht stattfinden werde, dass sie auch nicht in Geralds Abwesenheit als sein Champion antreten müsse, dass sie aber überrascht tun solle, wenn Gerald nicht auftauche.

Ich selbst stattete indessen endlich Pan einen Besuch ab. Ich war etwas beunruhigt, weil ich die Gruppe aus dem Nevernever ja nicht selbst angekündigt und begleitet hatte, aber der Herzog war ganz angetan von den neuen Gästen – vor allem von Astrid. Von ihrem Vater Sigthor hatte er sogar auch schon gehört und erklärte, den würde er zu gerne mal treffen: Er sei noch nie schwanger gewesen und würde das gerne mal ausprobieren. Ay una leche. Satyre. Echt jetzt.

Außerdem befand Pan, es wäre doch eine ganz tolle Idee, sich Einherjar als kämpfende Truppe zu besorgen statt Rittern: Einherjar lieben es zu kämpfen, zu saufen und Sex zu haben, also perfekt! Mit dieser Idee konnte Sir Anders sich nun so gar nicht anfreunden und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, woraufhin ich versuchte, möglichst beruhigend dreinzusehen. Ich war – ich bin – mir nicht so ganz sicher, was ich von der dem Einfall halten soll, ob eine Meute von Einherjar nicht etwas arg söldnermäßig rüberkäme. Aber andererseits braucht Pan spätestens zur Wintersonnenwende wieder eine schlagkräftige Truppe, sonst wird es uns nicht gelingen, Winter zurückzudrängen, nicht mal in Miami. Na gut, die Satyre sind ja noch da, aber darüber muss ich mir langsam echt mal Gedanken machen.

Halfðan erklärte jedenfalls, er werde bleiben – immerhin ist er der Hüter des Feuers, und er meinte auch, es gefiele ihm hier ganz gut –, aber Astrid und der Orc werden sich wohl demnächst wieder verabschieden. Das war aber zu erwarten gewesen.
Mit dem Feuer sprach ich auch, das hatte sich in seinem neuen Kamin schon ganz gut eingerichtet. Wir unterhielten uns ein bisschen, und es erzählte mir, dass es Sigthors Kind von Loki sei. Also nicht Lady Fire. Puuuuh. Gracias a Dios! Alex' Bemerkung wegen des Spionierens hat mir doch mehr zugesetzt, als ich mir selbst eingestanden habe. Irgendwann braucht der Kleine auch mal einen Namen, wenn er jetzt für länger hier wohnt. Vielleicht sollte ich Roberto fragen, ob er eine Idee hat. Das ging bei George ja auch ganz gut.

---

Zurück vom Treffen mit Warden Hawkins. Ich habe ihm die Sonnenhaare übergeben, aber die schienen ihm mit einem Mal gar nicht so wichtig. Er nickte einen knappen Dank und meinte, sie würden hoffentlich im Kampf gegen den Red Court ein bisschen helfen. Für Edwards Ritual am See hingegen hatte er fast so etwas wie Respekt. Zumindest zeigte er sich beeindruckt davon, von beiden Ritualen, auch von der guten Verzahnung zwischen Edward und Roberto. Ich nickte und erklärte, es sei alles gut gelaufen, soweit ich das habe beurteilen können. Die drei Gestalten, die uns gegen Ende beobachtet hatten, erwähnte ich auch. Dass sie uns zwar nur beobachtet hatten, aber nicht sonderlich freundlich wirkten, weswegen wir dann relativ schnell den Rückzugweg antraten. „Ja, das war sicherlich besser“, erwiderte Hawkins. Irgendetwas ging über sein Gesicht, aber was genau, war schwer zu deuten. Besorgt, irgendwie. Hmm, und ich hatte gedacht, die drei Gestalten wären Aufpasser des Magierrates gewesen, damit wir keinen Unfug anstellen an diesem 'schwärzesten Ort Schottlands'. Anscheinend waren sie das wohl doch nicht, wenn ihre Erwähnung den Warden derart beunruhigte. Er meinte jedenfalls, er wolle sich das einmal ansehen gehen. Gut; wenn er über die wirklich noch nicht bescheid wusste, ist das bestimmt besser.

Hawkins gratulierte uns nochmals zu dem erfolgreichen Ritual und erklärte, wenn der Wirker es wolle, dürfe er sich gerne einmal beim White Council melden. „Das Geld hat er nicht“, hielt ich dem Magier entgegen. Okay, ich hätte es; nicht in der Portokasse, aber zusammen bekäme ich es irgendwie, und wenn Edward es wirklich wollte, und wenn es ihm wirklich helfen würde, in diesem Magierrat zu sein, dann gäbe es sicherlich schlechtere Arten und Weisen, eine Million zu verprassen. Aber das sagte ich Hawkins nicht. Vielleicht haben die bei diesem Rat ja auch sowas wie Stipendien für die weniger begüterten Anwärter?
Aber der Warden sah mich nur verblüfft an. „Von welchem Geld sprechen Sie?“
Jetzt muss ich ihn ebenso verblüfft angesehen haben wie er mich eben. „Na von dem Lehrgeld. Den Steuern.“
„Junger Mann?“
„Ja, die Ausbildungsgebühr, die Warden Declan von seinen Lehrlingen nimmt.“
Hawkins Stimme war anzuhören, dass er wohl eher mich für verwirrt hielt als sich selbst, aber er sagte, er wolle dem nachgehen lassen. Oh, im Zusammenhang mit Declan erwähnte ich auch, dass Warden Lassiter bedauerlicherweise wohl einer Fehlinformation aufgesessen sei, als sie Declans Entführung vermutete. Meine Karte hinterließ ich auch mit der Bemerkung, dass er gerne auf mich zukommen dürfe, falls ich dem Rat auf irgendeine Weise helfen könne.

So, und da der Flieger zurück erst morgen nachmittag geht, habe ich morgen früh noch Zeit, ein paar Souvenirs zu besorgen. Die Plüsch-Nessie für Jandra, den Butterscotch für Mamá und den Whisky für Papá habe ich zwar schon beim letzten Mal gekauft, aber mal sehen, was ich noch so Schönes finde. Oder ich gehe mich einfach noch ein bisschen in Edinburgh umsehen.

---

Na das war doch ganz erfolgreich. Jetzt sitze ich wieder im Flieger, und der Flug ist schon wieder halb vorüber. Ich wollte eigentlich was an meinem Manuskript machen, bin aber doch bei ein paar Filmen hängengeblieben und habe etwas gedöst. Im Flugzeug ticken die Uhren einfach anders. Gleich bringen sie auch schon wieder was zu essen, glaube ich. Na, vielleicht komme ich hinterher noch ein bisschen zum Arbeiten.

---

Zuhause. Dieser Jetlag vom doppelten Reisen ist wirklich so heftig, wie ich das befürchtet hatte. Schlafen konnte ich kein Stück, und Kopfschmerzen habe ich auch. Und eben hat auch noch Warden Hawkins angerufen. Irgendwas von wegen, dass ein gewisser Wizard McCoy sich wegen der Sache in Schottland mit uns treffen wolle. Nachher in Stout's Bar and Grill. Ich hätte ja eher das John Martin's vorgeschlagen, aber gut. Das ist ja auch eher was für Einheimische. Ob er was rausgefunden hat wegen der drei Mordor-Ents? Hm. Unwahrscheinlich, dass ein Ratsmagier gleich zu kleinen Praktizierern wie uns kommen würde, um uns über deren Nachforschungen in Kenntnis zu setzen. Ich tippe eher auf Fragen zu unserem Ritual bzw. dem Zweck dahinter – denn ich glaube, davon, dass die Jungs dort einen White Court-Dämon austreiben wollten, ist bisher kein Wort gefallen. Zumindest habe ich in meinem Gespräch mit Hawkins kein Wort davon gesagt; keine Ahnung, ob die anderen so offen waren, als sie in Edinburgh mit Hawkins geredet haben. Irgendwie glaube ich nicht, dass der Weiße Rat so begeistert wäre, wenn er davon erführe.
« Letzte Änderung: 29.11.2016 | 14:39 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Autsch. Au, war das böse. Und dabei ist kein einziges Wort über Geralds Entdämonisierung gefallen.
Wir waren pünktlich zu dem Treffen im Irish Pub, dieser McCoy – zumindest nehme ich an, dass er das war; er stellte sich nicht vor – kam ein paar Minuten später. Nicht viel später, aber gerade so viel, um zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Ein fitter alter Mann in den späten 70ern oder frühen 80ern vielleicht, mit schütteren grauweißen Haaren, Stoppelbart, Farmerkleidung und einem Akzent aus dem Mittleren Westen. Er hatte einen schwarzen Stab bei sich, aus Ebenholz oder sowas in der Art: ein Magierstab, wie Vanessa Gruber und Kirsten Lassiter ihn auch gehabt hatten, nur dass deren Stäbe aus hellerfarbigem Holz gemacht waren. Er machte einen ziemlich griesgrämigen und auch ziemlich zähen, knallharten Eindruck.
Wir sagten freundlich hallo; er würdigte uns keiner Begrüßung. Er setzte sich nicht einmal hin. Statt dessen starrte er uns nur böse an und verkündete mit eiskalter Stimme, wenn er noch einmal mitbekäme, dass wir schlecht über Warden Declan geredet hätten, dann werde der hören, was wir gesagt hätten, und dann werde der handeln. Habe er sich klar ausgedrückt?
Kristallklar, das konnte man nicht anders sagen.
Dann wandte McCoy sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen . Alex wollte ihm noch die Liste mit Declans Lehrlingen mitgeben, aber der Magier winkte nur ab. Die wolle er gar nicht haben. Nicht von so kleinen Praktizierern, die den Ruf der Wardens in den Schlamm zögen. Sprach's und verschwand. ¡Tío, que pelmazo!

---

Der Tag des Duells.

Eigentlich dürfte nichts passieren. Gerald ist sicher in Schottland, und wenn der Herausforderer nicht auftaucht, müssen die Champions nicht ran. Aber ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen. Anabel Raith hat es mit ihrem kleinen Spielchen schon geschafft, Raith Manor wieder in Trümmer legen zu lassen, und ich würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sie noch irgendwelche Fiesheiten in Petto hätte. Aber wenigstens hat Totilas in der Zwischenzeit mit fast allen Raiths aus Miami reden können und sie überzeugt, dass die Dinge so weiterlaufen werden wie bisher, wenn sich demnächst an der Spitze eine Veränderung einstellen sollte.

---

Sie hatte tatsächlich Fiesheiten in Petto. Erstaunlicherweise wurde es nur doch nicht ganz so schlimm wie befürchtet, denn Totilas hatte ja gute Vorarbeit geleistet und reagierte, als es hart auf hart kam, einfach schneller als sie. Aber der Reihe nach.

Am neu organisierten Ort des Duells – eine alte, leere, entwidmete Kirche, damit auch der Red Court Abgesandte schicken konnte – wartete alles gespannt auf Gerald. Cherie ist leider keine sonderlich gute Schauspielerin, der konnte man ansehen, dass sie nicht überrascht war, aber vielleicht kam mir das auch nur so vor, weil ich selbst ja bescheid wusste und ein besonderes Auge darauf hatte. Der vereinbarte Zeitpunkt kam, aber kein Gerald tauchte auf. „Ha!“ triumphierte Anabel keine fünf Minuten nach Verstreichen des Termins, „ich habe gewonnen!“
„Ich habe das Recht des ersten Kampfes“, erklärte Marshall Raith erstaunlich souverän, „und ich sage, wir warten noch eine Stunde!“
Also warteten wir noch eine Stunde. Als Gerald dann immer noch nicht erschienen war, ergriff Anabel sofort wieder das Wort. „Aber jetzt habe ich gewonnen. Also: Alle Raiths ins Biltmore Hotel!“
„Ins Hotel Marbella“, entgegnete Totilas fest. „Ich spreche für Haus Raith in Miami, und ich sage: Hotel Marbella!“
Anabel schnaubte verächtlich. „Wer im White Court verbleiben möchte, der kommt ins Biltmore Hotel.“ Und mit diesen Worten rauschte sie aus dem Saal.
Die versammelten Raiths waren drauf und dran, ihr zu folgen, aber jetzt fuhr Totilas das schwere Geschütz auf. „Haaaalt!“ donnerte er und brachte mit einigen wohlgesetzten, aufmunternden Worten tatsächlich die meisten seiner Leute ins Marbella, auch wenn einige wenige tatsächlich dort dann durch Abwesenheit glänzten. Die waren wohl doch lieber ins Biltmore zu Anabel gegangen.

Von unterwegs, noch ehe wir ins Marbella kamen, rief Totilas bei Lara Raith, der Tochter des Weißen Königs, an.
„Ist der Weiße König abgesetzt?“ fragte er brüsk.
Eine Sekunde lang klang seine Cousine geschockt. „Was redest du da?“
„Anabel behauptet, sie entscheide, wer im White Court sein dürfe und wer nicht. Ist das so?“
„Ich bin sicher, das ist gedeckt“, kam Laras Stimme aus dem Lautsprecher, jetzt wieder ruhig und gefasst. „Hat sie gewonnen?“
„Durch Geralds Abwesenheit, ja.“ Und dann schuf Totilas kurzerhand Fakten. „Die Geschäfte hier in Miami habe ich übernommen.“
„Ach?“ machte Lara spitz, aber unser White Court-Kumpel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ja“, erwiderte er, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, und seine Cousine gab den spitzen Tonfall auf, gratulierte Totilas herzlich und warm zu seinem Erfolg. Sie ist eine Raith, die Wärme war nicht echt, soviel war klar, und sie wird ihren Cousin fallenlassen, sobald sie dafür den ersten Anlass sieht, aber zumindest für den Moment stand, steht, sie hinter Totilas als Anführer der Raiths von Miami.

Im Hotel Marbella dann hielt Totilas eine Rede. Eine flammende, aufmunternde Rede, in der er wiederholte, was er seinen Leuten in den ganzen Einzelgesprächen zuvor auch schon gesagt hatte. Dass Anabel die Dinge grundlegend umwälzen würde, wenn sie hier an die Macht käme. Dass er selbst die Dinge so fortführen würde, wie Gerald das immer getan hatte. Dass die Raiths von Miami so weitermachen könnten wie bisher. Dass alles unter Kontrolle sei. Und vor allem, dass er die Geschäfte in Geralds Sinne fortführen werde. Das wirkte.

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13. November

Ha. Anabel Raith ist aus Miami abberufen worden. Von den Leuten, die ihr ins Biltmore gefolgt sind, haben zwei Miami ebenfalls verlassen; vermutlich haben die Anabel begleitet. Zwei andere 'Abtrünnige', die bei Anabel im Biltmore waren, sind noch in der Stadt. Totilas meinte, er wolle sie im Auge behalten, aber ihnen ansonsten keinen Ärger machen, falls sie das auch nicht tun. Vernünftige Einstellung, wenn ihr mich fragt, Römer und Patrioten. Falls sie doch noch zum Problem werden sollten, kann er sie immer noch zurechtstutzen.

---

15. November

¿Que demonios? Ich habe eben gerade nochmal die Einträge der letzten Tage durchgelesen, und eines ist seltsam. Ich schreibe da ein paarmal von 'Mordor-Ents' und 'schwarzen Baumgestalten', die wir in Schottland an dem See gesehen haben wollen. Und hier ist das Seltsame: Ich habe keine, keinerlei, Erinnerung an diese Gestalten. Ich habe null Ahnung, was ich da beschrieben habe und warum. Wir waren in Schottland, klar, da war das Ritual, Geralds Dämon wurde aus ihm herausgezogen und in den See getrieben, der See brodelte, und Edward und Alex hatten das Gefühl, darin sei etwas aufgewacht, etwas Ungemütliches, Unfreundliches, Gefährliches, und deswegen haben wir zugesehen, dass wir möglichst schnell Land gewannen. Ich sehe die Szene noch ganz genau vor mir, und da sind keine schwarzen Gestalten!

Das ist nicht mal wie bei manchen Träumen, die ich vor Jahren, ach was, Jahrzehnten, mal hatte und die ich aufgeschrieben habe. Ich habe sie inzwischen komplett vergessen, aber wenn ich die entsprechenden Tagebucheinträge nochmal lese, dann kommen einzelne Bilder, manchmal auch zusammenhängende Szenen, aus diesen Träumen wieder zum Vorschein. Nicht so wie echte Erinnerungen, aber etwas. Und hier ist das eben komplett anders. Aber warum zum Geier sollte ich sowas aufschreiben, wenn es nicht da war? Und wenn es da war, warum zum Geier erinnere ich mich nicht daran? Also so gar nicht?

Ich wiederhole mich, aber: Was? Zum? Geier?
« Letzte Änderung: 29.11.2016 | 22:51 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
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Generell noch mal vielen Dank fürs Mitschreiben, Timber. Ich benutze die Diarys ziemlich intensiv bei der Vorbereitung! :)
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Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

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Ricardos Tagebuch: Intermezzo

18. November

Ich habe den Jungs die Einträge zu den Mordor-Ents gezeigt. Sie waren ebenso verwirrt wie ich, weil sich auch keiner von den anderen an unheimliche schwarze Baumgestalten erinnern konnte, und natürlich kamen wir ins Diskutieren. Ob ich mir das Ganze nur eingebildet habe. Ob ich es vielleicht nur geträumt habe. Oder ob da jemand tatsächlich an unserem Gedächtnis herumgespielt hat. Totilas hatte die geniale Idee, mal Richard und Gerald zu kontaktieren, ob die irgendwas von Mordor-Ents wissen. Immerhin waren sie am See auch dabei.
George, den ich nachts mal dazu fragte, erklärte, dass ich durchaus von solchen schwarzen Gestalten geträumt hätte, ja, aber dass er die nicht angerührt habe, die hätten 'nicht lecker' ausgesehen. Und so, wie mein kleiner Traumfresser-Freund sich bei den Worten 'nicht lecker' schüttelte, glaube ich, er meinte mit dem Ausdruck nicht 'Junk Food statt Gourmetmenü', sondern eher 'Giftcocktail'.

Wir waren uns alle einig, dass wir in dieser Sache den Ball ganz, ganz flach halten müssen. Wenn wirklich jemand an unserem Gedächtnis herumgeschraubt hat, dann sind die Mordor-Ents, falls es sie gibt, ein richtig heißes Eisen. Der einzige, dem wir genug vertrauen, um es ihm gegenüber anzusprechen, ist Jack White Eagle. Den wollen wir mal zu dem Thema befragen.

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Zurück aus der Kommune. Jack hat unsere Bitte um Stillschweigen sehr ernst genommen und uns nicht nur einen ruhigen Ort zum Reden gesucht, sondern sogar einen Ritualkreis um uns herumgezogen, damit auch wirklich niemand lauschen kann. In dem Kreis las ich meine Aufzeichnungen noch einmal vor und beschrieb noch einmal, was es damit auf sich hatte, woraufhin Jack erklärte, er habe eine Vision von den Viechern gehabt: sie seien extrem gefährlich und überhaupt nichts Gutes. Wegen dieser Vision sei Jack überhaupt erst von South Dakota nach Miami gekommen, denn er habe das Gefühl, wegen dieser Viecher müsse er dringend hier sein. Oh. Ob er meine, dass sie aus Schottland herkommen würden? Sie seien schon hier, erklärte er daraufhin grimmig. Mehr wollte er uns darüber aber erst einmal nicht sagen, denn wir seien – ich zitiere – „zwar nett, aber ungestüm“. Aber wenn 'es' denn käme, wenn er etwas erfahre, das wichtig sei, dann würden wir es zuerst erfahren, versprach Jack, oder zumindest mit zuerst.
Alles klar. Und bis dahin halten wir uns in dieser Beziehung komplett bedeckt.

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27. November

Gerald und Richard haben sich gemeldet. Es hat ein paar Tage gedauert, aber jetzt haben wir von beiden die Bestätigung: Sie wissen beide noch von den Mordor-Ents am See. Demonios. Es hat wirklich jemand an unserem Gedächtnis herumgespielt. Ich meine, das hatten wir uns ja schon gedacht, aber diese Bestätigung ist schon nochmal... hossa. Sagte ich schon, dass ich es hasse, wenn jemand in meinem Kopf herumschraubt?

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01. Dezember

Mierda. Bei all dem Stress, der in letzter Zeit los war, habe ich es komplett vernachlässigt, aber irgendwann muss ich Pan Ersatz für seine desertierten Ritter gefunden haben, denn alleine werden Sir Anders, die Satyre und ich nicht gegen Winter bestehen können, wenn es das nächste Mal rund geht. Es stellt sich nur die Frage, werde ich überhaupt irgendwo Sidhe-Ritter finden, die a) frei sind für einen neuen Einsatzort und b) bereit sind, an Pans unkonventionellen Satyrshof zu kommen? Das könnte schwierig werden, befürchte ich. Aber Pan hatte ja nach der Sache mit den Sommerhaaren noch einen anderen Gedanken. Vielleicht lassen sich ja wirklich einige der Einherjaren aus Heorot dazu überreden, an den Sommerhof zu kommen? Immerhin sind es (okay, bis auf Asleif) ja kultivierte Einherjar, die nicht jede freie Minute mit Saufen und Köpfeeinschlagen verbringen. Vielleicht kann man die für Pans Palast interessieren? Einen Versuch wäre es wert. Ich muss nur bald los, damit noch genug Zeit für andere Optionen ist, falls diese fehlschlägt.

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06. Dezember

Ich vermelde: Einherjar in Miami! Okay, in Pans Palast, sprich im Nevernever, das an Miami angrenzt. Es erforderte gar nicht so viel Überredung, sie zur Unterstützung zu gewinnen. Dreizehn neue Streiter hat Pan jetzt insgesamt, Sigthor nicht gerechnet. Der kam zwar auch mit, aber ich habe das Gefühl, der wird nicht lange bleiben, sondern sich hier nur eine Weile umsehen und dann wieder weiterziehen. Asleif ist auch mitgekommen; dem war es in Heorot wohl zu kultiviert, und er hofft hier auf mehr Action. Na, für zwei Gelegenheiten im Jahr konnte ich ihm Action versprechen, aber da müssen wir sehen, ob und inwieweit ihn das hier hält.

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09. Dezember

Es war ja so klar. Pan war neugierig und ist im vollen Bewusstsein dessen, was passieren wird, mit Sigthor in seinen Privatgemächern verschwunden. Ich bin schwer begeistert, denn dreimal dürft ihr raten, Römer und Patrioten, wer dann so in ca. einem Dreivierteljahr – wobei, wie lange dauern eigentlich Schwangerschaften bei Satyren bzw. Naturgottheiten? – das Kindermädchen wird spielen dürfen. Pan findet das Ganze fürchterlich lustig und macht schon Pläne.

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10. Dezember

Wie zu erwarten war, ist Sigthor wieder aufgebrochen. Oh, wo ich gerade Sigthor erwähne: Sein Feuerkind mit Loki hat jetzt auch einen Namen. Sindri sollen wir sie nennen. Das klingt ziemlich hübsch, wenn ihr mich fragt. Und sehr passend für ein Feuerwesen. Als eine Sarah oder Laurie hätte ich sie mir jedenfalls nicht vorstellen können. Sindri lernt langsam, ihre Feuerstelle zu verlassen und menschliche – oder zumindest humanoide – Gestalt anzunehmen, was auch eine sehr spannende Entwicklung ist. Ich bin mal gespannt, was für Unfug sie damit anstellt. Übernatürlicher Feuer-Teenager. Yay.


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22. Februar

Heute ist etwas ziemlich Schräges passiert. Edward, der sich ohnehin nicht auf dem Höhepunkt seiner Stimmungskurve befindet, weil gerade Vollmond ist, bekam Wind von einem Haus, in dem angeblich ein Poltergeist umging. Er fuhr hin und nahm uns mit – seine Kollegen haben sich inzwischen daran gewöhnt, und seit Edward Lieutenant ist, kann er sich die zivilen Berater noch viel problemloser leisten.

In dem Haus flogen im Wohnzimmer wie in einem Miniaturwirbelsturm jedenfalls jede Menge Dinge herum. Im Obergeschoss lag auf dem Bett in einem Teenagerzimmer dessen Bewohnerin, eben ein Mädchen im Teenageralter, in einer Trance. Totilas knockte sie aus, aber daraufhin wurde der Minitornado im Wohnzimmer nur noch schlimmer. Da gingen inzwischen wirklich Dinge zu Bruch. Das konnte so nicht weitergehen, also versuchte ich es einmal damit, dem Mädchen den Anblick einer friedlichen, sommerliche Blumenwiese vor ihr inneres Auge zu projizieren. Nicht ihren Geist zu manipulieren, wie das ja strengstens verboten ist und was mir angesichts meiner eigenen Erfahrungen auch im Leben nicht einfallen würde, sondern ihr einfach das Bild zu zeigen. Die friedliche Szene schien das Mädchen auch tatsächlich etwas zu beruhigen, denn die Gegenstände flogen jetzt langsamer im Wohnzimmer herum, trudelnder. Ich fühlte mich an tanzende Schmetterlinge erinnert, auch wenn die meisten Sachen natürlich viel zu groß und schwer für Schmetterlinge waren.

Mit Ammoniakreiniger als Riechsalzersatz bekamen wir das Mädchen schließlich aufgeweckt, was den Spuk ganz enden ließ, und kontaktierten Ximena, die versprach, sich um das junge Talent zu kümmern.

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7. Mai

Roberto erzählt ja gelegentlich mal Geschichten aus seiner Bótanica, und wir haben da ja selbst auch schon Dinge miterlebt. Es hat sich unter den Santerios im Viertel schon länger herumgesprochen, dass Roberto doch kein so oberflächlicher Scheinheiliger ist, wie die Leute das immer gedacht hatten, und gelegentlich kaufen sie nicht nur bei ihm ein, sondern fragen ihn als Vertrauten seiner Schutzheiligen Orisha (mierda, es fällt mir immer noch schwer, dieses Wort in den Mund Stift zu nehmen) um Rat und Hilfe.
Jedenfalls hatte er heute drei Kundinnen: eine junge Frau mit ihrer Mutter und Großmutter. Die Mutter hatte anscheinend die Tochter in die Botánica geschleift und die Großmutter hatte sich angeschlossen. Die drei Damen wollten einen Rat bzw. eine Vorhersage wegen eines Mannes für die Tochter. Die Mutter bevorzugte Juan, aber den hielt die Tochter für unglaublich langweilig. Sie selbst schwärmte für Ernaldo, aber der war wegen Handelns mit Marihuana und diversen Diebstählen gerade im Gefängnis. Die Großmutter hingegen fand beide Männer nicht geeignet, deswegen war sie wohl sehr glücklich mit Robertos Urteil, der riet, Maria solle sich nicht sofort entscheiden, sondern sich Zeit lassen. Sie werde es wissen, wenn der Moment gekommen sei.

Unser Roberto. Wird auf seine alten Tage noch zum Salomo.

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5. August

Pan wird immer unleidlicher. Die Schwangerschaft sagt ihm doch nicht so zu. All die Hormone, oh weh. Und wie entbindet man bei einem männlichen Feenwesen überhaupt ein Kind? Nicht auf natürlichem Wege, soviel ist schon mal klar. Pan hat Spencer Declan kontaktiert, der meinte, es gebe magische Möglichkeiten. Dann wird der Warden wohl die Hebamme spielen dürfen. Ich lasse den Arsch ja eigentlich nur ungern in die Nähe meines Herzogs. Aber besser er als ich. Sowas gehört nicht zur Jobbeschreibung des Ersten Ritters. Ich darf Declan eben nicht aus den Augen lassen.

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13. September

Das Kind ist da! Declan hat seinen Job ausnahmsweise mal einwandfrei gemacht (er wurde ja auch gut genug dafür bezahlt), und es gab keinerlei Schwierigkeiten. Pan wollte seine Tochter unbedingt nach Edward und mir benennen, also heißt die Kleine Edwina Ricarda. Tío, ist die niedlich. Und das sage ich, der, Babies grundsätzlich meistens eher hässlich findet. Klar liebt man sie, aber wirklich hübsch sind direkt nach der Geburt doch die wenigsten, wenn man ehrlich ist. Edwina Ricarda weist jedenfalls schon mal keine Spur von Hörnern und Bocksfüßen auf, zum Glück. Ob und inwieweit sie irgendwann Nymphenzüge entwickelt, werden wir dann wohl in einigen Jahren sehen.

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19. September

Aua. Das hat wehgetan. Also nicht mir, gracias a Dios, aber Totilas und Edward hat es ziemlich gebeutelt. Zum Glück heilen die beiden schnell.

Aber der Reihe nach.
Totilas hat da doch von Gerald diese, ähm, Geschäfte geerbt. (Das ist auch so was, an das ich mich nur schwer gewöhne.) Jedenfalls haben die Raiths auch gehörige Anteile an Miamis Filmbusiness. Und es sind Raiths. Was für ein Filmbusiness wird das wohl sein? Kleiner Hinweis: Der Hauptdarsteller firmiert unter 'Ricardo Longdong'.
(Ja hahaha. Cue jokes.)

Wie dem auch sei, Totilas wurde alarmiert, weil es auf dem Filmgelände einen heftigen Schusswechsel gab. Ein paar Ganger waren auf dem Gelände eingedrungen und hatten begonnen, wild um sich zu feuern. Cast und Crew waren in Sicherheit gesprungen und begonnen, aus der Deckung heraus das Feuer zu erwidern, und einer hatte den panischen Anruf an Totilas abgesetzt.

Als wir ankamen, war der Schusswechsel noch in vollem Gange. Totilas fackelte nicht lange, stürmte hinein und schaltete gleich zwei der Angreifer aus, wurde selbst aber dabei ziemlich angeknackst und ausgeknockt. Edward stürmte hinterher und schickte zwei weitere Gangmitglieder schlafen, wurde dabei aber ebenfalls außer Gefecht gesetzt.  Roberto und ich, die wir ja etwas langsamer auf den Beinen sind als unsere übernatürlichen Freunde, hatten so schnell gar nicht reagieren können. Jetzt ließ ich meinen patentierten Sonnenlichtzauber auf die restlichen beiden Typen los, der ihnen zwar nicht schadete, weil sie Menschen waren, keine Vampire, der sie aber immerhin blendete, was es Roberto und mir erlaubte, sie auch noch festzusetzen.

Als wir sie befragten, sagte der eine was davon, dass sie angeheuert worden seien, um auf diesem speziellen Filmset Ärger zu machen. Totilas meinte auch schon, er könne sich da ein paar Parteien denken, denen an sowas gelegen sein könnte. Unschön jedenfalls, dass, wer auch immer es ist, das an einer Filmcrew auslässt, auch wenn es eine Pornofilmcrew ist und mit den Raiths im Zusammenhang steht.
« Letzte Änderung: 15.11.2023 | 09:29 von Timberwere »
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Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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16. Oktober

Oho. Robertos Bruder Carlos ist frei. Aber klar, er hatte ja keine zehn Jahre bekommen wie Enrique, und von den sechs Jahren, zu denen er verurteilt war, haben sie ihm zwei wegen guter Führung erlassen. Roberto hat ihn abgeholt, und als er sich hinterher mit uns traf, hatte er beunruhigende Dinge zu berichten.

Mitte November soll doch dieser Supermond sein: der Vollmond, der so nah an die Erde herankommt wie seit 70 Jahren nicht. Und Carlos macht sich große Sorgen um Enrique und die drei anderen Koyanthropen, die noch im Gefängnis sind, weil sie dort natürlich auf engstem Raum zusammenhocken und sich bei einem Supermond vermutlich noch viel schlechter unter Kontrolle hätten als bei einem normalen Vollmond ohnehin schon. Carlos hat ernsthaft Angst, dass sie dort drin austicken und jemanden umbringen könnten, sagte Roberto.

Edward hat auch schon gemerkt, dass der Supermond seine Schatten vorauswirft. Er ist noch gereizter als sonst und hat eine noch kürzere Lunte. Er hat sich auch schon darüber informiert, was so ein Supermond in magischer Hinsicht bedeutet, und eines ist sicher: Das ist mal richtig gefährlich. Mierda.

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17. Oktober

Ich war bei Oliver im Laden und habe ein bisschen nachgeforscht. Beim letzten Supermond vor 70 Jahren sind die Verbrechensrate und die Anzahl der Gewaltdelikte massiv nach oben geschossen. Wobei ich für diese Info natürlich nicht zu Oliver in den Laden musste, die war im Internet frei verfügbar. Aber was ich im Behind the Cover fand, war die Information, dass dieser Kanal, diese Verbindung zu ihrem Wutdämon – oder was auch immer es genau ist, was die Lykanthropen bei Vollmond so ausrasten lässt – beim letzten Supermond einen ganzen Monat lang offen blieb, sich nach dem vorigen Vollmond gar nicht erst richtig schloss. Oh oh. Dios, ayudame! o, mejor dicho, ayuda Edward. Wenn das wirklich so ist, dann wird das kein Spaß. Aber Edward hat ja schon gesagt, er merkt einen Unterschied. Das wird wohl auch diesmal wirklich so sein. Mierda.

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Wieder zuhause. Wir haben überlegt, was wir machen können, um Enrique und den anderen im Gefängnis zu helfen, aber so eine richtig zündende Idee hatten wir noch nicht. Es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn die vier während des Vollmonds nicht zu vielen Leuten zusammengepfercht wären, aber Einzelhaft für alle vier zu arrangieren, wäre so gut wie unmöglich. Dazu müssten sie so viel Ärger machen, dass sie in Einzelhaft gesperrt werden, und das entsprechend abzupassen, gerade genug für Einzelhaft, aber nicht so viel, dass sie austicken und wen umbringen, und das während des Supermonds? Das wäre viel zu riskant. Das würde nicht gutgehen. Beruhigungsmittel könnte man auch nicht mit der gebotenen Sicherheit einschleusen, oder besser: Für Beruhigungsmittel müsste man den Gefängnisarzt dazu bringen, dass er sie verschreibt, und dazu bräuchte es einen validen Grund. Und „Ihre Insassen sind Kojanthropen, Herr Doktor“ wäre mit ziemlicher Sicherheit keiner. In Quarantäne packen, weil sie eine ansteckende Krankheit haben? Auch kein guter Plan. Denn erstens müsste auch die vom Gefängnisarzt diagnostiziert werden, und selbst wenn es etwas zu diagnostizieren gäbe, weil man sie irgendwie damit infiziert bekäme, hieße das immer noch, dass sie dann krank wären: krank und geschwächt und mit potentiell noch weniger Kontrolle als ohnehin schon, und das auf der Quarantänestation mit eventuellen anderen Kranken und Geschwächten, also Beute? Keine gute Idee, wenn ihr mich fragt, Römer und Patrioten. Die vier entführen, um sie über die Zeit des Vollmonds irgendwo sicher unterzubringen? Jahaaaa. Y una leche. Das wäre eine schwerwiegende Straftat, und was, wenn der Vollmond vorbei ist? Die vier einfach wieder im Gefängnis abliefern? Sie für den Rest ihres Lebens untertauchen lassen? Ich wiederhole mich, aber: Y una leche. Aber irgendwie beruhigt werden müssen sie da drin, da geht kein Weg daran vorbei.

Da wir uns bei der Diskussion irgendwann nur noch im Kreis drehten, beschlossen wir, mit James Vanguard zu reden. Immerhin ist er, von Edward mal abgesehen, unser Kontakt in Sachen Lykanthropie.

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Vanguard erklärte sich bereit, uns zu treffen, was angesichts der derzeitig herrschenden Nervosität gar nicht  so selbstverständlich war. Tatsächlich war die Stimmung zwischen Edward und ihm noch angespannter als sonst, aber beide konnten sich beherrschen. Vanguard erklärte, dass Enrique und die anderen Kojanthropen seien, keine Lykanthropen, mache es etwas schwierig für ihn, Vorhersagen abzugeben, weil er mit denen immer noch nicht so viel Erfahrung bzw. Berührungspunkte habe, auch wenn ihre Erschaffung (was für ein Wort, aber genau das war es ja nun mal) ja nun schon einige Jahre her ist. Aber was er uns sagen konnte, war folgendes:
Kojanthropen sind schneller als Lykanthropen, aber ihre Stärke trotzdem nicht zu unterschätzen. Und sie verhalten sich weniger wölfisch als Lykanthropen, bilden keine so stark miteinander verbundenen Rudel. Aber obwohl ihr Rudelverband nicht so fest sei, könnten vier Mitglieder einander vermutlich schon helfen, einander gegenseitig Stabilität geben. Und Ginseng-Tee. Ginseng-Tee helfe enorm.

Ich glaube, ich muss mal wieder meinen Bruder im Gefängnis besuchen gehen. Ich war ja auch tatsächlich schon eine ganze Weile nicht mehr dort, Schande über mich.

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18. Oktober

Ja. Jahaaaaa. Das hätte ich mir ja fast denken können. Enrique war ziemlich aggressiv drauf, Stichwort: Traust du mir etwa nicht zu, dass ich selbst auf mich aufpassen kann, hältst du mich etwa für eine Pussy, weißt du mal wieder alles besser, rah rah rah. Jahaaaaa, Enrique, du bist mein Bruder, und ich liebe dich, aber du bist auch echt anstrengend, weißt du das? Ich will doch nur nicht, dass du in noch größere Schwierigkeiten kommst, ¡carajo!.

Naja. Der Besuch war also etwas anstrengend, gelinde gesagt, aber nachdem wir den ganzen Spaß mit „ja, Enrique, ich weiß, was du bist, und ja, Enrique, ich glaube an den ganzen übernatürlichen Scheiß, wir können also offen reden“ hinter uns hatten, habe ich dann doch irgendwie in Enriques Schädel reinbekommen, dass seine Leute und er unbedingt auf Sandsäcke boxen müssen statt auf ihre Mitgefangenen und dass sie einander wieder runterziehen sollen, falls einer von ihnen auszurasten droht. Mehr konnte ich in dem Moment dann auch nicht tun, leider.

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19. Oktober

Ha, aber Edward hatte vorhin eine Idee! Eine richtig, richtig gute Idee. Hilary Elfenbein und ihr spezieller White Court-Hunger! Ein Aggressionsbewältigungsprogramm unter den Insassen, das wäre es doch! Totilas rief gleich bei Hilary an, und das Ende vom Lied war, dass es zwar nicht leicht wird, aber das sich hoffentlich etwas machen lässt. Ms. Elfenbein wird ein Projekt zur Aggressionsbewältigung unter Gefängnisinsassen planen und ich werde meine Kontakte ins Bürgemeisteramt spielen lassen, damit sie ihr Projekt dann auch in der Everglades Correctional Facility umsetzen kann.
Derzeit ist der Plan, dass erst irgendwann eine Vor-Sichtung der Kandidaten für die Studie stattfinden soll, bei der natürlich dann unter anderem Enrique und seine Leute dafür ausgewählt werden, und dass die eigentliche Behandlung dann während des Supermondes selbst passiert. Nicht ideal, aber besser bekommen wir das nicht hin, glaube ich. Drückt bloß die Daumen, dass das klappt, Römer und Patrioten.

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20. Oktober

Mit Selva Elder haben wir auch geredet. Sie war allerdings nicht sehr begeistert, uns in der Way Station zu sehen – irgendwie passieren zu oft unschöne Dinge, wenn wir dort sind – und hielt sich entsprechend bedeckt. Sie wollte nicht sagen, ob von ihren Leuten jemand als Wächter im Gefängnis Dienst tut, aber sie meinte immerhin, wenn sie etwas hört, sagt sie bescheid.

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24. Oktober

Oho? Jack White Eagle möchte uns treffen. Er hat uns eben alle kontaktiert und uns zu einem Treffen ins Dora's gebeten. Ob es irgendwas mit der Sache zu tun hat, über die er letztes Jahr nicht sprechen wollte?

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Hatte es nicht. Oder nur sehr, sehr indirekt. Indirekt insofern, als dass Jack uns bei der Gelegenheit – und bei vielen anderen Gelegenheiten vorher auch schon – geholfen hat und wir uns jetzt endlich mal revanchieren können. Also vielleicht. Hoffentlich. Zumindest werden wir es versuchen.

Die Sache ist folgende: Es geht um Feen, denen Jack selbst bereits zweimal einen Gefallen getan hat. Beim dritten Mal wären sie ihm verpflichtet, und jemand anderem etwas schulden, das ist etwas, das keine Fee so gut ertragen kann, also kann Jack ihnen kein weiteres Mal helfen.
Die Feen um die es geht, sind Heinzelmännchen, also Brownies deutscher Herkunft gewissermaßen. Wenn sie jemanden mögen, kommen sie nachts und räumen bei dem auf, weil sie einfach gerne putzen und saubermachen, aber man darf sie dabei nicht beobachten wollen, sonst sind sie weg und kommen nie wieder. Sie wohnen tatsächlich ganz offen im deutschen Viertel der Stadt, sagte Jack, und betreiben dort deutsche Restaurants und Bäckereien und dergleichen. Und einer von ihnen sei wegen seines Karpfenteichs von Winterfeen unter Druck gesetzt worden, sie wollten aber wie gesagt auf gar keinen Fall Hilfe von White Eagle annehmen, weil das sonst der dritte Gefallen wäre, den er ihnen täte. Johannes Bonifer heißt der Bürgermeister der kleinen Feengemeinschaft, sagte Jack noch.

Na gut. Jack White Eagle kann ihnen also nicht helfen, aber wir. Ich meine, sie sind zwar streng genommen Wyldfae und gehören nicht zum Sommer, aber es sind Feen, und Winter hatte seine Finger im Spiel. Das kann sich der Ritter des Sommerherzogs dieser Stadt ja mal ansehen gehen. Ich habe schon ewig keinen guten Karpfen mehr gegessen.

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Ich vermelde: Der Karpfen war ganz ausgezeichnet. Das Problem der Heinzelmännchen... nicht so. Aber mal sehen, ob wir nicht vielleicht trotzdem was tun können.

Das deutsche Viertel besteht aus ein paar Straßen, wo Tafeln mit deutschen Namen unter die amerikanischen Straßenschilder gehängt wurden. Das entspricht nicht gerade der städtischen Beschilderungsordnung, glaube ich, aber bisher scheint das niemanden gestört zu haben, oder die Schilder würden da nicht mehr hängen. Jedenfalls sah die ganze Gegend auch sehr danach aus, wie man sich einen deutschen Straßenzug in einem kleinen Städtchen so vorstellt: Die Häuser waren tatsächlich aus Stein gebaut, nicht aus Holz, und auch von der Form und Größe her eher deutsch als amerikanisch. Das Ganze wirkte auch nicht zuckrig-kitschig – okay, ein klein bisschen vielleicht, aber nicht sehr. Ziemlich viele Märchenmotive waren zu sehen, zum Beispiel eine 'König-Drosselbart-Straße' und ein Restaurant 'zur Krone'. Unser eigenes Ziel, dessen Namen Jack White Eagle uns genannt hatte, war das Restaurant 'zum Hirsch': klassisch deutsch anmutend, mit klassischen deutschen Gerichten auf der Speisekarte. Die Kellnerin eine hübsche junge Frau mit blonden Schneckenzöpfen und in einem Dirndl, das ihre kurvigen Formen ziemlich ideal zur Geltung brachte.

Wir würden gerne mit Bürgermeister Bonifer sprechen, erklärte ich. „Ah, Bonny“, meinte die Kellnerin, und „ja, ich habe schon von euch gehört. Ihr seid die schönen Männer, oder?“ Grrrrr. „Ihr seid nett, habe ich gehört“, fuhr sie dann fort. Na wenigstens etwas. „Um was geht es denn?“ „Stichwort Karpfen“, sagte Roberto, und das zeigte Wirkung. Das Mädchen verschwand sofort.

Es dauerte eine Weile, aber dann kam ein kleiner, rundlicher Mann hereingewuselt. Für seine Fortbewegungsweise kann ich kein anderes Wort verwenden. Er kam gleich zu uns an den Tisch, strahlte uns an und fühlte sich ganz furchtbar geehrt, dass wir ihn aufsuchten. Auch er hatte von uns schon gehört, oder besser von mir. Oder noch besser von Pans neuem ersten Ritter.

Als ich ihn darauf ansprach, dass ich gehört hätte, es gebe hier Probleme, wollte er erst abwiegeln, weil er unter keinen Umständen einen Gefallen annehmen wollte, aber ich erklärte, als Ritter sei es doch meine Pflicht, für Ordnung zu sorgen. Aber sie seien doch nur Wyldfae, nicht dem Sommer angeschlossen, erwiderte Bonifer. Egal, erklärte ich, es sei  mir zu Ohren gekommen, dass der Ärger mit dem Winterhof bestehe, also sähe ich es als meine Aufgabe an, da ausgleichend einzuschreiten. Von diesem Argument ließ Bonifer sich überzeugen, und außerdem habe er ja schon gehört, dass Pans derzeitiger Ritter sehr ehrenhaft sei und sich gegen Unrecht auf allen Seiten wende. Tío. Ich wäre fast rot geworden bei dem Gebauchpinsel. Aber okay, stimmt schon, ich versuche es zumindest.

Jedenfalls lenkte ich ihn dann vorsichtig darauf, dass er doch mal erzählen solle, was überhaupt los sei.
Mr Bonifer – Bonny – überschlug sich etwas bei seiner Darstellung, und wir mussten ein bisschen nachhaken, aber schließlich kam folgendes heraus:

Ein Teil des zum Restaurant gehörigen Karpfenteichs ist eingefroren. Als Gustav (wer auch immer Gustav sein mag) das Eis wegbrach, kroch ein Tier auf seine Hand, die daraufhin ganz blau wurde. Das Tier war ein Frostegel, und die Frostegel gehörten Mr. Dahl, einem Svartalf. Der habe erklärt, die Heinzelmännchen dürften seinetwegen ihre Karpfen weiterhin in seinem Egelteich halten, und als die Heinzelmännchen protestierten, das sei ihr Karpfenteich, nicht Dahls Egelteich, legte der Svartalf Dokumente hervor, aus denen hervorging, dass der Teich jetzt ihm gehörte. Und Liesel habe sich auch schon verkühlt, als sie einen Karpfen herausziehen wollte!

Dahl komme einmal im Monat, immer zur Mitte des Monats, vorbei und hole einige Frostegel aus dem Teich. Die Egel vermehrten sich ziemlich schnell, sagte Bonny, und die Kälte tue den Karpfen gar nicht gut!

Erst einmal tranken wir Kaffee aus hauchdünnem Meißner Porzellan, dann sahen wir uns diesen Karpfenteich einmal an. Der war auf den zweiten Blick größer als auf den ersten, weil er sich auch ins Nevernever erstreckte, und im Nevernever stand er in einer idyllischen Landschaft an einer ebenso idyllischen Windmühle. An einer Stelle allerdings war der See völlig zugefroren, und die Bäume, die auf dieser Seite des Gewässers standen, waren von Rauhreif bedeckt.

Ja, es ist November und für Miami-Verhältnisse relativ frisch in der Stadt, aber zufrierende Gewässer sind in Miami auch für November nicht unbedingt normal. Als es in Miami das letzte Mal geschneit hat, war ich noch nicht mal geboren.
Im Nevernever sei das Wetter zwar etwas „klassischer“ winterlich, aber auch hier im Nevernever friere der See normalerweise erst Ende Dezember oder im Januar zu, erfuhren wir. Die Windmühle gehöre den Heinzelmännchen, erfuhren wir ebenfalls, die bräuchten sie ja für ihr Mehl zum Brotbacken.

Wir erkundigten uns noch ein bisschen ausführlicher über die Umstände. Die Gruppe lebt schon seit mehreren Generationen hier, aber es gibt keinerlei Dokumente, die belegen können, dass sie eingewandert sind oder offiziell hier wohnen. Als sie ins Land kamen, siedelten sie einfach auf dem Gelände und rissen die unbewohnten Bruchbuden ab, die stattdessen bis dahin dort standen. Sie bauten ihre Häuser und fingen an zu leben, und niemand wollte je etwas von ihnen wissen. Steuern zahlten sie auch, sagte Bonny. Einen Gefallen wollte er noch immer auf gar keinen Fall akzeptieren, aber wenn wir ihnen helfen würden, das Problem zu lösen, dürften wir 300 Jahre lang hier umsonst Karpfen essen, so viel und so oft wir wollten. Das war doch ein Handel, auf den wir uns gerne einließen.

Totilas machte den Vorschlag, doch einfach einen zweiten Teich zu graben und die Karpfen umzusiedeln, aber davon wollte Bonny nichts wissen. „Aber das hier ist doch unser Teich“, stammelte er entgeistert, „und außerdem geht das doch gar nicht, da ist doch überall Wiese!“

Tío. Feen. Dann werden wir wohl keinen neuen Teich graben.
Totilas griff in das Wasser und holte einen dieser Frostegel heraus. Von der Berührung wurde seine Hand blau und eiskalt, und er spürte darin nichts mehr, sagte er. Der Egel zog ihm Blut ab und veränderte selbst auch die Farbe: Er wurde silbrig und auf einmal erstaunlich... das ist ein so völlig falsches Wort in Bezug auf einen Blutegel, aber ich kann es tatsächlich nicht anders beschreiben, attraktiv. Was nur wieder einmal zeigte, wie stark Raith-Blut ist, wenn es sich sogar auf einen hässlichen Wurm auswirkt.

Mr Dahl hatte Bürgermeister Bonifer seine Karte gegeben. Sie war in exklusivem, elegantem Design gehalten und trug die Aufschrift „Dahl. Antiquitäten und Kunsthandwerk“ neben einer Adresse nahe der Lincoln Street und einer Telefonnummer.

Ebenso exkusiv und vornehm war auch sein Antiquariat, das wir als nächstes aufsuchten, und sein Besitzer hager und mit markantem Gesicht in tadellosem Maßanzug. Er begrüßte uns, mich vor allem, mit kühler Höflichkeit, was mich nicht weiter wunderte, denn ich selbst hielt es ja bei meiner Begrüßung nicht anders. Immerhin gehören Svartalfar zu Winter. Entsprechend vorsichtig brachte ich das Thema auf den Karpfenteich.

Er habe das Gelände mit dem Teich im August von der Stadt erworben, sagte Dahl. „Interessant“, kommentierte ich. „Das fand ich auch“, erwiderte Dahl. Ach? Sieh an? Sagen, ob er den Kauf selbst angestoßen habe oder ob er von jemandem dazu angeregt worden sei, wollte er aber nicht. Überhaupt wollte er nicht mehr zu der Sache sagen, denn was gehe es uns an?
Der Fall sei mir zu Ohren gekommen, erwiderte ich, und ich wolle mich vergewissern, dass alles seine Richtigkeit damit habe. „Ah, ein nobles Unterfangen“, entgegnete Dahl mit nur dem geringsten Hauch von Spott und bot mir dann einen Schreibtisch an, der einmal einem Schriftsteller gehört habe und der angeblich die Kreativität beflügele. Ich sagte, ich werde es mir überlegen; auch wenn er keinerlei magische Eigenschaften haben sollte, ist der Tisch ziemlich hübsch, aber eigentlich bin ich versorgt, und eigentlich passt er vom Stil nicht so ganz in mein Arbeitszimmer. Roberto äußerte sich sich ähnlich höflich und ähnlich ausweichend bezüglich eines Original-Ikea-Schranks von 1977, von dem insgesamt nur fünf Exemplare existierten, und dann waren der Formalitäten Genüge getan, und wir zogen weiter ins Katasteramt.
« Letzte Änderung: 13.07.2017 | 20:19 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Das Katasteramt wiederum war ein Griff in das sprichwörtliche Waschbecken. Also, nein, wir fanden schon heraus, was wir suchten. Es war nur nicht das, was wir hören wollten. Das gesamte Viertel gehört der Stadt, bis auf ein kleines Stück, bei dem ein gewisser Egil Bafursson eingetragen ist. Das dürfte dann wohl Dahls echter Name sein, da er für einen notariellen Kaufvertrag vermutlich kein Alias angegeben hätte. Es war auch alles rechtmäßig, soweit wir feststellen konnten, keine Lücke weit und breit. Die Stadt war bereit, das Land zu verkaufen, Dahl erwarb es, bezahlte es, es gehört ihm, da gibt es nichts daran zu rütteln.

Wir mutmaßten, dass es den Svartalf vermutlich selbst überrascht haben könnte, dass das Gelände zum Verkauf stand, und dass er dann kurzerhand zuschlug. Aber auch das ändert nichts daran, dass ihm der Teich tatsächlich gehört und zusteht. Mierda.
Natürlich fingen wir an zu überlegen, was wir tun könnten. Den See austrocknen? Das würde den Karpfen darin ebensowenig gefallen wie den Frostegeln. Einen neuen Teich graben und die Karpfen umsiedeln? Das hatte Bürgermeister Bonifer ja schon vehement abgelehnt. Das Wasser künstlich erwärmen? Das ginge vielleicht, wäre aber sehr aufwendig. Und da der magische Teil des Sees sich im Nevernever befindet, wäre da mit technischen Lösungen nicht so viel geholfen. Ich könnte mir zwar vorstellen, tatsächlich genug Sommermagie zusammenzubekommen, um sie in den Teich zu leiten und ihn damit aufwärmen zu können, aber das wäre erstens ziemlich aufwendig und zweitens nur kurzfristig. Um sowas auf Dauer am Laufen zu halten, hätte ich im Leben nicht die Kraft, ganz abgesehen davon, dass ich auch noch ein paar andere Dinge zu tun habe, als für den Rest meines Lebens an einem Karpfenteich zu stehen und ihn auf Temperatur zu halten, herzlichen Dank.

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25. Oktober

Wir hatten noch eine andere Idee. Könnte man vielleicht etwas mit dem Niesbrauchsrecht der Heinzelmännchen erreichen, die ja immerhin schon seit Generationen hier leben? Zu diesem Thema befragten wir heute Marshall Raith, der ist immerhin Anwalt und muss es wissen. Aber leider hatte auch Marshall keine positive Auskunft für uns. Das wäre schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, denn sie sind ja noch nicht einmal legal hier im Land, wie sich herausstellte, als wir nachfragten. Als sie nach Amerika kamen, hatte keiner von ihnen die schlaue Idee, sich bei den mundanen Behörden anzumelden, also sind sie illegale Einwanderer und haben keine Geburtsurkunden und nichts.

Das einzige, was uns sonst noch einfiel, war, Dahl nahezulegen, einen anderen See für seine Egelzucht zu verwenden und ihm den Karpfenteich abzukaufen. Dazu müssen wir nur von ihm wissen, was er gerne dafür hätte. Das behagt mir zwar gar nicht, weil der Kerl ein Vertreter des Winters ist, aber egal. Das ist doch nur wieder der Sommermantel, der da aus mir spricht. Da muss ich drüberstehen, ¡demonios!

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So, wir haben einen Termin mit Senor Dahl vereinbart. Morgen, heute war der Herr nicht mehr verfügbar. Ein sehr geschäftiger Geschäftsmann eben. Haha. Hat es nicht nötig. Grrrr. Aus, Alcazar, das ist immer noch Sommer, der da spricht.

Eines ist aber wichtig, das dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen: Die Heinzelmännchen müssen schnellstmöglich der Stadt den Rest des Landes abkaufen, damit sowas nicht demnächst gleich wieder passiert. Die Situation lädt ja geradezu dazu ein. Dazu brauchen sie aber Geburtsurkunden, damit sie sich legal im Land aufhalten und legal das Land kaufen können. Okay. George ist der Beauftragte des Wyld, seit Sergeant Book auf der Insel ist. Dann muss George, den die Wyld den „grauen Herrn“ nennen, als offizieller Wyld-Beauftragter zu mir kommen, dann kann ich zu Vin Raith gehen, der kann die Dokumente beschaffen, damit gehe ich wieder zu George, der gibt sie den Heinzelmännchen, damit die damit das Land kaufen gehen können, und niemand hat irgendwem einen Gefallen getan, weil alles ganz hochoffiziell war. Ha.

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Wir waren gerade auf dem Rückweg von unserem Termin bei Marshall Raith, da bekam Edward einen Anruf von seinem Partner – ehemaligen Partner, genauer gesagt, jetzt Untergebenen – Henry, der sagte, in einem Walmart in der Nähe gäbe es ein Problem: ein Kunde sei durchgedreht. Er habe an der Kasse gestanden, dann sei er plötzlich ausgerastet, habe seinen Einkaufswagen herumgeworfen wie ein verdammter Marvel-Superschurke (Henrys Worte, nicht meine) und sei dann abgehauen, renne noch da draußen rum, und Edward möge sich doch bitte darum kümmern!

Da keine Zeit war, um Autos zu wechseln und so weiter, fuhren wir mit zu dem Walmart. Ein paar uniformierte Polizisten nahmen gerade Aussagen auf, und zwischen zwei anderen war ein Nerdgespräch im Gange: Es fielen die Begriffe 'Hulk', 'Luke Cage' und 'Jessica Jones'.
Aber von diesen Scherzchen mal abgesehen, war die Stimmung unter den Zeugen und Passanten ziemlich gereizt: Auch bei den ganz normalen Bürgern warf der Supermond schon ganz schön seine Schatten voraus.

Der Einkaufswagen, mit dem der Täter um sich geworfen hatte, war noch da, und Edward nahm dort den Geruch des Mannes auf und wollte ihm folgen.
Sagte ich schon, dass die Stimmung gereizt war? Ein paar Umstehende machten blöde Sprüche wegen Edwards Schnüffelns, und er fuhr zu ihnen herum und wäre beinahe auf die Spottenden los. Ich schaffte es irgendwie, ihn davon zu überzeugen, dass die Sache wichtiger war, und zog ihn mit mir, während Totilas den Spott der Leute auf sich zog, damit wir ungestört wegkamen.

Edward folgte der Spur des Mannes bis in eine Gasse, wo der gerade auf eine Mülltonne einprügelte. Und wir kannten den Typen: Es war einer der Kojanthropen, die damals von Michael Fable betreut wurden, nachdem Ernesto Sanchez sie geschaffen hatte. Außerdem hockte in der Gasse auch noch ein Obdachloser, zusammengekauert und voller Angst.
Als Edward den Kojanthropen sah, knurrte er auf. „Lasst mich das machen.“
Er ging einige Schritte auf den Wütenden zu. „Unterlassen Sie das. Sir. Bitte.“
Der Mann fuhr mit glühenden Augen zu Edward herum. „Lass mich in Ruhe.“ Bäm – seine Faust fuhr wieder in die Mülltonne und hinterließ eine tiefe Delle. „Sonst“ – bäm – „geht's wem dreckig.“
„Das kann ich auch“, konterte Edward und verpasste der Tonne eine eigene Delle. „Und ich bin bei der Polizei.“

Der Typ knurrte wild auf und griff Edward an, und die beiden machten es unter sich aus. Glücklicherweise wurde niemand sonst in die Sache hineingezogen, und am Ende, nachdem sie einander die Mülltonne um die Ohren gehauen hatten, war der Kojanthrop ohnmächtig und hatte einen gebrochenen Arm, und Edward eine lange Schramme und diverse blaue Flecken. Aber immerhin waren beide noch am Leben.
Während ich Edward verarztete, leistete Totilas dem ohnmächtigen Kojanthropen erste Hilfe, ehe wir einen Krankenwagen für ihn riefen und er, inklusive Warnung bezüglich seiner Gewalttätigkeit und der Notwendigkeit eines Beruhigungsmittels, der Polizei übergeben wurde.

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26. Oktober

Hui. Heute nacht war die dünne Mondsichel schon um einiges größer zu sehen als üblicherweise. Ich glaube, da dürfen wir uns noch auf einiges gefasst machen.

Der Kojanthrop von gestern wurde heute dem Haftrichter vorgeführt, blieb aber nicht lange in Gewahrsam: Dr. Fable stellte Kaution für ihn. All die neuen Kojanthropen – also alle außer Enrique und seinen Kumpels im Gefängnis – sind ja bei ihm in Therapie.

Nachher steht auch der Termin bei Mr. Dahl an. Grrrrrr. Durchatmen, Alcazár. Professionell bleiben. Das ist der Mantel, der aus dir spricht. Bleib du selbst.

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Na, das ging doch erstaunlich gut.
Dahl empfing mich wieder mit kühler Höflichkeit, was mir aber gerade recht war, denn dasselbe Verhalten wollte ich auch an den Tag legen. Er bat mich in sein Büro, das in hellem und modernem skandinavischen Stil möbliert war. Und heute war Dahl tatsächlich bereit, ein paar mehr Worte über das Geschäft mit dem Teich zu verlieren.
Colin Mendoza habe ihm zu dem Teich geraten, und von ihm habe er überhaupt erfahren, dass das Land der Stadt gehöre und erworben werden könne. Ach. Colin. Sieh an. Hat der kleine cabrón von meinem Vorgänger seine Finger auch noch in anderen Töpfen als nur im Diebstahl von Lebenswasser.

Aus, Alcazár. Du hast den kleinen cabrón zu verantworten, das weißt du. Ja, weiß ich, ¡carajo!

Dahl musste mir meine Abneigung gegen Colin angesehen haben, denn er erklärte, er habe sich mit meinem Vorgänger immer gut verstanden. Für einen vom Sommer jedenfalls, war der unausgesprochene Zusatz.
Ich hätte bisher kein größeres Problem mit Winter gehabt, führte ich aus.
Oh, er hoffe, das werde in seinem Fall auch so sein, erwiderte Dahl. Aber ich sei nicht sonderlich gut auf Señor Mendoza zu sprechen, oder?
Er habe sich nicht ehrenhaft verhalten, knurrte ich. Oh, nickte Dahl, das sei natürlich nicht gut für einen Ritter.

Jedenfalls. der Svartalf sagte, er sei bereit, den Teich gegen einen anderen auszutauschen, seine Frostegel umzusiedeln, wenn wir dafür bereit wären, ihm bei einem Problem zu helfen. Vor einer Weile hätten sich Selkies auf Elliot Key angesiedelt, und die müssten weg da.
„Das kann ich Ihnen nicht versprechen, aber ich werde mit den Selkies reden“, erklärte ich.
„Also kommen wir nicht ins Geschäft?“ fragte Dahl. Ähm. Wie kam er denn jetzt darauf?
„Wenn die Selkies umziehen, dann kommen wir natürlich ins Geschäft“, stellte ich klar. „Wenn ich sie nicht davon überzeugen kann, umzuziehen, dann nicht.“
„Also ziehe ich meine Egel erst um, wenn die Selkies weg sind?“
Ich wiederhole mich, aber: ähm.
„Natürlich, nur so ist es doch fair.“
Jetzt schien Dahl überrascht. Jedenfalls sah er so aus, als er den Handel mit einem Handschlag besiegeln wollte. Er hatte kalte Hände, sehr kalte Hände, oder zumindest kam es mir in meiner Eigenschaft als Vertreter des Sommers so vor. Aber ich glaube, meine eigenen Hände müssen Dahl auch sehr warm vorgekommen sein.

---

Okay. Edward hat mit Suki Sasamoto über Elliot Key und Dahls Anliegen gesprochen. Wie es scheint, braucht der Schwarzalb die Insel, damit seine Schiffe dort anlegen und er seine Schmuggelgeschäfte betreiben kann – ich will es gar nicht genau wissen, solange es 'nur' Schmuggelgeschäfte sind und er nicht den ewigen Winter nach Miami bringen will. Svartalfar seien tückisch, ergänzte Suki, und dieser spezielle Svartalf habe schon versucht, die Selkies von Elliot Key zu vertreiben. Sie könnten vielleicht in die Everglades ziehen, irgendwohin an deren Rand, wo es Salzwasser gebe und keine Fischernetze, ein Ort, wo sie nicht gesehen würden. Nicht gesehen zu werden, sei wichtig, da viele Selkies oftmals ohne ihre Häute unterwegs seien, und nicht alle kämen mit Menschenkleidung klar. Jedenfalls, die Glades gingen vielleicht, aber andererseits gebe es zu viele Krokodile dort, und Krokodile fressen Selkies.

Also gut. Dann müssen wir wohl nochmal mit Selva Elder reden, ob sich da etwas machen lässt.

---

In der Way Station war wieder mal einiges los, als wir ankamen. Natürlich war Selva Elder selbst anwesend, aber auch Cherie Raith, dieser Sarkos, von dem wir immer noch nicht genau wissen, ob er jetzt ein Black Court-Vampir oder ein Ghul oder etwas ganz anderes ist, außerdem Angel Ortega, der so aussah, als habe er hier eine neue Anstellung als Aufpasser gefunden, und Hans Vandermeer. Der Fliegende Holländer war betrunken und redete auf Cherie ein, die ihm gerade entgegenschleuderte, er solle ihr nicht auf die Nerven gehen.

Als Vandermeer Edward zu Gesicht bekam, fing er an, über den herzuziehen und ihn bei Cherie schlechtzumachen. „Er ist aber besser im Bett“, konterte sie trocken, woraufhin Vandermeer zu Edward herumfuhr. „Lass die Finger von ihr!“
Edward blieb erstaunlich ruhig dafür, dass der Supermond bevorstand. Er klang fast milde. „Wer die Finger an sie legt, entscheidet immer noch sie selbst.“
Cherie grinste den blonden Holländer kurz an. „Siehst du, und genau deswegen ist er besser im Bett als du.“

Und so ging es weiter. Vandermeer und Edward feindeten sich noch ein bisschen länger an, bis Selva Elder schließlich einschritt, wenn sie sich prügeln wollten, sollten sie das draußen tun. Nicht in ihrem Laden, der sei immerhin neutraler Boden. „Lass ihn leben“, ermahnte ich Edward noch. Der wirkte inzwischen richtig auf Hundertachzig, und froh, sich abreagieren zu können, aber er nickte. Draußen vor der Way Station prügelten die beiden sich tatsächlich, was damit endete, dass Edward seinen Gegner ins brackige Wasser warf, dann aber doch darauf achtete, dass der andere ungefressen wieder herauskam.

Hinterher trugen wir Selva unser eigentliches Anliegen vor. Sie erklärte, sie wolle die Selkies nicht in den Glades haben, weil es hier zu gefährlich für sie sei. Es gebe aber eine Insel draußen beim Cayo Huracán, die ziemlich ideal für ihre Zwecke sein dürfte. Tanit sollte das wissen, die Insel liege in ihrem Bereich.
Alles in allem war Selva aber ziemlich genervt von uns. „Darf ich jetzt vielleicht weitermachen? Ich habe ein Gumbo zu kochen.“
Klar durfte sie. Auf immer verscherzen wollten wir es uns ja mit ihr auch nicht. Deswegen, und weil wir hungrig waren, bestellten wir uns jeder eine Portion. Falls ihr mal richtig leckeres Gumbo essen wollt, Römer und Patrioten, geht in die Way Station.

Während des Essens beratschlagten wir, wie wir am besten an Tanit rankämen. Direkt zu ihr zu gehen, wäre unhöflich, aber wozu habe ich Kontakt zu Yahaira Montero. Ritter zu Ritterin, das gäbe dem Ganzen gleich nochmal einen semiformellen Anstrich, der in diesem Fall vielleicht gar nicht schaden kann.

Dann aßen wir in Ruhe auf und tranken noch einen Kaffee hinterher, und ich hab den Kram hier aufgeschrieben. Aber jetzt geht’s zurück.

---

27. Oktober

Au. AU. Au, verdammt. Kopfschmerzen. Kann mich immer noch kaum konzentrieren. Und ich dachte, eine Nacht Schlafen würde vielleicht helfen.

Okay, ich bin ja selbst schuld, aber in dem Moment ging es nicht anders, oder zumindest wusste ich mir in dem Moment keinen anderen Ausweg.

Auf dem Rückweg nach Miami klingelte Edwards Handy schon wieder. Diesmal war Salvador Herero in der Leitung, der seinem Chef mitteilte, dass schon wieder jemand ausgetickt sei, auf einer Straßenkreuzung diesmal. Natürlich fuhren wir hin.

Auf der besagten Straßenkreuzung stand ein Mann, oder zumindest eine Gestalt, denn sie wirkte nur noch entfernt menschlich. Der Mann war angeschwollen vor Muskeln und trug tierhafte Gesichtszüge, machte auch tierhafte Geräusche. Hier stimmte der blöde Witz vom Hulk, den die Cops gestern gemacht hatten, tatsächlich. Mit einem Ächzen, das nur wenig nach Anstrengung klang, viel mehr nach unbändiger Wut, stemmte er ein Auto hoch und zerriss es in der Luft. Ich wiederhole das nochmal. Ein Mann stemmte mit bloßen Händen ein Auto hoch und zerriss es.

Als er uns sah, kam der Kerl auf uns zugestampft. Trotz seiner Masse war er erschreckend schnell auf den Beinen, und wir hatten Glück, dass wir ein Stück von der Kreuzung entfernt waren und der Mann ein gewisses Stück zurücklegen musste. Roberto stellte sich breitbeinig hin und verspottete den Typen, der sich daraufhin in dessen Richtung drehte. Totilas wollte ihn auch ablenken, aber der Kerl war derart auf Roberto fixiert, dass Totilas' Rufe keinerlei Wirkung zeigten. Ich dachte, ich versuche es mal mit meinem patentierten Sonnenlichtzauber und blende ihn, aber ein Hulk ist nunmal kein Vampir, und so wurde es zwar hell um den Typen herum, aber das störte ihn nicht groß. Ich vermute mal, er orientierte sich ohnehin nicht sonderlich stark über die Augen in dem Moment.

Edward versetzte seinem Gegner einen kräftigen Hieb, aber das schien den Hulk auch nicht sonderlich zu beeindrucken; die Beule, die er von Totilas kassierte, genausowenig. Er war immer noch derart auf sein erstes Ziel konzentriert, dass er die beiden Treffer ignorierte und stattdessen nach Roberto schlug. Weil der allerdings geschickt auswich, wurde er nicht getroffen, hatte sich aber gegenüber dem Hulk in eine ungünstige Position gebracht. Der nächste Schlag würde ihn mit ziemlicher Sicherheit treffen, und zwar gewaltig.

Ich bin nun keine große Leuchte im Nahkampf, das ist kein Geheimnis, auch wenn ich dank des Unterrichts bei Eileen im Umgang mit Jade schon deutliche Fortschritte gemacht habe. Mich diesem Koloss also jetzt mit meiner Feenklinge in den Weg zu stellen, würde es auch nicht bringen. Der Kerl würde gleich Roberto zu Klump schlagen, und soweit durfte es nicht kommen. Es war mit Sicherheit keine meiner schlaueren Ideen, aber die einzige Möglichkeit, die ich in dem Moment sah, um ihn aufzuhalten, wo mein patentiertes Sonnenlicht schon nicht funktioniert hatte, waren Ranken. Schöne, feste, sommerliche Ranken, um den Kerl festzuhalten. Soweit so gut. Der Zauber klappte wie geplant, und die Ranken sprossen aus der Erde. Nur war der Hulk eben extrem stark, also mussten die Ranken auch richtig, richtig solide sein. Und um sie eben so richtig, richtig solide zu machen, steckte ich mehr Kraft hinein, als ich es mir leisten konnte.
Die Strafe folge auf dem Fuße: Ich konnte richtiggehend spüren, wie ich mich mit dem Wirken des Spruchs überanstrengte, und im selben Moment begann mein Kopf so heftig zu schmerzen, als würde er im nächsten Moment platzen, während mir ein Blutfaden aus der Nase lief. Ich wiederhole mich, aber: au. Au, verdammt.

Memo an mich: Du bist kein echter Magier, Alcazár. Du hast jetzt diese Sommerkräfte, ja, aber leichtsinnig solltest du deswegen nicht werden.

Der Hulk war aber jedenfalls von den Ranken gefesselt, oder zumindest so stark behindert, dass er nicht an Roberto herankam. Edward aber kam an ihn heran. Und jetzt hielt er sich nicht mehr zurück. So schwer es mir fällt, das zu schreiben: Diesen Gegner prügelte Edward tot. Richtig tot. Und sogar, als der Kerl schon tot war, stand Edward noch mit geballten Fäusten über ihm und sah aus, als wolle er ihn gleich in tausend Fetzen reißen.

Irgendwann kamen auch Suki Sasamoto und Salvador Herero dazu, um zu helfen. Beide hatten schon vorher im Kampf gegen den Hulk kräftig einstecken müssen: So war Sukis Arm gebrochen, und Herero blutete aus mehreren Wunden. Suki, ganz die Japanerin, entschuldigte sich verlegen, während Herero bei Henry Smith anrief, damit der den Vorfall hinerklären sollte. „Das wird aber schwer zu erklären“, unkte Totilas. Na mal sehen. Spin Doctoring ist immerhin Henrys Spezialität.

Ich tat ansonsten gestern abend jedenfalls nicht mehr viel, außer ein paar Kopfschmerztabletten einzuwerfen und mich ins Bett zu packen, sobald Alejandra auch schlief. Und ich hatte eigentlich gehofft, die würden über Nacht wirken. Aber Fehlanzeige. Mierda.
« Letzte Änderung: 13.07.2017 | 20:16 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Beim Aufwachen dröhnte mein Kopf immer noch. Aber da konnte ich erstens nichts daran ändern, und zweitens gab es auch genug zu tun, was mich das ein bisschen vergessen, oder zumindest ignorieren, ließ. Wir hatten ja schon überlegt, wie wir Tanit am besten kontaktieren könnten. Über Hurricane war eine Idee, aber da hätte Totilas nicht mitkommen können, weil dem ja für Fae die Aura des Wortbrüchigen gegenüber der Herrin der Stürme anhaftet. Aber im Verlauf des Vormittags bekam ich die Nachricht, dass Yahaira Montero sich im Behind the Cover mit mir treffen würde. Da konnte dann auch Totilas mitkommen. Alex allerdings nicht – der schickte heute morgen eine kurze Nachricht, er habe was zu erledigen, und er würde dann später wieder zu uns stoßen. Was auch immer er zu tun hatte: Lichterketten aufhängen, witzelten wir herum, Weihnachtsbäume dekorieren? Jedenfalls irgendwem irgendwelche Gefallen tun vermutlich.

Die Unterhaltung mit der Winterritterin verlief sehr höflich und durchaus konstruktiv. Ich erzählte ihr von unserem Dilemma mit der Insel für die Selkies und dass wir natürlich nichts über Tanits Kopf hinweg unternehmen wollten. Oh, meinte Yahaira, fast ein wenig erstaunt, das sei aber sehr diplomatisch von mir. Und als ich mich daraufhin ebenfalls etwas überrascht zeigte, setzte sie noch hinzu, Pans frühere Ritter hätten es nicht so mit der Diplomatie gehabt. Oh. Oho. Aber ja, da könnte sie recht haben. Wenn ich mir das so überlege, könnte Eileen die letzte Sommerritterin gewesen sein, von der man so etwas wie Diplomatie erwarten durfte.

Wie dem auch sei, wir besprachen das Problem sehr ruhig und sachlich. Ich könnte natürlich meinen Gefallen bei Tanit einfordern, das wäre eine Möglichkeit. Oder vielleicht könnten wir der Winterherzogin von Miami einen anderen Dienst erweisen?
Die Fürstin sei besorgt wegen der Anwesenheit von Lord Frost, erklärte Yahaira. Er sei jetzt seit einer ganzen Weile hier in der Gegend, aber es sei eigentlich im Interesse aller, wenn er sich hier nicht fest ansiedeln würde. Ihn davon abzubringen bzw. sich um diese Angelegenheit zu kümmern, wäre aber kein Gefallen für Tanit.

Na gut. Dann musste ich wohl meinen Gefallen einfordern. Für genau eine solche Gelegenheit gab es ihn ja, auch wenn ich eigentlich ursprünglich gedacht hatte, dass ich ihn vielleicht für etwas... Persönlicheres würde verwenden können. Aber wenn schon nicht persönlich, war das doch immerhin für Miami, also auch die Sache wert.
Langer Rede kurzer Sinn: Als Gegenleistung für den Gefallen, den sie mir schuldet, gestattet Tanit den Selkies, auf die Insel umzuziehen. Dann kann Dahl mit seinen Egeln auf den Elliot Key, und die Heinzelmännchen bekommen ihren Teich wieder.

Als nächstes suchten wir die Heinzelmännchen auf, um ihnen die gute Nachricht zu überbringen und die weiteren Schritte mit ihnen abzusprechen. Da der Teich ja rechtmäßig Dahl gehört, müssen sie einen Kaufvertrag mit ihm aufsetzen, sobald sie ihre Geburtsurkunden haben, und die sind ja dank Vin Raith auch schon in der Mache. Wir boten ihnen ebenfalls an, dabeizusein, falls sie beim Verhandeln mit Dahl einen neutralen Vermittler bräuchten, was sie sich überlegen würden, wie Bürgermeister Bonifer erklärte. Und dann sangen die Heinzelkinder uns noch ein Ständchen. Auf Deutsch. Es war richtig rührend.

Mr. Dahl informierten wir dann auch noch über die neuesten Entwicklungen. Auch er zeigte sich höflich und einverstanden, den Tausch wie geplant durchzuziehen. Als wir ihn dann noch auf Lord Frost ansprachen und ebenfalls erwähnten, dass ja gerade der Supermond anstehe, und ob Lord Frosts derzeitige Aktivitäten damit irgendwie in Zusammenhang stehen könnten, glaubte er das aber eher nicht: Der Mond sei nicht Lord Frosts Domäne.

Sobald wir den Svartalf verlassen hatten, sprach Roberto einen interessanten Gedanken aus. Damals vor vier Jahren, als Catalina Valdez (oder vermutlich eigentlich Cicerón Linares als Drahtzieher im Hintergrund) mit den Latin Raiders zusammen während des Vollmonds das Biest beschwören wollte, kam die Bestie zwar nicht durch, aber die Wand zwischen unserer Welt und dem Nevernever wurde da ziemlich geschwächt. Vielleicht hat dieses Biest ja jetzt beim Supermond wieder eine Gelegenheit, herauszukommen – auch wenn es niemand direkt ruft?

Auf dem Heimweg bekam Edward einen Anruf von einem Streifenpolizisten, der irgendwo in der Stadt unterwegs war. Eigentlich war die Situation schon wieder unter Kontrolle, aber Ms. Wong habe gesagt, es sei besser, wenn Lieutenant Parsen vorbeikomme.

Ms. Wong? Ach ja, richtig, Cynthia Wong, James Vanguards Stellvertreterin bei Vanguard Security. Oha. Und wohin vorbei? Ins Museum für Moderne Kunst.

Im Museum fanden wir neben dem Streifenpolizisten, der Edward angerufen hatte, auch seinen Partner vor. Der Anrufer war ein ziemlicher Neuling, sein Partner schon ein altgedienter Veteran. Sie standen vor einem Raum, dessen Tür geschlossen war, davor ein Feuerlöscher, der anscheinend von der Wand gerissen und mit großer Gewalt herumgeworfen worden war, denn das Gerät war geplatzt und es waren Spritzer von Löschschaum überall. Cynthia Wong war im Moment nirgendwo zu sehen.

Ein schwarzer Teenager sei durchgedreht, informierten uns die beiden Cops. Jemand von der Museumssicherheit – gestellt von Vanguard Security – habe versucht, den Jungen zu beruhigen, sei dann aber selbst auch durchgedreht. Ms. Wong von Vanguard sei gerade dabei, die Sache einigermaßen zu regeln, denn das sei erst mal eine interne Vanguard-Angelegenheit. Alles weitere, wie der entstandene Sachschaden und so weiter, könne man später klären. Und mit diesen Worten zogen die beiden Cops erst einmal ab.

In dem Raum fanden wir Cynthia Wong und eine junge Frau in Vanguard Security-Uniform. Cynthia redete gerade beruhigend auf die jüngere Wachfrau, die offensichtlich ein Teil des Vanguard-Rudels war, ein: „Denk an das weite Feld. Denk an den Mond. Denk daran, wie du mit dem Mond läufst“, und allmählich gelang es ihr, die andere tatsächlich wieder einigermaßen auf den Teppich zu bringen.
Dann wandte sie sich uns zu und erklärte, sie bräuchte keine Hilfe hier, mit der Situation hier kämen sie schon irgendwie zurecht. Aber der Junge sollte aufgehalten werden. Der sei irgendwie durch das Fenster raus.
Da Cynthias Kollegin immer noch nicht so aussah, als habe sie sich völlig unter Kontrolle und auch Ms. Wong selbst sichtlich gereizter wirkte, als sie es zugab, sahen wir zu, dass wir ihren guten Vorschlag aufgriffen.

Als Edward draußen den Geruch des Flüchtigen aufnahm, machte er ein verwundertes Gesicht. Irgendwas daran sei vertraut, meinte er dann, auch wenn er sich sehr sicher sei, dass er diese Witterung noch nie in der Nase hatte.

Beim Verfolgen der Geruchsfährte merkten wir, dass der Flüchtende wohl aus vollem Leibe gerannt sein musste und alle Kraft in das Rennen gelegt hatte, so dass er eher wenig Verwüstung hinter sich zurückgelassen hatte, sondern mehr wie ein Parkour-Springer unterwegs war.
Wir holten den Jugendlichen ein, als er gerade von einer Brücke auf die darunterliegende Straße sprang. Er machte das sehr geschickt, rollte sich ab und rannte weiter, hatte sich offenbar kein bisschen verletzt. Wir hingegen nahmen lieber die Treppe, auch wenn das den Abstand wieder etwas vergrößerte.

Zum zweiten Mal holten wir dann an einer großen Kreuzung zu dem Jungen auf, der vielleicht so fünfzehn oder sechzehn Jahre alt sein mochte. Er stand in der Mitte der Kreuzung auf einer Verkehrsinsel und wurde wild angehupt. Ampeln blinkten, Telefone klingelten, und man konnte richtig sehen, wie der Lärmpegel den Teenager zum Kochen brachte. Meinen Kopfschmerzen tat das auch nicht so richtig gut, muss ich gestehen, und ich konnte spüren, wie ich auch schon ein bisschen aggressiv zu werden drohte. Dieser Supermond ist anstrengend, wenn ich das mal so sagen darf.

Jetzt hieb der Junge mit voller Wucht auf einen Hydranten ein. Ein Passant wollte ihn mit einem „das kannst du doch nicht machen, Kleiner!“ davon abhalten, aber Edward zückte seine Polizeimarke und blaffte den Mann an: „Gehen! Sie! Weiter! Sir!!“
Der Teenager drehte sich um. „Du bist Edward.“ Und während der ihn noch anstarrte, fuhr der Kleine fort: „Ich geh' nicht wieder zurück!“
„Zurück?“ machte Edward verblüfft, und der Junge antwortete: „Zu Dad!“

Oooookay. Das erklärte natürlich auch den vertrauten Geruch. Jedenfalls fasste Edward sich ziemlich schnell und bot seinem dem Kleinen an, er könne bis auf weiteres erst einmal bei ihm unterkommen. „Hast du 'nen Namen?“ fragte er dann? „Cassius.“ „Guter Name.“ Besser als Julius, stimmte der Teenager zu, das sei nämlich die Alternative gewesen.

Als wir Cassius von der Kreuzung weggeholt hatten und auf dem Weg zu Edward waren, erzählte der Junge erst einmal, was im Museum überhaupt passiert war. Da sei so ein blöder Arsch gewesen, der sich mit ihm habe anlegen wollen, da sei Cassius wütend geworden, und Imana und Cynthia wollten ihn aufhalten. Die beiden kenne er aus einem Internetforum, wo lauter Leute posteten, die mit Wutanfällen zu kämpfen hätten.

In dem Moment musste Edward, in dessen Auto wir saßen, scharf in die Eisen steigen, weil er von vorne ausgebremst wurde, und hieb mit einem ärgerlichen Knurren, das Cassius ihm in doppelter Lautstärke nachmachte, auf die Hupe. Der durchdringende Ton brachte meinen Schädel beinahe zum Platzen, und ich fuhr mir mit der Hand vor die Augen. „Au, mein Kopf!“
Cassius warf mir einen misstrauischen Blick zu. „Ist der auch seltsam?“ „Anders seltsam“, erwiderte Edward. „Er schreibt Bücher.“
Wenn mein Kopf mir nicht so wehgetan hätte, dann hätte ich laut herausgelacht, glaube ich.
Cassius jedenfalls bekundete, dass Bücher toll seien, dass er von mir aber noch nie gehört hätte. Auf meine Erklärung, ich schriebe Urban Fantasy, schüttelte er nur altklug den Kopf und erklärte sehr ernsthaft, er lese solche Sachen wie The Catcher in the Rye und so. Hach ja. Teenager, die ernsthafte Literatur entdecken. Es sei ihm von Herzen gegönnt.

Zuhause unterhielten wir uns dann ausführlicher. Wie wir schon vermutet hatten, ist Cassius Edwards Halbbruder: gemeinsamer Vater, aber eine neue Frau – auch wenn Mr. Parsen sich vermutlich nie offiziell von Marie hat scheiden lassen. Nachdem Marie und Edward weg waren, verbrachte Parsen Senior einige Zeit im Gefängnis, erzählte Cassius. Dort lernte er dann Cassius' Onkel kennen, der ebenfalls mondsüchtig war (wie Cassius das formulierte), und nach seiner Entlassung traf er dann auf die Schwester seines Mitgefangenen und kam mit ihr zusammen. Cassius' Mutter sei auch mondsüchtig, erzählte der Junge, was ihr erlaube, ihrem Freund Paroli zu bieten, wenn der wütend werde, so einigermaßen zumindest.

Edward nickte und meinte, er müsse Cassius Schneeball vorstellen. „Dein Rudel?“ wollte der Junge wissen, woraufhin Edward ein Foto von Schneeball aus der Tasche fischte und es seinem Bruder zeigte. Der war verwirrt. „Das ist ein Schoßhund!“ „Lass ihn das nicht hören“, schmunzelte Edward, „in seinen eigenen Augen ist er ein Wolf.“ Das verwirrte Cassius aber nur noch mehr: „Du hast einen größenwahnsinnigen Spitz als Rudel?“
„Lach nicht, das hilft mir tatsächlich dabei, die Kontrolle zu behalten.“
Cassius ließ nicht locker. „Aber hast du denn kein Rudel?“
„Nicht im klassischen Sinne“, meinte Edward, und deutete im Kreis herum auf uns.
„Oh.“ Sein Onkel habe immer gesagt, es tue einem nicht gut, wenn man kein Rudel habe, führte Cassius weiter aus, und sein Dad habe auch immer erzählt, es habe ihm überhaupt nicht gut getan, alleine zu sein.

Als Edward seinen Bruder dann bat, ihm einen Gefallen zu tun und nicht ins Labor zu gehen, bekam der große Augen. Labor? Das sei ja wie bei Walter White, voll bad-ass!
Nein, erwiderte Edward, keine Drogenküche. Eher esoterisch.
Das war der Moment, in dem Roberto wieder mal Roberto sein musste und Cassius provozierte. Mit einer ganz klar absichtlich auf schwul gehaltenen Anmache legte er dem Jungen nahe, auf seinen Bruder zu hören, was Cassius wild aufknurren ließ und Edward dazu brachte, unseren Kumpel kurzerhand des Hauses zu verweisen. Seinen Halbbruder, der aussah, als wolle er gleich irgendwas zerreißen, schickte Edward erst mal an seinen Boxsack, wo der Kleine sich die Fäuste blutig schlug, aber tatsächlich etwas Dampf abzulassen schien.

Kurze Zeit später brachte Ximena, die auf den Hund aufgepasst hatte, Schneeball vorbei. Ich stand gerade am Fenster und konnte sehen, wie Roberto, der noch draußen war, sich kurz mit ihr unterhielt. So, wie er nach drinnen zeigte, war klar, dass er seine Cousine über Edwards plötzlichen Halbbruder aufklärte.
Dann kam sie samt Hund herein, aber Schneeball bellte so wild und aufgeregt herum, dass Cassius schon wieder die Nerven verlor. Ich kraulte den kleinen Spitz ein bisschen, da bellte er noch ein bisschen, gab dann aber endlich Ruhe.
„Na toll“, maulte Edward, „Familie! Fehlen nur noch Frau und Kind, haha!“
Ich grinste ihn an. „Naja, man soll nie nie sagen.“
„Ha, lass mal“, schnaubte Edward, „jetzt habe ich Cassius an der Backe, das reicht mir erstmal völlig.“
„Warum soll es dir besser gehen als mir?“ fragte ich ihn, auch wenn ich das eher scherzhaft meinte. Denn ich habe nicht das Gefühl, Jandra an der 'Backe' zu haben, im Gegenteil.
„Deine ist nicht so wild“, konterte Edward.

Und dann... ich weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll. Es ging mir das sprichwörtliche Licht auf. Mit einem Mal fuhr mir ein Gedanke in den Kopf, und es war mir völlig schleierhaft, wie ich vorher nicht darauf gekommen sein konnte. Scheiße! ¡Mierda y cólera!

„Was ist los?“ wollte Totilas wissen, also fluchte ich noch ein bisschen weiter, erklärte dann aber. Jandra ist Enriques Tochter. Und Enrique ist ein Koyanthrop. Oder besser: Enrique wurde von Ernesto Sanchez zum Koyanthropen gemacht. Und wenn er das Gen hatte, das es bei ihm ermöglichte, den Koyanthropen zu wecken, dann hat seine Tochter das mit einiger Wahrscheinlichkeit auch. Und, cólera noch eins, dann habe ich es garantiert auch, denn ich bin sein Bruder, verdammt! Und was, wenn das verdammte Gen ausbricht, sobald der Supermond richtig losgeht?

Wir könnten Jandra testen, schlug Totilas vor. Ein Ritual durchführen, um herauszufinden, ob beim Supermond das Gen ausbrechen wird. Oder vielleicht ein Ritual, damit beim Supermond das Gen ausbricht?
„NEIN!!“

„Ginseng-Tee“, schlug Roberto vor. „Viel Ginseng-Tee.“
„Und du solltest Alejandra Disziplin beibringen“, fügte Totilas hinzu.
Grrrrrr. Was zum Geier?!
„Glaubst du etwa, dass ich meiner Tochter keine Disziplin beibringe?!“
Okay, verdammt. Ich bin tatsächlich auch ziemlich gereizt. Hoffen wir mal, das ist wirklich nur der Supermond, und nicht dieses blöde Gen, das herauskommen will. Totilas lenkte auch schnell ein und erklärte, natürlich glaube er, dass ich Jandra Disziplin beibrächte, aber eben nicht so systematisch, wie gerade Edward sie betreibt. Ach so hatte er das gemeint. Trotzdem. Grrrr.

Etwas später kamen Cynthia Wong und ihre Kollegin Imana vorbei, um Cassius abzuholen. Der Junge schien auch ganz erleichtert darüber: Zum einen ist er es gewohnt, ein Rudel um sich zu haben und zum anderen war es ihm anscheinend doch ein bisschen peinlich, bei seinem großen Bruder zu sein. Er wolle aber in Kontakt bleiben, sagte er.
Alex tauchte kurze Zeit später auch wieder auf. Er habe diverse Löcher stopfen und Türen schließen müssen, sagte er, denn spätestens seit der Schwächung der Insel der Jugend sind hier in Miami die Grenzen zum Nevernever unangenehm dünn. Drüben im Nevernever habe er Spuren gefunden, sagte Alex, von einer riesigen wolfsartigen Pfote.

Könnten das eventuell Spuren von dem Biest gewesen sein, das die Latin Raiders damals rufen wollten? An die Bestie hatten wir ja etwas früher am Tag schon gedacht, auch wenn wir eher einen Zufall vermuteten. Aber jetzt mit der Spur... Wird es eventuell auch diesmal wieder mit Absicht gerufen?
Hmmm. Wir könnten ein Ritual abhalten, sinnierte Edward, um herauszufinden, ob das Biest gerufen wird, und wenn ja, von wo aus.
Das hielten wir alle für einen ziemlich guten Plan, aber wenn, dann sollten wir das abends machen, wenn der Mond zu sehen ist. Aber nicht mehr heute. Wir hatten einen langen Tag, und ein paar Vorbereitungen müssen wir ja auch erst noch treffen. Deswegen verabredeten wir uns für morgen und trennten uns.

Und ich muss jetzt erstmal dringend schlafen. Ich habe das hier alles zwar noch aufgeschrieben, weil ich morgen sonst vielleicht nicht mehr dazu komme, aber ich bin völlig erledigt. Und Kopfschmerzen habe ich immer noch.

Oh, aber eines noch: Bei Schneeball stellen sich jedesmal die Ohren auf, wenn er das Wort 'Ritual' hört. Das war so, als es um das potentielle Ritual für 'Jandra ging, und dann, als wir über das Biestrufritual redeten, wieder. Der Hund ist eben doch ein Ritual-Pavlov. Fehlt nur noch Schrödingers Ritualkatze. Echt jetzt.
« Letzte Änderung: 13.07.2017 | 20:17 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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28. Oktober

Eben haben wir uns getroffen und ein bisschen geplant. Ritualzutaten überlegt und so. Hören wird leicht, da hatte Roberto die Idee für zwei Konservendosen am Strick. Für das Sehen will Alex sämtliche Schwachstellen, die er so gefunden hat, in eine Karte von Miami einzeichnen. Als Komponente für Schmecken nehmen wir einfach rohes Fleisch, davon hat Edward ohnehin genug zuhause, weil er Schneeball gelegentlich damit füttert, und Totilas hat gesagt, er weiß um ein Männerparfum namens „Wolf“, das er besorgen will. Für den Geist besorge ich uns ein Exemplar von Jack Londons „Call of the Wild“, dann bleiben nur noch Fühlen und Seele. Für ersteres habe ich schon eine Idee, dafür muss ich aber mit Oliver Feinstein sprechen, und für die Seele fände ich ein Wolfsgedicht gut. Da weiß ich zwar keines auf Anhieb, aber sowas kann man ja recherchieren. Immerhin sind meine Kopfschmerzen über Nacht besser geworden. Noch nicht richtig weg, aber auch nicht mehr so Kopf-explodierend wie vorher.

---

Ha. Oliver hat doch dieses Wolfsfell im Laden hängen. Das hat er mir leihweise für einen kleinen Obolus überlassen – und für das Versprechen, demnächst im Behind the Cover eine Lesung abzuhalten. Aber gerne doch, die kann er kriegen.

Und in Sachen Seele bin ich auch fündig geworden. Auf einer Poesie-Webseite habe ich ein kurzes Gedicht gefunden, zu dem die Autorin nach eigener Aussage inspiriert wurde, nachdem sie eines Morgens nahe ihres Hauses im Schnee Pfotenabdrücke gefunden hatte, die sich später als die eines Wolfs herausstellten. Und kurz und knackig und, naja, schön poetisch, ist es dazu. Perfekt für unsere Zwecke, wenn ihr mich fragt, Römer und Patrioten.

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Verdammt. Eben bekommt Roberto eine Chatnachricht samt Foto von Dee, dass „dieser Typ“ gerade mit Paco weggegangen sei. Paco kennen wir: Das ist einer der Jungs aus dem Jugendzentrum. Ziemlich absturzgefährdet. Hat im Jugendzentrum eine kleine Gang gegründet. Und der Typ auf dem Foto? Kein anderer als Lord Frost. Verdammt! Roberto schreibt ihr gerade zurück. Und los. Später mehr.

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Okay. Was zum Geier?

Während wir im Auto saßen, kam von Dee nochmal eine Nachricht: „Sie sind zum Schwimmbad.“ Welches Schwimmbad sie meinte, wussten wir auch: ein altes Hallenbad in der Nähe des Jugendzentrums, das aber momentan geschlossen ist. Also nicht zum Jugendzentrum, sondern direkt dorthin.

Die Tür, das konnten wir auf den ersten Blick sehen, war zugefroren. So fest zugefroren, dass nicht mal Edward mit all seiner Kraft sie aufbekam. Also rief ich die Sommermagie nach oben und taute das Schloss auf. Das tat meinen Kopfschmerzen nicht unbedingt gut, aber es musste nun einmal sein.

Drinnen fanden wir uns an der kurzen Seite des Schwimmbeckens wieder. Auf der anderen Seite des Beckens sahen wir Lord Frost und Paco, der gerade in dem Moment aus einer relativ großkalibrigen Pistole einen Schuss abfeuerte, aber nicht auf Lord Frost, sondern auf Dee, und sie am Arm traf. Verdammt! Dee hechtete in Deckung, und Totilas rannte los, auf Paco zu.
Paco feuerte wieder, auf Edward diesmal, und eigentlich konnte er gar nicht treffen, weil er die Waffe völlig schief und in die falsche Richtung hielt. Aber ich konnte sehen, wie irgendwelche Runen darauf rötlich aufleuchteten – und zwar nicht sommerwarm, sondern eher höllisch-dämonisch – und das abgefeuerte Geschoss regelrecht einen Bogen beschrieb, ehe auch Edward am Arm getroffen wurde.

Lord Frost reagierte nicht auf Pacos Schüsse oder unsere Ankunft, sondern stand einfach nur da und sah zu, als wolle er abwarten, was noch so passieren würde.
Aber das Wasser im Becken war am Gefrieren, eine bläulich leuchtende Eissuppe, die schon ziemlich solide wirkte, und vielleicht wollte er diesen Zauber ja auch am Laufen halten.

Während Roberto in Deckung ging, Alex sich suchend umsah und Edward brüllte „Waffe weg! Miami P.D.!“, rief ich wieder den Sommer hoch und ließ meinen patentierten Sonnenlichtzauber auf Paco los. Der war zwar natürlich kein Rotvampir, aber auch Nichtvampire soll man mit hellem Licht ja blenden können.
Geblendet wurde der Jugendliche zwar, wie mir der Arm bewies, den er vor die Augen riss, aber dummerweise hinderte ihn das nicht daran, blind einen weiteren Schuss abzugeben. Und wieder konnte ich sehen, wie die Kugel eine Kurve flog, ehe sie Totilas an der Seite zu traf. Der war jetzt aber auch schon bei seinem Gegner angekommen und entriss Paco die Waffe. Während die beiden miteinander rangen, bemerkte ich, dass mindestens eine Gestalt in dem zufrierenden Wasser trieb. Vielleicht war denen noch zu helfen, aber dazu musste ich das Wasser auftauen. Okay, das mag vielleicht etwas größenwahnsinnig klingen, aber eigentlich war es auch nur Sommerwärme, oder zumindest redete ich mir das ein. Da, wo mein Zauber hinfiel, traf warmes goldenes Licht auf das kalte blaue, von dem das Wasser gefror, und ganz langsam fing das Eis im Becken an zu tauen.

Indessen ging auch Edward auf den jungen Paco los, zu dessen lautem Gezeter über die verdammten Scheiß-Cops, die sich überall einmischen mussten. Alex hingegen hatte inzwischen eine verlassene Dose Haarspray gefunden und aus der einen improvisierten Flammenwerfer gebastelt, mit dem er ebenfalls in Richtung Paco stürmte. Aber bevor er noch bei dem Jugendlichen ankam, pustete Lord Frost einmal kurz in dessen Richtung, und Paco fror einfach ein, wurde in Sekundenschnelle zu einer Eisstatue.

Eigentlich hätte ich mich ja fast gerne mit Lord Frost verbündet. Immerhin ist er der Gegenpol von Lady Fire, und der Feind meines Feindes und so. Aber der Typ hatte soeben einen, nun gut, nicht gerade unschuldigen, aber vielleicht nicht unrettbar verlorenen Jungen eingefroren. Und mein Sommerrittermantel hatte gesehen, wie die Verkörperung des Winters in meiner Sommerstadt den Inbegriff von Winter gezaubert hatte. Ich will nicht behaupten, dass ich fremdgesteuert handelte, das war schon ich selbst, aber einen gewissen Einfluss auf meine Reaktion hatte der Rittermantel schon. Oder zumindest auf meine Wortwahl. „Im Namen von Herzog Pan, dem Sommerherzog von Miami, unterlassen Sie das!!“

Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Roberto mit den Augen rollte, während Lord Frost nur müde lächelte und sich zu mir umdrehte. „Pan ist nicht mein Herzog, Junge.“ „Aber meiner“, erwiderte ich. „Lassen Sie ihn frei!“ „Nein“, sagte Pan nur und wandte sich zum Gehen.
Das wollte Totilas nicht so auf sich sitzen lassen und griff den Winterfae an, aber Lord Frost stieß ihn von sich und in das Schwimmbecken mit dem langsam tauenden Eiswasser.
„Was tun Sie hier?“ fragte Alex. „Was ist das hier?" Lord Frost verzog keine Miene. „Aufräumen.“

Wenn Frost sich weigerte, Paco freizugeben, musste ich es eben tun. Ich hatte die Hände schon gehoben, war drauf und dran, die Magie nach oben zu rufen, da wurde mir bewusst, wie sehr mir gerade ohnehin schon der Kopf platzte. Diese Eisstatue jetzt schnell genug aufzutauen, um Paco noch zu retten, aber auch so kontrolliert, dass er keine bleibenden Schäden davontragen würde, das würde jede Menge magischen Wumms verlangen. Mehr, als ich im Moment aufbringen konnte. Autsch. Verdammt. Mein Kopf.
Und für Paco war es ohnehin zu spät, wenn ich mir das so ansah. Wenn er nicht schon längst tot war, wäre er es, bis ich ihn da rausgeholt hätte. Oder zumindest redete ich mir das ein.

WARUM?“ fragte ich Lord Frost bitter.
„Er gehört zu den anderen“, war die gelassene Antwort des Fae.
„Was... welchen anderen?“
Aber der Feenlord war schon fort.

Während wir auf den Krankenwagen und die Polizei warteten, taute das Wasser im Schwimmbecken immer weiter, und bald waren auch die letzten Reste von Eis völlig verschwunden. Insgesamt trieben vier Leichen im Wasser: drei Teenager und ein älterer Mann, ein Obdachloser, den wir flüchtig vom Sehen kannten, weil er sich häufig in der Nähe des Jugendzentrums aufhielt.
Während wir auf den Krankenwagen und die Polizei warteten, gab Totilas auch die Runenpistole, die er aufgehoben hatte, nachdem er aus dem Pool geklettert war, an Edward weiter, damit der sie in der Asservatenkammer des SID verwahren sollte. Unser White-Court-Freund sah richtig dankbar aus, die Waffe loszuwerden. Er sagte, die Pistole fühle sich richtig, richtig unangenehm an in seiner Hand, und auch die Kugel, die ihm noch in der Seite steckte, sei ein einfach nur unerträglich ekelhaftes Gefühl. Und zwar nicht, weil es eben eine Kugel war, die ihm in der Seite steckte, sondern mehr. Übernatürlich mehr. Auch für seinen Hungerdämon sei es ein schreckliches Gefühl, meinte Totilas. Für den fühle sich das an wie der böse Jack. Der mit den Luftballons. Ich kann mich nur allzu lebhaft erinnern. Brrrrr.

Dee hatte zum Glück nur einen leichten Streifschuss am Arm. Wir informierten sie in bezug auf Lord Frost, den Supermond und den bösen Jack, während Dee ihrerseits erzählte, dass sie gerade im Jugendzentrum war, als sie mitbekam, wie Paco mit diesem älteren Mann wegging. Es hatte so ausgesehen, als hätten sie sich gestritten, aber als seien sie trotzdem in gemeinsamem Einverständnis zusammen weggegangen. Dee folgte den beiden bis zum Schwimmbad, wo Paco dann plötzlich eine Waffe in der Hand hatte. Dee gab sich als Federal Marshal zu erkennen, woraufhin der Teenager auf sie schoss, und dann kamen wir auch schon dazu.

Auch Edwards Armverletzung war zum Glück nicht sehr ernsthaft, aber die Gleichheit ihrer Schusswunden brachte Roberto dazu, blöde Sprüche wegen eines flotten Dreiers zwischen ihm, Edward und Dee zum Besten zu geben. Grrrrrrr. Das wollte ich gar nicht hören, also zog ich mich etwas außer Reichweite zurück – zusammen mit Alex, dem es wohl auch ein bisschen zu viel Info bezüglich seiner Schwester war.

Ins Krankenhaus musste glücklicherweise keiner von uns, also gingen wir uns etwas genauer im Jugendzentrum umhören. Dort tat Dallas Hinkle gerade als Betreuerin Dienst, und sie erzählte uns, dass Paco in letzter Zeit vermehrt durch seine Aggressivität aufgefallen war. Die Gang, die er um sich herum aufgebaut hatte, bestand aus sieben Mitgliedern, von denen aber vier (die drei aus dem Becken und Paco) jetzt nicht mehr am Leben waren.
Den toten Obdachlosen kannte Dallas auch. Der sei manchmal im Zentrum gewesen, habe aber immer nur herumgestänkert, nicht so wie andere Penner, die vorbeikämen, einfach um nett zu sein und ein bisschen Zeit mit den Jugendlichen zu verbringen.
Paco war sehr stark am Abrutschen, erzählte Dallas weiter: eine große Klappe und keinerlei Respekt. Einmal habe er sogar Marshall Dee sein bestes Stück gezeigt. Die Marshall habe aber nur gelacht und gemeint, ihr Freund sei da besser bestückt. Grrrrr. Das war schon wieder so eine Information, die ich am liebsten gar nicht gehört hätte.

Paco hatte aber nicht nur eine Gang gehabt, sondern auch eine Freundin, erzählte Dallas, Lisa oder Linda. Lisa-oder-Linda war auch gerade im Jugendzentrum, also ging ich sie ansprechen. Zuerst lächelte sie mich auch an und sah aus, als wolle sie gerne mit mir reden, aber dann bekam sie Totilas zu Gesicht, und ab dem Moment war ich abgeschrieben und die Kleine völlig auf Totilas eingeschossen. Ihm erzählte Lisa-oder-Linda, dass Paco ein Arsch gewesen sei und total eklig. Warum total eklig? Weil er ihr mal einen Tampon geklaut habe, einen benutzten! Das sei etwa ein halbes Jahr her, und danach habe er laut herumgepost, das Lisa-oder-Linda doof sei und schon merken werde, was sie davon habe. Er habe auch längst eine neue Schnalle gehabt, eine gewisse Monica. Wo wir die finden könnten? Im Railroad Club, gab L-o-L widerwillig Auskunft. Oder vielleicht nicht widerwillig. Vielleicht eher mit einer Art faszinierter und schmollender Neugier. Denn der Railroad Club, soviel wussten wir, ist ein klassischer Treffpunkt für einsame Herzen: tanzen, trinken, sich auf ein kurzes Abenteuer einlassen. Und nein, ich war noch nicht dort, Römer und Patrioten. Nicht, dass da Missverständnisse aufkommen.

Waffen durften in den Railroad Club dummerweise nicht mitgenommen werden, also ließ ich Jade etwas zähneknirschend im Wagen, als wir vor dem Etablissement ankamen. Aber das war ja nicht das erste Mal – ich sollte mir wirklich überlegen, ob es nicht einen Zauber gäbe, eine Art Glamour oder Illusion, mit der sich mein Sommerschwert nicht etwas unauffälliger gestalten ließe. „Als Füllfederhalter“, schlug Alex vor, als ich den Gedanken laut aussprach, und das war eine wirklich geniale Idee. Die muss ich dringend im Hinterkopf behalten und mich bei Gelegenheit mal mit Edward besprechen, ob und wie sich das vielleicht machen ließe.

Im Club selbst tanzten zahlreiche leicht bekleidete Mädchen auf einer erhöhten Bühne herum, darunter auch Pacos neue „Schnalle“ Monica, die wir anhand von Lisa-oder-Lindas Beschreibung erkannten und die man uns auch bereitwillig ausdeutete, als wir nach ihr fragten. Totilas winkte sie mit einem Bündel Geldscheine zu sich, und wir zogen uns zurück, damit unser White-Court-Kumpel ungestört mit dem Mädchen reden konnte. Edward ging sogar gleich wieder ganz raus, dem war es hier drin zu laut und zu eng und zu viele Gerüche und überhaupt.

Aus der diskreten Entfernung konnten wir sehen, dass Totilas ein bisschen Mühe zu haben schien, mit Monica zu kommunizieren. Es sah so aus, als würde sie zwar sprechen, aber immer nur dann, wenn sie vorher angesprochen wurde, nie von sich aus. Und auch aus der Entfernung sah ihr Gesicht irgendwie leer aus, geistesabwesend. Als Alex sie daraufhin in der Geisterwelt betrachtete, stellte er fest, dass Monica an einer Art „Leine“ lag, ein bisschen so wie die Geister, die Adlene sich unterworfen hat, und die ja auch von einer Art „Kette“ gehalten werden. Außerdem, sagte Alex, 'wische' Monicas Geist mit etwas Verzögerung hinter ihr her, etwa so wie eine Maus mit Lag auf einem Computerbildschirm. Irgendetwas stimmte jedenfalls ganz und gar nicht mit ihr.
Daraufhin sah Alex sich mit seiner Geistersicht im ganzen Raum um und entdeckte noch einige weitere Leute, die ähnlich aussahen wie Monica: alles Frauen und alles Angestellte des Clubs.

Totilas unterhielt sich derweil ein bisschen mit Monica und fragte sie schließlich, wer Pacos Freunde seien. „Diego“, meinte sie daraufhin und zeigte auf einen jungen Mann von vielleicht Anfang Zwanzig, mit Kinnbart und Lederjacke, der gerade mit drei Mädchen im Schlepptau am Gehen war.
Totilas machte sich von Monica los und erzählte uns, was Sache war, und wir folgten diesem Diego nach draußen.
Dort trafen wir auf Edward, dem ganz unabhängig von uns Diego auch schon aufgefallen war, weil er für seine Nase nach Schwefel roch. Und außerdem hatte Edward gesehen, dass Diego eine Waffe im Hosenbund trug. Eine Runenpistole wie Pacos vielleicht?

Runenpistole hin, Schwefelgeruch her, hier konnten wir Diego nicht konfrontieren, hier gingen ständig Clubbesucher ein und aus. Stattdessen setzten wir uns auf seine Fährte, um zu sehen, wo er hinwollte und was er vorhatte.
Sein Ziel lag vor der Stadt, wo Diego irgendwo parkte und dann mit seinen drei Begleiterinnen zu Fuß weiterging. Mit dem Auto hatte Alex ihn problemlos eingeholt und sich dann unauffällig an seine Rücklichter gehängt, und auch jetzt, zu Fuß, war es relativ leicht, die vier zu verfolgen, weil sie ziemlich laut waren und abgelenkt und überhaupt nicht mit Verfolgern rechneten.
Einen gewissen Vorsprung mussten wir ihnen natürlich trotzdem lassen, und so dröhnte kurze Zeit später lauter, aber etwas blecherne Tanzmusik, die wohl aus einem Handy-Lautsprecher kommen musste, zu uns herüber. Die vier befanden sich auf einer Lichtung vor uns, an die wir aber nicht gut herankommen würden, ohne bemerkt zu werden.
Dann aber veränderte sich die Musik: Der Chicano-Rap wurde getragener, ritualistischer, und eine Art Singsang war zu hören. Wir mussten da hin, und zwar schnell!

Auf der Lichtung stand Diego über den drei Mädchen, die in völliger Trance vor ihm lagen. Er hielt eine Schale in der Hand, mit einer dunklen Flüssigkeit darin (Blut, war meine erste Schriftstellerassoziation), und er war es, von dem der rituelle Singsang kam. Alle vier waren splitternackt. Was er da auch gerade tat, er durfte es nicht zuende bringen!

Edward warf sich auf den Praktizierer. Er traf ihn zwar nicht so, wie er das wollte, aber um auszuweichen, machte Diego einen Satz nach hinten, und das unterbrach sein Ritual. Die drei Mädchen erwachten aus ihrer Trance, zumindest körperlich, wenn schon nicht geistig, denn sie sprangen auf und stellten sich schützend und in Kampfhaltung zwischen ihren Begleiter und uns. Und wie sich herausstellte, konnten sie tatsächlich richtig gut kämpfen. Damit Totilas überhaupt eine Chance hatte, an Diego heranzukommen, hielten Edward, Roberto und ich jeweils eines der Mädchen beschäftigt, während Alex zum Auto zurückrannte, um unseren Gegner falls nötig am Wegfahren zu hindern.

Das war echt anstrengend, Römer und Patrioten. Ich habe ja nun inzwischen von Eileen ein bisschen was an Schwertkampftraining gehabt, aber ich wollte das Mädchen ja nicht ernsthaft verletzen. Deswegen ließ ich Jade auch in ihrer Scheide, damit ich zwar die Waffe in der Hand, aber keine scharfe Klinge hatte.

Totilas machte Diego schwer zu schaffen, und irgendwann wusste der sich nicht weiter zu helfen, als die Schale nach dem White Court zu werfen. Aber das war ein Fehler, denn als die Flüssigkeit darin ausgegossen wurde (es war tatsächlich Blut, wie es schien – als ob mich das noch überrascht hätte), fielen die drei Mädchen um wie Marionetten, deren Schnüre gekappt wurden, und mit dem nächsten Schlag knockte Totilas Diego aus.

Wir zogen den Mädchen ein paar Kleidungsstücke über, so gut wir konnten und fesselten den Praktizierer. Dann überlegten wir, womit und wofür wir (bzw. die Behörden) ihn eigentlich belangen konnten, denn sein Ritual hatte er ja nicht beenden können. Aber er besaß auch so eine dämonische Runenwaffe, wie Paco sie gehabt hatte.

Als die Mädchen aufwachten, gaben sie sich misstrauisch und feindselig (kein Wunder: Sie wachten nur notdürftig bekleidet in der Gegenwart von fünf fremden Männern auf und hatten keine Erinnerungen mehr daran, wie sie hierher gekommen waren). Sie redeten nicht viel, ließen sich nur von Freunden abholen, so schnell es ging.

Diego wurde von Edward geweckt und verhaftet und bekam seine Rechte vorgelesen. Während der ganzen Prozedur sagte der junge Mann keinen einzigen Ton, genausowenig wie auf der Fahrt aufs Revier.
Dort hatte Henry Smith auf Edwards telefonische Anweisung hin eine Präsentationstafel aufgestellt, auf dem er die Bilder des eingefrorenen Paco und der anderen toten Teenager aufgehängt hatte. Und als Diego die Bilder sah, wurde er unter der Bräune ganz schön blass.
„Du hast recht“, sagte Edward zu ihm, „du wirst vermutlich freikommen. Aber da draußen läuft jemand rum, der das da gemacht hat. Viel Spaß.“
Bei Diego fing es sichtlich an zu rattern, und er wurde noch blasser. „Krasse Sache, Mann. Kann ich gehen?“
„Nein. Ich kann dich nicht gehen lassen. Du bist vorbestraft, damit kriege ich dich für unerlaubten Waffenbesitz bei Vorstrafe dran.“ „Bekomme ich wenigstens einen Anwalt?“
Aber sicher bekam er den. Einen Pflichtverteidiger, der aber frühestens morgen vormittag kommen wird.

Mir kam der Gedanke, dass wir besser mit den restlichen drei Teenagern aus Pacos Gang reden sollten, und wir sollten auch Diego fragen, ob der weitere Freunde hatte, die sich auf so seltsame Dämonengeschäfte eingelassen hatten und an solche Runenwaffen gekommen waren oder ähnliches. Aber Diego wollte ohne Anwalt nichts sagen, und wie gesagt, der kommt erst morgen.
Und an Pacos Gangfreunde werden wir heute nacht wohl auch nicht mehr kommen. Mit dem Clubbesuch und der Verfolgung und Verhaftung und allem ist es nämlich schon wieder ziemlich spät geworden. Alles weitere morgen dann.
« Letzte Änderung: 13.07.2017 | 20:15 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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29. Oktober

Heute morgen trafen wir uns zuerst ohne Edward, weil der auf dem Revier sein wollte, wenn der Pflichtverteidiger kam. Totilas sagte, er würde wirklich gerne mit Hurricane reden, aber, wie vorgestern schon angesprochen, da sei diese Sache mit dem Eidbruch, weswegen er ja bei Tanit und ihresgleichen nicht sonderlich gern gesehen sei. Ich selbst habe ja nun normalerweise mit Winter weniger ein Problem, aber ich habe immer noch Kopfschmerzen, und eingedenk der Begegnung mit Lord Frost gestern war ich mir nicht so sicher, ob ich diplomatisch genug reagieren würde, also fuhren Alex und Roberto alleine los.

Als sie weg waren, kam Totilas nochmal auf das Thema. Also dass er sich wegen der Eidbruchgeschichte nicht so gut bei den Feen sehen lassen könnte. Die würden das ja nicht nur wissen, sondern tatsächlich irgendwie als eine Art Aura an ihm bemerken. Ja, por demonios. Ich weiß. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es an den Kopfschmerzen liegt, die ich immer noch habe, oder ob ich mich immer mehr mit meinem Ritterjob identifiziere und deswegen mehr auf Feen-Wellenlänge bin, aber ich kann an Totilas inzwischen dessen Eidbruch auch ständig sehen. So sehr, wie ich mir wünschen würde, dass mir das egal wäre, der Sommerrittermantel ist da anderer Meinung. Mierda.
Deswegen war ich auch ziemlich dankbar, als mein White-Court-Kumpel erklärte, er wisse genau, dass er Mist gebaut habe, und er würde das wirklich gerne wieder gutmachen, und ob ich als Ritter irgendeine Ahnung habe, ob es da Möglichkeiten gebe. Hatte ich nicht, zumindest nicht auf Anhieb, aber ich versprach ihm, dass ich mich umhören würde, ob man da irgendetwas tun kann. Wofür habe ich eine Schwester, die Richterin des Sommerhofes ist.

Ungefähr zur selben Zeit wie Edward zu uns stieß, kamen auch Alex und Roberto von ihrem Gespräch mit Hurricane wieder. Das hatte nicht so überwältigend viel ergeben, aber immerhin einiges an Informationen zu Lord Frost. In Hurricanes eigenen Worten ist es „Lord Frosts Aufgabe, Dinge kalt zu machen, alles andere ist eher ein Hobby.“ Der Lord gehöre auch nicht zu den „Netten“, aber er habe kein Interesse daran, dass da Dinge „von noch weiter weg“ zu uns kämen. Lies: von ganz draußen, wo die Outsider herkommen.
Die Jungs fragen Hurricane auch, ob Lord Frost aus eigenen Stücken in Miami sei, oder ob er eher hierher gezogen wurde, und Hurricane glaubt wohl, dass er eher hergezogen wurde, immerhin habe Lady Fire ein Interesse an Miami. Als Alex das erzählt hatte, brach er ziemlich plötzlich ab, so als sei da noch irgendwas gefolgt, das er jetzt aber nicht aussprechen wollte. Und da es um Lady Fire ging, konnte ich mir auch fast denken, was ungefähr. Haha. Danke auch.

Ganz taktvoll wechselte Edward das Thema, indem er berichtete, wie es mit Diego und seinem Pflichtverteidiger gelaufen war. Und zwar nicht sonderlich gut, leider. Er bestand darauf, dass Diego sofort auf freien Fuß gesetzt werden müsse, weil man ihm keinerlei illegale Handlung nachweisen konnte. Die Pistole konnte man ihm untergeschoben haben, und er war rechtswidrig von jemandem bewusstlos geschlagen worden. Wenn Diego umgehend freigelassen würde, würde er auf eine Anklage wegen Körperverletzung verzichten. Edward konnte nichts anderes tun, als den jungen Mann tatsächlich laufen zu lassen, und der war überhaupt nicht mehr so kleinlaut wie gestern noch, sondern hatte schon wieder Oberwasser.

Wir überlegten gerade, ob es irgendeine Möglichkeit gäbe, sich an Diegos Fersen zu hängen (dummerweise eher nicht, der hatte den Precinct längst verlassen, und um ihn ganz problemlos aufzuspüren, wussten wir zu wenig über ihn, da hätten wir gehörig im Trüben fischen und erst einmal ausgiebig nachforschen müssen, wo er sich normalerweise überhaupt herumtrieb), da klingelte Totilas' Handy. Es war sein Cousin Vin, der berichtete, dass am Hotel Marbella, wo die Raiths ja jetzt residieren, die Polizei aufgetaucht sei und dass es vielleicht besser wäre, wenn Totilas vorbeikäme.

Großes Polizeiaufgebot? Natürlich rief Edward sofort in seiner Dienststelle an und erreichte Salvador Herero, der sagte, unter dem Hotel sei ein Tunnel gefunden worden. Tunnel? Was für ein Tunnel? Aber gut, wir fuhren hin, das konnte sicher nichts schaden, weder Totilas als Oberhaupt der Raiths, noch Edward als Leiter des SID.

Als wir beim Marbella ankamen, wurde dessen Besitzer gerade verhört. Über Rafael Solano konnte Totilas uns einiges sagen, immerhin wohnt er seit etwa einem Jahr in dessen Hotel. Der junge Mann hat den Betrieb von seinem Vater übernommen, der vor einer Weile, kurz vor dem Einzug der Raiths war das, spurlos verschwunden ist.

Im Innenhof stand ein Springbrunnen, der eigentlich noch ziemlich neu aussah, der aber bereits dünne Risse aufwies. Alex, der eben noch interessiert zu dem Brunnen hingesehen hatte, hielt die Hand ins Wasser und murmelte etwas, das ich nicht verstand, dann nahm sein Gesicht auf einmal richtig wütende Züge an, und er schnappte sich einen Sonnenschirm und fing an, wie wild auf dem Brunnen herumzuprügeln. Ich legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn aufzuhalten, aber er schüttelte mich einfach ab, viel heftiger, als ich erwartet hätte. Dazu fluchte er in perfektem Spanisch, und das klang völlig anders als bei Alex, der zwar auch Spanisch kann, aber einen Anglo-Akzent hat. Erst da wurde mir klar, was mir schon vorher hätte aufgehen müssen, immerhin kenne ich meinen Kumpel ja nun schon ein paar Jahre: Alex hatte irgendeinen Geist gesehen und ihn in sich hineingelassen, und jetzt hatte der Geist die Kontrolle übernommen.

Alex, oder besser der Geist in ihm, schlug immer heftiger auf den Brunnen ein, und irgendwann barst der falsche Marmor. Wasser floss, Stücke brachen in alle Richtungen weg, und aus den Trümmern des Fundamentes kullerte ein Schädel hervor. In der Mitte des zerstörten Brunnens stand, jetzt sichtbar geworden, der Geist eines älteren Mannes und fluchte in den wildesten Tönen weiter.

Gemeinsam mit Alex, der jetzt, wo der Geist in den Überresten des Brunnens manifestiert war, wieder die Kontrolle über seinen eigenen Körper besaß, redete ich auf ihn ein, aber der Geist nahm das gar nicht wahr oder wollte sich nicht beruhigen lassen. Wütend fuhr er zu mir herum und begann in bester Poltergeistmanier Trümmerteile nach mir zu schleudern. Während ich den Geschossen so gut wie möglich auszuweichen versuchte, es aber doch zu viele wahren und ich eine Beule am Kopf kassierte (als ob ich nicht schon genug Kopfschmerzen hätte), rief Edward uns etwas von „Ritual, haltet ihn beschäftigt!“ zu und verschwand mit Roberto außer Sicht. Totilas, nicht faul, hatte schon gleich, als Alex mit seinem seltsamen Benehmen begonnen hatte, den einen anwesenden Polizisten, der sich im Innenhof aufhielt, mit Beschlag genommen, um ihn abzulenken, und seine Ablenkung funktionierte auch weiterhin ausgezeichnet.

Das improvisierte Schnellritual unserer beiden Freunde musste auf Anhieb geklappt haben, denn es dauerte gar nicht lange, da verschwand der Geist aus dem Brunnen, und die herumwirbelnden Trümmerstücke fielen allesamt zu Boden. Der ganze Spuk hatte zwar nur ein paar Minuten gedauert, aber trotzdem waren die anwesenden Hotelgäste (und es waren genug da, die nicht zu den Raiths gehörten und keinerlei Ahnung hatten, dass es so etwas wie Geister gibt und was da gerade genau vorgefallen war) in heller Aufregung und kurz vor einer Panik. Totilas war noch mit dem Polizisten beschäftigt, der glücklicherweise so abgelenkt gewesen war, dass er kaum etwas mitbekommen hatte, also ging ich herum, redete mit den Leuten und versuchte, eine kopflose Massenflucht zu verhindern, was mir auch einigermaßen gelang. Der Detective, der sein Gespräch mit Totilas beendet hatte, rief jetzt einen Kollegen dazu und untersuchte gemeinsam mit diesem den Brunnen, und dabei kamen neben dem Schädel weitere Knochen zum Vorschein.

Gemeinsam redeten Totilas und ich kurz mit dem jungen Hotelbesitzer, aber der machte sich ehrliche Sorgen um seinen Vater, dessen Erscheinung er ja auch gesehen hatte, also zog er sich recht bald zurück, um herauszufinden, was da genau passiert war. Also suchten Totilas und ich die anderen, damit die uns einen Überblick eben genau darüber geben sollten.
Wie ich mir schon gedacht hatte, hatte Alex beim Hereinkommen in dem neugebauten Brunnen den Geist des alten Mannes gesehen und ihn eingeladen, mit ihm mitzukommen. Was der auch tat, und sobald er in Alex gefahren war, merkte unser Freund, dass der alte Herr richtig wütend war. Wütend und so stark, dass er die Kontrolle über Alex' Körper übernahm.

Edward und Roberto hatten mit ihrem improvisierten Schnellritual den Geist tatsächlich in seinen Schädel gebannt bekommen, und nachdem Edward ihn in dem Zusammenhang kräftig vermöbelt hatte, war er jetzt auch ruhiger und ließ mit sich reden. Der alte Herr war der vor einem Jahr verschwundene Emilio Solano, und er war zwar ruhiger, aber immer noch empört. Empört darüber, dass er seine zweite, viel jüngere Frau bei einer Affäre mit seiner Tochter ertappt hatte, weswegen sie ihn getötet hatte, aber noch viel empörter darüber, dass sie sich als 'Sin Rostro' herausgestellt habe. Für einen kurzen Moment hatte ich keine Ahnung, was es mit dieser Person 'ohne Gesicht' auf sich haben sollte, aber da sprach Solano schon weiter. Er habe immer gedacht, er sei kriminell, und dann sei sie ein Crime Lord!

Ja, gab der Geist zu, nachdem Alex ihm zugesichert hatte, dass wir dafür sorgen würden, seine mörderische Frau ihrer gerechten Strafe zuzuführen, ja, er habe zu Lebzeiten illegale Geschäfte gemacht. Sein Sohn wisse aber nichts davon, der sei immer ehrlich gewesen. Emilio sagte auch, es gebe noch Kunstschätze und geheime Konten und ein gesunkenes Schiff, von denen er bislang denken musste, sie seien mit seinem Tod unwiederbringlich verloren, und zeigte sich einigermaßen erleichtert darüber, dass diese Dinge nun doch irgendwie auf seinen Sohn würden übergehen können.

Eigentlich wollten wir Rafael Solano informieren gehen, aber der sprach gerade mit dem Detective (und die beiden mochten sich gar nicht, das wurde ziemlich deutlich), also führte der Geist seines Vaters nur uns in den geheimen Kunstschatzraum in dem geheimen Keller. Neben ganz regulär erworbenen Gemälden mit ordnungsgemäßer Besitz- und Herkunftsurkunde fanden sich hier auch etliche undokumentierte und illegal erworbene Kunstwerke, die möglichst hier verschwinden sollten, fand Totilas, sonst würden sie auf Rafael zurückfallen, sobald die Polizei diesen Raum fände. Hmmm. Vielleicht durch das Nevernever, schlug ich vor, aber Alex meinte, er sei sich nicht sicher, wie gut das für den Bildern täte. Andererseits aber war es Alex' Expertenmeinung nicht sehr wahrscheinlich, dass die Polizei diesen gutgetarnten Raum überhaupt finden würde. Eigentlich konnten wir die Kunstwerke auch einfach erst einmal hier lassen.

Alex ließ Solanos Geist noch einmal in sich hinein, damit der alte Mann einen Brief schreiben konnte, oder besser zwei: einen, dass er seine Frau verdächtige, eine Affäre mit seiner Tochter zu haben, dass er jetzt gehen und sie konfrontieren werde, und falls ihm etwas zustoßen solle, dann sei es dann wohl eine Möglichkeit, dass sie etwas damit zu tun habe, und einen zweiten an seinen Sohn, dass er ihn liebe. Nachdem Edward die beiden Briefe magisch gealtert hatte, versteckten wir sie an einem Ort, wo sie jetzt gefunden werden würden, bei dem es aber plausibel war, dass die Briefe dort ein Jahr lang unentdeckt gelegen hatten.

Jetzt, mit dem Knochenfund im Brunnen, wurde natürlich ein größeres Polizeiaufgebot ins Hotel Marbella geholt. Und dieses größere Polizeiaufgebot fand zwar tatsächlich den geheimen Kunstraum nicht, aber in dem zuvor schon entdeckten Tunnel einen Operationssaal, in dem offenbar Gesichtsoperationen durchgeführt worden waren. Und tatsächlich konnte Rafael Solano sagen, dass es im Hotel im Laufe der Zeit etliche Gäste gegeben hatte, die sich von Gesichtsoperationen erholten. Dass die entsprechenden Operationen allerdings direkt in seinem Haus stattgefunden hatten, davon hatte der junge Mann keine Ahnung gehabt, genausowenig wie davon, dass seine Stiefmutter hinter dem berüchtigten Gangster 'Sin Rostro' steckte. Mit diesen Erkenntnissen wurde auch der Rest des Hotels gründlich durchsucht, und dabei kamen dann auch Rafael Solanos Briefe zum Vorschein.

Der Tote im Brunnen und die Durchsuchung des Hotels waren allerdings schlechte Publicity. Während wir noch dort waren, sahen wir, wie zahlreiche Gäste abreisten. Totilas allerdings beschloss, dem Marbella mit den Raiths die Treue zu halten, wofür Rafael sicherlich nicht ganz undankbar war.

---

Später. Ich habe eben mit Yolanda telefoniert. Sie ist gerade nicht in Miami, sondern für ein paar Tage in Vermont zum Skifahren. Sie meinte irgendwas von 'wir', korrigierte sich dann hastig auf 'ich'; ich habe sie aber nicht näher darauf angesprochen, wer dieses so verlegen vertuschte 'wir' genau sein sollte. Erstens wäre das unhöflich und zweitens habe ich so eine Ahnung.
Jedenfalls erzählte ich ihr von Totilas' Problem (ohne seinen Namen zu nennen, versteht sich) und fragte sie, was ihr dazu an Lösungen einfalle. Der Betroffene könne denjenigen, dem gegenüber er wortbrüchig geworden sei, um Vergebung bitten. Wenn derjenige die Tat vergebe, dann verschwinde die Aura des Eidbruchs. Es wäre gut, wenn man das Versprechen hinterher noch erfüllen könnte, aber das ist ja in diesem Fall nicht mehr möglich. Dann bliebe dem Eidbrecher wohl nichts anderes übrig, als zu Kreuze zu kriechen und Dreck zu fressen. Wie schön. Das wird Totilas sicher freuen. Aber immerhin gibt es eine Möglichkeit, dass die Aura verschwindet – falls Tanit ihm den Eidbruch vergibt, versteht sich.

---

Noch später. Gleich ins Bett, aber erst will ich das hier noch aufschreiben. Wir haben uns bei Edward getroffen, wo Roberto und er zum einen die Runenpistole untersucht und zum anderen das Ritual durchgeführt haben, mit dem wir herausfinden wollten, ob jemand aktiv das Biest ruft, und wenn ja, von wo aus.

In Sachen Pistole gab es zumindest teilweise Grund zum Aufatmen: Die Dinger sind anscheinend von sich aus keine mächtigen arkanen Gegenstände von permanenter magischer Kraft, sondern sie müssen regelmäßig damit aufgeladen werden. Gerade ließ die Magie darauf schon wieder nach, es war also zu erwarten, dass sie nach einem oder zwei Sonnenaufgängen völlig verschwunden sein würde. Aber wenn man wollte, sagte Edward, könnte man sie wohl relativ leicht wieder aufladen. Nicht, dass wir das wollen würden – so ekelhaft, wie die Waffen selbst, aber vor allem die Wunden, die von ihren Kugeln gerissen worden waren, sich anfühlten, war das Aufladen wohl über Blutmagie passiert. Nichts, das wir wiederholen wollten, mit anderen Worten. Jetzt, wo Edward die Waffe etwas genauer untersuchte, stellte er auch fest, dass ihre „Falschheit“ sich nicht direkt nach Outsider-Einfluss anfühlte, sondern eher nach einem gewöhnlichen Dämon. „Gewöhnlicher“ Dämon, wie sich das anhört. Aber ihr wisst schon, was ich meine, Römer und Patrioten. Aber jedenfalls können die Waffen wohl nur diese eine Sache, was zwar nicht gut, aber doch zumindest ein klein bisschen beruhigend ist.

Über Monica – also die Clubtänzerin Monica, nicht Lidias Tochter – unterhielten wir uns auch, wo wir ohnehin gerade von Diego, seinem Ritual und den Runenwaffen redeten. Ob und wie wir ihr helfen könnten. Aber das wird schwierig, befürchtete Alex: Es wäre zwar möglich, ihre erzwungene Verbindung zu Adlene zu lösen, aber dann auch ihren Geist wieder richtig in ihren Körper zu bringen... eher nicht. Vielleicht wäre es tatsächlich besser für sie, erklärte Totilas, wenn sie sterben könnte und Alex ihren Geist weiterschicken würde. Grrrr. Das war so überhaupt nicht das, was ich hören wollte. Und aktiv unternehmen sollten wir in dieser Hinsicht sicherlich nichts, cólera noch eins.

Aber das Thema ließen wir dann ohnehin fallen, weil es endlich Zeit war für die Suche nach der Herkunft des Rufs nach dem Biest. Bei dem Ritual stellte sich heraus, dass es über die ganze Stadt verteilt viele kleine Rufe gibt, und einer davon ist tatsächlich Edward selbst. Das sind wohl alle Lykanthropen von Miami, die gerade einfach durch das, was sie sind, die Bestie anlocken. Aus dem Gefängnis kommt hingegen kein Ton, aber das sind ja auch Kojanthropen, keine Lykanthropen. Ein stärkeres Signal kommt aus dem Vorort, wo, wie wir wissen, James Vanguard und seine Leute wohnen. Von dort war der Ruf stärker als die Summe der Rufe des gesamten Vanguard-Rudels. Also entweder gibt es dafür einen anderen Grund, oder von dort aus ruft jemand ganz absichtlich das Biest.

Es war zwar schon Abend, aber Edward rief trotzdem bei Vanguard an. Dass er mit dem anderen Lykanthropen sprechen müsse, und wie der es bevorzuge: bei einem Treffen oder am Telefon? Das hänge davon ab, als wer Edward mit ihm sprechen wolle, konterte der Security-Mann. Nicht als Polizist, antwortete Edward, es gehe um die ganze Situation mit dem Supermond. Daraufhin befand Vanguard, wir sollten lieber von Angesicht zu Angesicht miteinander reden, und die beiden verabredeten ein Treffen für morgen.

Aber morgen, wie gesagt, nicht mehr heute, denn der Tag heute war nun wirklich lang genug. Eine Begegnung mit einem supermondnervösen Lykanthropen müssen wir uns heute wirklich nicht mehr geben, da waren wir uns alle einig.
« Letzte Änderung: 13.07.2017 | 20:15 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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30. Oktober

Sehr seltsam. Als wir uns heute vormittag bei Edward wiedertrafen, fand der plötzlich einen Teller mit einem Stück Kuchen in seiner Küche. Niemand wusste, wo der Kuchen auf einmal herkam, Edward am Allerwenigsten. Von uns war es niemand, und eigentlich hat Edward immer ziemlich starke Wards um sein Haus, da hätte eigentlich nichts und niemand durch gekonnt, zumindest nicht, ohne Spuren zu hinterlassen. Er befragte sogar Schneeball, aber der kleine Hund hatte auch nichts gesehen. Erst war da nichts, dann stand der Kuchen da. Auf einem Teller, der aussah wie einer aus Edwards Küchenschrank, übrigens. Natürlich überlegten wir, was es damit auf sich haben könnte. War der das Stück Torte vielleicht vergiftet? Auf irgendeine Weise Teil einer Falle? Oder hatten es die Heinzemännchen aus Dank für Edwards Hilfe in sein Haus gezaubert? Na, das wohl kaum, das hätten sie ihm auch gestern persönlich übergeben können. Vergiftet schon eher. Edward war jedenfalls überaus misstrauisch, wie wir alle, und wollte das Gebäck analysieren.

Aber als er sich gerade daran machen wollte, klingelte Robertos Telefon. Es war Cicerón Linares, der sagte, er wolle sich mit uns treffen. So schnell wie möglich, weil dringend. Also stellte Edward den Teller samt Torte erst einmal in den Kühlschrank und zog einen Ward darum. Ergebnis: Kuchen gesichert, Kühlschrank kaputt. Aber dass das passieren könnte, war Edward schon vorher klar gewesen und ein kalkuliertes Risiko.

Bei dem Treffen mit Linares waren ein paar seiner Santo Shango anwesend, dazu Oswaldo, einer der drei Orunmila-Ältesten von der Sache mit den Orisha-Masken damals.
“Wie ihr wisst, ist übermorgen der Día de los Muertos” fing Linares nach der kurzen Begrüßung ohne weitere Umschweife an, “da gehen ja die Tore wieder auf.” Ja, ach. Wirklich jetzt?
Und weil das Biest sich ja auch in der Nähe der Grenzen herumtreibe, hätten sie Angst, dass es diese Öffnung der Tore nutzen und herauskommen könne, fuhr der Gangboss fort. Jemand sollte sich darum kümmern, aber die Orunmila seien in den Sümpfen beschäftigt und könnten niemanden entbehren, und die Santo Shango müssten ja ihr Ding am Coral Castle abziehen und seien deswegen ebenfalls nicht abkömmlich. Vanguard und seine Leute hätten auch anderes zu tun, das habe Vanguard jedenfalls behauptet. “Ja”, fiel Oswaldo an dieser Stelle ein, “die haben irgendetwas vor.” Sieh an. Gut zu wissen, dass die Santerios das glauben: Die haben ja meist einen ganz guten Riecher in der Hinsicht. Jedenfalls habe Linares gehofft, dass wir das machen könnten.

Als Cicerón mit seiner Aufzählung fertig war, konnte ich mir einen längeren, beißend sarkastischen Kommentar in bezug auf das Abstellgleis im Park letztes Jahr nicht verkneifen. Edward übersetzte das in Klartext (“Er will damit sagen, ihm gefällt nicht, wie du uns letztes Jahr verarscht hast” - als ob es das wirklich gebraucht hätte), und Roberto setzte noch hinzu: “Das war ein klares Zeichen von mangelndem Respekt.”
“Zugegeben, letztes Jahr wollte ich euch loswerden”, sagte Linares kühl. “Aber jetzt habe ich euch kontaktiert, weil ihr Erfahrung habt.” “Okay”, machte ich in bewusst neutralem Ton. “Wenn ich andere gehabt hätte, an die ich mich hätte wenden können, dann wäre ich anderswo hingegangen.” “Okay”, machte ich wieder, in demselben neutralen Ton. Wenigstens versuchte der Bandenchef nicht, sich herauszureden oder uns schönzutun.

Wir erklärten uns also bereit, uns während des Día de los Muertos um das Biest zu kümmern, dann fuhren wir weiter zu dem verabredeten Treffen mit Vanguard. Wie meistens ließen wir Edward machen, einfach damit der Vanguard gegenüber nicht als schwach rüberkam. Edward warnte den Security-Mann, dass von seiner Firmenzentrale ein Ruf ausgeht, der das Biest anlockt. Ob das jemand sei, von dem Vanguard wisse?
Bei der Bemerkung machte der andere Lykanthrop eine sehr sorgfältig neutrale Miene; das war schon so sehr Pokerface, dass sein Gesicht völlig eingefroren aussah. Da wollte sich jemand sehr deutlich nicht in die Karten schauen lassen.
Nachdenklich warf Alex ein, dass mit dem Ruf auch ein Marker gesetzt werde, was auch eine Zielscheibe auf Vanguards Rudel bedeuten könnte. Diese Überlegung schien Vanguard zu überraschen, denn er murmelte etwas von wegen 'Mist, das habe ich nicht bedacht'. Dann erklärte er, er werde sich darum kümmern, dass, wer auch immer dafür verantwortlich sei, damit aufhöre. Aber das stimmte nicht. Ich weiß nicht genau, woran ich das festmachte, aber er hätte auch mit einer Fahne wedeln können, auf der 'Ich lüge!' stand, so deutlich wurde es, dass er nicht die geringste Absicht hat, irgendwas auch nur im Geringsten aufzuhalten.

Von Vanguards HQ aus fuhren wir zurück zu Edward, wo Roberto das geheimnisvolle Stück Kuchen untersuchen wollte. Aber noch unterwegs bekam Edward einen Anruf: Internal Affairs wolle ihn sprechen. Also setzte der uns doch erst ab und fuhr dann zu seinem Termin, und wir trafen uns erst später wieder.
Das Verhör Die Vernehmung Befragung drehte sich vor allem um den Vorfall an der Kreuzung vor drei Tagen. Zu dem Thema führte Edward aus, dass er nur einen einzigen Schlag gegen den gewalttätigen Flüchtenden geführt habe und niemand damit habe rechnen können, dass er von diesem einen Schlag sterben würde. Der Mann müsse wohl eine Herzschwäche gehabt haben oder etwas in der Art. Damit gaben die Internal Affairs-Leute sich erst einmal zufrieden, brachten das Gespräch dann aber auch auf Edwards bekannte Beziehung zu Totilas. Zu diesem Teil der Befragung ließ Edward sich gar nicht groß aus – es geht uns ja auch tatsächlich nicht direkt etwas an –, aber er warf unserem White Court-Kumpel einen Blick zu, der schon irgendwie erahnen ließ, in welche Richtung das Gespräch gelaufen war. Zumindest habe ich in meinem Kopf eine Szene aus einem Kriminalroman, in der ein etwas in Verruf geratener Detective sich von Internal Affairs unangenehme Fragen zu seinen Loyalitäten anhören muss und dazu, auf welcher Seite er eigentlich stehe.

Und natürlich kamen wir auch wieder auf die Biester zu sprechen. Vanguard und seine Leute rufen den Wolf, aber es gibt ja auch Kojanthropen. Ruft von denen vielleicht jemand Coyote, und es treiben sich gleich zwei Zornkreaturen an den Grenzen des Nevernever herum?
Alex schlug vor, man könne doch vielleicht Lord Frost auf die Biester ansetzen. Das hielt aber keiner von uns anderen für eine so richtig gute Idee. Bei mir persönlich spielte wieder mal ganz klar die Tatsache mit hinein, dass Lord Frost für Winter steht, aber dem Rest war auch nicht so wohl bei dem Gedanken. Und außerdem ist Lord Frost eine Fee und hat mit Zorngeistern wohl eher wenig zu tun.

Aber wir beschlossen, Michael Fable auf den Zahn zu fühlen. Immerhin war er damals nicht ganz unwesentlich für die Kojanthropensache. Der gute Doktor hat seine Praxis auch immer noch am selben Ort und war zwar nicht sonderlich glücklich über unser Erscheinen, aber immerhin sofort bereit, mit uns zu reden.
Von der Sache damals habe er gar nicht so viel gewusst, beteuerte er, also über die Tatsache hinaus, dass er die neugeschaffenen Kojanthropen psychologisch betreute. Catalina Valdez sei diejenige gewesen, die das Ritual geplant habe. Aber Fable wusste ein bisschen was über die Biester selbst: Nicht nur Wolf und Kojote, sondern alle Raubtiere hätten einen entsprechenden Zorngeist im Nevernever. Es heiße, dass diese (alle oder einige, so ganz klang das nicht heraus) Zorngeister vor vielen Jahrhunderten schon einmal die Grenzen zu dieser Welt durchbrochen und dann hier mit einer großen Zahl an menschlichen Frauen Kinder gezeugt hätten. (Über die Art und Weise und die Brutalität dieser Verbindungen denke ich lieber nicht zu viel nach.) Diese direkten Nachkommen der Zorngeister pflanzten sich natürlich ebenfalls fort, und über die Zeit verwässerte das Blut des Biests immer mehr, bis nur noch ein genetischer Marker in den fernen Nachkommen davon zeugt. Der Kojotengeist sei dabei vor allem unter den Tainó in Erscheinung getreten, weswegen Kubaner anscheinend besonders häufig den Kojotenmarker aufweisen. Ob Alejandra und ich den Marker haben, müsste eine Blutanalyse nachweisen können. Fable wäre sogar bereit, die Analyse durchzuführen – oder Edward findet es auf magische Weise heraus. Das geht auch.

Auf dem Rückweg von Fable fiel Edward ein, dass die von Catalina Valdez damals beschlagnahmten Gegenstände ja noch in der Asservatenkammer liegen müssten, darunter auch das Buch, aus dem sie ihr Ritual gewirkt hat. Vielleicht finden sich darin noch zusätzliche Informationen über das Biest. Außerdem machten wir einen kleinen Schlenker zu mir nach Hause, damit ich Alejandra in den Finger pieksen und ihr ein klein bisschen Blut abnehmen konnte – mehr als zwei, drei Tropfen würde er nicht brauchen für seine Untersuchung, sagte Edward.

Wieder bei Edward wollte Roberto sich endlich das Stück Torte anschauen, das wir am Morgen gefunden hatten. Oder zumindest war das der Plan: Roberto wollte sich den Kuchen vornehmen, während Edward vorhatte, sich unser Blut anzusehen. Der Kuchen war allerdings nicht mehr da, als Roberto ihn aus dem defekten Kühlschrank holen wollte. Einfach weg. Der Schutzzauber, den Edward um den Kühlschrank gezogen hatte, war aber völlig unberührt, und der Teller sah so sauber und frisch gespült aus, als habe nie ein Stück Torte auf ihm gelegen. Den Teller untersuchte Roberto magisch, aber nicht mal darüber gab es irgendeinen Hinweis darauf, dass die Torte jemals existiert hatte. Es muy misterioso.

Wir mussten also erst einmal ausgiebig über dieses Rätsel diskutieren, dann noch ein bisschen über die Biester, während Edward mit Jandras und meinem Blut herumfuhrwerkte, blöde Witze über irgendwelche schwarze Magie inklusive. Vergiss es, Edward, dir sind die Gesetze der Magie genauso ernst wie mir, und wenn ich meinem besten Freund nicht ein paar Tropfen Blut anvertrauen kann, wem dann? Das Ende vom Lied: Wir haben den Marker, alle beide. Seufz.

Und weil das mit der Blutanalyse tatsächlich richtig einfach gewesen und schnell gegangen war, machten Edward und Roberto auch noch ein Ritual, um herauszufinden, ob Kojote oder Wolf gerade in der Nähe sind oder vielleicht sogar beide. Kojote ist tatsächlich ganz nach, auch jetzt schon, während Wolf weit weg ist. Der wird wohl nicht schon übermorgen zum Día de los Muertos, sondern vermutlich erst zum Supermond wirklich zur Grenze kommen. Wir werden uns also morgen nacht bzw. übermorgen bei Tag hoffentlich nur mit Kojote herumschlagen müssen, was wenigstens ein kleiner Trost ist. Kojoten sind zwar auch Raubtiere, aber Wolf wäre vielleicht doch nochmal eine andere Hausnummer. Wir schmiedeten und verwarfen diverse Pläne, was wir mit dem Zorngeist anstellen könnten, wenn er morgen um Mitternacht aus dem Nevernever kommt. Ob wir ihn im Nevernever bekämpfen könnten, ihm eine Falle stellen, nichts davon gefiel uns. Am Ende einigten wir uns darauf, ihn mit fließendem Wasser zu umgeben, sprich auf eine Insel zu locken. Und nach etwas Nachdenken wusste Alex auch genau die perfekte Insel zu dem Zweck. Gut. Dann muss das ja nur noch klappen.

Oh, und so viele Rituale direkt hintereinander blieben Roberto aber doch nicht in den Kleidern stecken. Der Arme hat sich völlig ausgepowert und klagte über Kopfschmerzen, eine Matschbirne und völligen Tunnelblick.

Das war dann ungefähr auch der Zeitpunkt, zu dem uns einfiel, dass morgen ja tatsächlich nicht nur um Mitternacht der Día de los Muertos beginnt, sondern vorher auch noch Halloween ist. Das hatten wir in den letzten Tagen vor lauter Supermond und Ausnahmezustand beinahe völlig vergessen. Und dabei muss die Raith'sche Halloweenparty dieses Jahr etwas ganz Besonderes werden, weil es Totilas' erste in seiner Funktion als Oberhaupt von Haus Raith in Miami ist. Adalind ist schon seit Wochen mit den Vorbereitungen beschäftigt. Das Thema soll Science Fiction sein, der Ort eine zu einem UFO ausstaffierte Plattform vor dem Hotel Marbella. Ein Kostüm habe ich auch schon (wäre auch ziemlich schlecht sonst, so einen Tag vor der Veranstaltung), und zwar nicht nur für mich, sondern auch für Jade. Ich habe vor, als Klingone aus Star Trek zu gehen, und Jade wird als Bat'leth kaschiert.

So, jetzt sollte ich aber schlafen gehen – morgen wird ein langer, langer Tag. Oder wahrscheinlich sogar zwei lange Tage. Ich hoffe morgen noch auf eine Chance für einen kleinen Mittagsschlaf, aber darauf wetten, dass ich diese Chance bekomme, würde ich nicht.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Offline Timberwere

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31. Oktober

Edward hat gerade angerufen. Wir wollten uns sowieso heute vormittag bei ihm treffen, aber es ist irgendwas los. Die „Kacke sei am Dampfen“. Irgendein Ärger in einer Mall. Wir treffen uns dort.

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Der erste Hinweis auf den Ärger waren die Autos mit Chicagoer Kennzeichen, die ohne Rücksicht auf jegliche Markierungen quer auf den Behindertenparkplätze direkt vor dem Eingang zur Mall standen. Beinahe wären die Kennzeichen gar nicht aufgefallen, aber dann stutzte ich: Edward kommt doch ursprünglich aus Chicago. Sollte das etwa Mr. Parsen Senior sein, der nach Cassius suchte?
Von Edward selbst war nichts zu sehen, aber von drinnen kamen Geräusche, und das waren keine sehr guten Geräusche. Eher so wie ein wütender Bienenstock. Das war dann auch gleich der nächste Hinweis auf den Ärger.

Der wütende Bienenstock entpuppte sich als Lynchmob, den zahlreiche aufgebrachte Bürger direkt hinter dem Eingang gerade bildeten. Jetzt sahen wir auch Edward: Er prügelte sich gerade gleichzeitig mit zwei Afroamerikanern: einer Frau mittleren Alters und einem jungen Mann, die so, wie sie kämpften, auch Lykanthropen sein mussten. Und gegen die beiden hatte unser Polizistenfreund einen ganz schön schweren Stand. Einen zu schweren, wie es schien.
Roberto und ich versuchten erst einmal, die aufgebrachte Menge zu beruhigen, während Alex zum nächstgelegenen Feuerwehrschlauch rannte. Totilas schnappte sich den jungen Mann und wandte seine White Court-Tricks auf ihn an, und kurz darauf waren die beiden in einer heißen Knutscherei versunken, die den Lykanthropen nicht nur ablenkte, sondern ihm auch Kraft entzog und ihn erschreckend schnell aus dem Spiel nahm.

Die Leute hörten einigermaßen auf Roberto und mich, aber vor allem auf Roberto, also ließ ich ihn machen und ließ lieber meinen patentierten Sonnenlichtzauber auf Edward und die Frau los. Ja, das blendete beide, aber dass es auch Edward traf, war mir in dieser Sekunde lieber, als dass die fremde Lykanthropin meinen Freund totschlug. Als nächstes beschwor ich die friedlich-träge Stimmung eines heißen Sommernachmittags über den ganzen Raum, um alle Anwesenden ein bisschen zu beruhigen.

Es half nur leider alles nichts. Oder zumindest nicht ganz. Bei der aufgebrachten Menge schon, die sich daraufhin langsam wieder zu zerstreuen begann, aber die Lykanthropin war derart in Rage, dass nichts sie aus der Fassung bringen konnte, und in dieser Rage verletzte sie Edward schwer – was bei Edward etwas heißen will. Mit zwei schnellen Schlägen und Tritten in Folge brach sie ihm erst das Schlüsselbein und schlug ihn dann bewusstlos. Wir alle machten schon Anstalten, uns dazwischenzuwerfen, weil die Frau so aussah, als wolle sie Edward jetzt zerreißen, wo er am Boden lag, aber in dem Moment erschienen von weiter hinten aus der Mall zwei Männer. Einer der beiden, sichtlich der Anführer, war ein Afroamerikaner etwa im selben Alter wie die Frau, und als er sah, wer da vor der Lykanthropin am Boden lag, rief er ihr ein scharfes „Alison! Nicht!“ zu, das sie augenblicklich innehalten ließ. „Wir müssen weg hier! Hilf mir mit Wash!“ kommandierte der Mann – Edwards Vater – und hievte den von Totilas bewusstlos geküssten Jungen hoch.

Edward wollten sie auch mitnehmen, aber das ließen wir wiederum nicht zu. „Das ist mein Sohn!“ wollte der Vater protestieren (als ob wir das nicht schon geahnt hätten, aber das konnte Parsen Senior nicht wissen), aber wir hielten ihm ein „Wir kümmern uns um ihn!“ entgegen, und der Lykanthrop ließ es nicht darauf ankommen, sondern zog mit seinen Leuten ab.

Natürlich wurde Edward ins Krankenhaus gebracht (irgendjemand hatte bereits vor unserer Ankunft die Polizei und den Rettungsdienst angefordert), aber schon im Krankenwagen kam Edward wieder zu sich und entließ sich hinterher sehr schnell selbst. Immerhin heilt er schnell, und es gibt heute noch Dinge zu tun.

Ich habe allerdings eben noch bei Lidia angerufen, um zu hören, wie es ihr mit Monica geht, jetzt wo der Supermond immer näher kommt. Die Kleine ist gerade tatsächlich etwas schwieriger als sonst, gerade die Kontrolle ihrer Magie fällt ihr derzeit sichtlich schwerer. Heute abend wird sie - also Lidia - wie abgesprochen auf Alejandra aufpassen und mit den beiden Mädchen später zum Trick or Treat-Klingeln um die Häuser ziehen. Sie klang ein bisschen enttäuscht bei dem Telefonat. Ich bin mir ziemlich sicher, das war, weil ich sie nicht auf die Party eingeladen habe, aber da können wir ja nicht lange bleiben. Keiner von uns geht mit irgendeinem Date. Nur kurz Präsenz zeigen, dann müssen wir weiter.

Aber bevor wir uns nachher für die Party wieder treffen, gönnen wir uns erst noch ein bisschen Ruhe. (Ja, anders als gestern befürchtet, habe ich die Chance tatsächlich bekommen). Gute Nacht und all das.

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So. Klingonen-Kostüm: angelegt. Jade: mit Bath'let-Illusionszauber versehen. Richtige Kleidung: in Tasche. Alejandra: sehr niedlich als WyldStyle aus dem Lego Movie (Eigentlich wäre es ja nicht schlimm gewesen, aber ich war doch ziemlich dankbar, dass sie weder Anna noch Elsa aus Frozen sein wollte.) Die werde ich jetzt gleich bei Lidia abliefern, dann geht es auf die Party … und danach geht der eigentliche Spaß los. Wünscht uns Glück, Römer und Patrioten.

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02. November

Haha. Sagte ich etwas von 'keiner von uns geht mit irgendeinem Date'? Ich wiederhole mich, aber: haha. Bei den anderen Jungs stimmte das, aber Roberto schlug natürlich gemeinsam mit Dee beim UFO auf. Und zwar beide als Frank N. Furter aus der Rocky Horror Show. Alex, immer für jeden blöden Scherz zu haben, begleitete sie als Riff Raff. Ich war ziemlich froh, dass Totilas einen ganz unspektakulären Star Fleet Captain abgab und Edward einen Stormtrooper. Das war für ihn die einfachste Methode, verkleidet auf der Party zu erscheinen und darunter ohne große Schmink- und Umziehaktionen schon auf den späteren Einsatz vorbereitet zu sein.

Die Party war durchaus ein Erfolg: Totilas konnte zufrieden sein mit der ersten Halloweenfeier unter seiner Ägide. Aber wie schon gesagt, machten wir uns gegen 22:30 Uhr schon wieder aus dem Staub, weil wir ja noch zu dieser Insel hinausfahren mussten, die Alex für uns gefunden hatte.

Der Plan war folgender: Edward wollte das Ritual durchführen, um auf der Insel den Geist von Kojote in Alex zu locken, statt dass er unkontrolliert anderswo Unheil anrichten würde. zu diesem Zweck hatte Roberto die Kräuter beigesteuert, Alex die Schwachstelle in der Grenze zum Nevernever ausgelotet, durch die Edward das Biest herbeilocken würde, Totilas all sein Wissen über Kojoten beigesteuert, und ich hatte aus all den Zorngeistlegenden eine kleine zusammenhängende Geschichte geschrieben, die Edward beim Ritual vorlesen wollte.
Wir setzten Edward und Alex auf der Insel ab, und Edward wollte ins Wasser springen, sobald er das Ritual beendet hatte und der Kojotengeist durchkam und Alex besetzte.

Soviel zum Plan. Er klappte auch fast. Edward zog das Ritual anstandslos durch, und der Kojotengeist kam genau durch die Sollbruchstelle, die Alex im Nevernever vorbereitet hatte, aber Edward hatte nicht bedacht, dass er am Ende sein arkanes Buch noch in eine wasserdichte Tüte packen musste, damit es im Meer keinen Schaden nehmen würde, und das kostete ihn wertvolle Zeit. Zeit, die Kojote-Alex genügte, um Edward zu packen und ihn von der Klippe zu werfen, aber zum Glück gelang es Totilas, ihn aufzufangen.
Mit Edward im Boot machten wir uns schleunigst außer Reichweite, damit Kojote-Alex nicht etwa noch zu uns herübersprang. Und dann beobachteten wir. Alex tobte die ganze Nacht lang pausenlos, und dann den ganzen Tag über immer weiter, bis er um Punkt Mitternacht völlig erledigt zusammenbrach. Als wir ihn aufsammeln gingen, nahm Robertos Gesicht für einen kurzen Moment erst einen abwesenden, dann einen ziemlich entsetzten Ausdruck an, als er Totilas ansah, und er blickte sehr, sehr schnell zu mir hinüber. Ich habe keine Ahnung, was er da gesehen hat, er wollte nicht darüber reden, aber ich vermute mal, es wird das Zweite Gesicht gewesen sein, was er da hochfuhr.

Jedenfalls sammelten wir den bewusstlosen Alex ein und brachten ihn nach Hause. – Einen Arzt wird er hoffentlich nicht brauchen, nur richtig viel Ruhe. Wir anderen sind zwar nicht über irgendwelche Inseln getobt, aber wir waren immerhin auch über 30 Stunden lang wach. Schlafen jetzt.
« Letzte Änderung: 21.08.2017 | 23:55 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
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09. November

Das war eine seltsame Woche. Eigentlich relativ ruhig, aber es sind doch immer mal hier Vorfälle und dort Vorfälle aufgeflammt. Glücklicherweise gingen alle Konfrontationen relativ glimpflich ab, keine ausgeflippten Hulks mehr, aber trotzdem. Die Stimmung in der Stadt wird zunehmend nervös.

Alex ist immer noch dabei, sich auszukurieren. Den haben die Anstrengungen an Halloween doch ziemlich fertig gemacht, also lässt er es langsam angehen.

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11. November

Mierda. ¡Mierda y cólera!
Wir hätten es echt wissen müssen, dass Lady Fire was plant, verdammt!

Jetzt sitze ich gerade hier und warte, dass sie Edward entlassen, und damit ich keine Furchen in den Krankenhausboden laufe, schreibe ich lieber auf, was passiert ist.

Also. Als wir uns heute bei Edward trafen, hatte der Besuch. Eigentlich sogar mehr als Besuch: Cassius nämlich, der bei Vanguard abgehauen war, weil sein Vater plötzlich dort aufgetaucht sei und seinen Sohn wieder habe einsammeln wollen. Vanguard habe sich geweigert, weil Cassius jetzt zu seinem Rudel gehöre, aber Louis habe gemeint, das gehe gar nicht, man könne sein Rudel nicht einfach so wechseln, und dann sei es hin und her gegangen, und dann sei Cassius abgehauen. Jetzt wollte er gerne bei Edward bleiben und zu dessen Rudel gehören. Als wir ankamen, waren die beiden offenbar gerade in ein längeres Gespräch darüber vertieft gewesen, was es heißt, als Lykanthrop ein Rudel zu haben beziehungsweise eben nicht, und das Gespräch ging noch ein bisschen weiter, als wir da waren, auch wenn wir nicht so richtig viel dazu beitragen konnten – außer vielleicht zu bestätigen, dass wir irgendwie Edwards Rudel darstellen, wenn das das richtige Wort ist.

Wir waren noch gar nicht so lange dort, da fuhren zur exakt selben Zeit von zwei Seiten einige Autos vor: Vanguard und sein Rudel von links und Louis Parsen und sein Rudel von rechts. Natürlich waren beide Gruppen auf der Suche nach Cassius. Sie trafen sich vor dem Haus, und auch Edward ging hinaus, wo er von seinem Vater angeherrscht wurde, er solle aus dem Weg gehen. Ich bin mir nicht sicher, aber aus seiner Wortwahl hatte ich fast den Eindruck, er wusste gar nicht, dass sein Sohn ebenfalls ein Lykanthrop ist. Edward hatte sich auch tatsächlich extrem gut unter Kontrolle, muss ich sagen, was Louis Parsen ihm allerdings sichtlich als Schwäche auslegte. „Geh einfach aus dem Weg und rück den Jungen raus!“ Das zu tun, weigerte Edward sich allerdings auch. „Hol ihn doch“, sagte er kühl, und machte Anstalten ins Haus zurückzugehen, während er sich seinen magischen Handschuh überzog, der seine Faustschläge verstärkt. Als Edward ihm den Rücken zugedreht hatte, warf Parsen Senior sich auf seinen Sohn, aber dem ersten Angriff konnte Edward ausweichen, bevor er selbst mit seinem Handschuh zuschlug und Louis damit völlig überraschte. Der Schlag traf Parsen Senior schwer, beinahe tödlich, aber ab dem Moment war es das mit der Überraschung. Während die beiden sich weiter prügelten, hielten wir anderen uns aus der Sache heraus – das war zu eindeutig ein Zweikampf. Aber wir machten uns bereit, einzugreifen, falls Rudelmitglieder von einer der beiden Seiten den Zweikampf stören wollen sollten. Ich bin nicht sicher, was Roberto und Totilas genau vorhatten, aber ich hörte ein: „Lasst euch nicht von dem Vampir anfassen!“ Ich selbst jedenfalls stand innen am offenen Fenster und  hielt einen Zauber bereit, aber zumindest auf Vanguard und seine Leute musste ich ihn nicht anwenden, denn die traten allesamt den Rückzug an, als die Prügelei zwischen Edward und seinem Vater begann. Parsens Rudel sah so aus, als würden sie sich nur mit Mühe zurückhalten, aber auch sie beherrschten sich.

Jetzt, wo Edward das Überraschungsmoment verloren hatte, wurde nur allzu deutlich, dass er trotz allem seinen Vater nicht wirklich lebensgefährlich verletzen wollte. Am Ende war es Edward, der zu Boden ging, gab aber nicht auf, auch wenn Parsen Senior ihn anschrie, er solle sich unterwerfen. Für einen Moment sah es so aus, als wolle Louis seinen Sohn zerreißen, so wie er über ihm stand, und ich war schon drauf und dran, meinen bereitgehaltenen Zauber auf ihn zu werfen. Aber mit einem wütenden Knurren riss Parsen Senior sich zusammen und knurrte statt dessen mich an. „Rück den Jungen raus.“
„Der ist schon weg“, antwortete ich, denn tatsächlich war Cassius durch die Hintertür abgehauen, als es vorne brenzlig wurde.
Wütend trat Louis die Tür ein und kam ins Haus gestürmt. Das war der Moment, in dem ich mich durch das Fenster nach draußen verschwand, denn mit Louis Parsen musste ich mich nicht unbedingt im selben Raum befinden. Von draußen konnte ich sehen, wie Louis und sein Rudel an der Hintertür Cassius' Geruch aufnahmen und abzogen.

Wir brachten Edward ins Krankenhaus, wo sie ihn erst einmal dabehielten, weil er eine üble Gehirnerschütterung hatte und ansonsten auch relativ mitgenommen aussah. Sein Handy hatte ich währenddessen an mich genommen, damit es im Krankenhaus nicht abhanden kam, und irgendwann, als wir gerade bei mir zuhause zusammen saßen und überlegten, ob es irgendwas gäbe, was wir wegen dieses blöden Supermondes im Moment noch tun konnten, klingelte es, also ging ich dran. Marie Parsen war am Apparat, und sie klang schwer besorgt. Mit der Insel der Jugend stimme etwas nicht, sagte sie. Lady Fire sei auf der Insel aufgetaucht, zusammen mit James Vanguard, Colin und einigen Sidhe, dazu einige Feuerwesen. Die Lady habe Sergeant Book festgesetzt und irgendetwas mit ihm gemacht, woraufhin er jetzt gelähmt dastehe und brenne, und sie hätte vor, beim Supermond dort irgendein Ritual durchzuführen.

Mierda.

Wir verabredeten uns im Behind the Cover, dann fuhren wir Edward bescheid geben, und jetzt ist Edward gerade dabei, sich selbst zu entlassen, Lykanthropen-Heilungskräften sei Dank. Was wie gesagt der Grund ist, warum ich mich gerade mit Schreiben ablenke. Aber jetzt müsste er langsam doch mal fertig sein. Wie lange kann so ein blöder Papierkram denn dauern?

---

Marie Parsen wartete schon auf uns, als wir im Buchladen ankamen. Sie erzählte uns noch einmal genauer, was sie am Telefon nur angerissen hatte: Dass James Vanguard beim Supermond auf der Insel der Jugend wohl den Wolf rufen und dessen Kraft in sich aufnehmen will. Das Ritual ausgerechnet auf der Insel der Jugend abzuhalten, sei wohl Lady Fires Idee gewesen. Okay, Römer und Patrioten, woher zum Geier kennt Vanguard Lady Fire?!

Eines war klar: Was auch immer Lady Fire vorhat, sie wird es tun wollen, um sich an uns zu rächen. An mir. An ganz Miami. Ich gebe zu, ich reagierte nicht gerade gelassen auf diese Enthüllung, sondern fuhr ein bisschen aus der Haut, um es mal ganz offen zu sagen.
„Na jetzt nimm ihn schon in den Arm“, stubste Mrs. Parsen daraufhin ihren Sohn an, was bei Edward ein verständnisloses „Hä? Was? Warum?“ auslöste. „Seid ihr etwa nicht zusammen?“ soufflierte seine Mutter, woraufhin sowohl er als auch ich wie aus einem Mund mit einem ziemlich gereizten „Nein!“ reagierten. „Ach so“, machte Marie, noch immer nicht überzeugt, „ich dachte, weil er dein Telefon hat und alles.“ Grrrrrr. „NEIN!!!“

Mit etwas Mühe riss ich mich zusammen, immerhin bringt es niemandem was, wenn ich ganz ohne äußere Einwirkung dieses blöde Kojanthropen-Gen aktiviere, nur weil ich hier einen auf Dr. Bruce Banner mache. Und so richtig zielführend war das Geschimpfe auch nicht, selbst wenn es irgendwie gut tat. Nachdem ich ein paarmal durchgeatmet hatte, warf ich in den Raum, dass die Kombination aus Lady Fire und Vanguards Leuten zu viel für uns fünf sein dürfte. Aber wen könnten uns als Unterstützung dazuholen? Ximena vielleicht?

Wir waren gerade noch am Durchgehen unserer Verbündeten, da klingelte Edwards Handy schon wieder. Und diesmal konnte er selbst drangehen, weil ich es ihm natürlich wiedergegeben hatte, als er aus dem Krankenhaus kam. Nur damit hier keine falschen Vorstellungen aufkommen. Es war Henry Smith, der seinem Lieutenant mitteilte, dass es in den Everglades einen Gefängnisausbruch gegeben hätte, mit Feuer und Illusionen. Und, ja natürlich: Enrique und seine Leute seien ausgebrochen. Überraschung.

Habe ich gerade vorhin geschrieben, ich fuhr ein bisschen aus der Haut? Falsch. Jetzt fuhr ich ein bisschen aus der Haut. Das war doch garantiert Ximena, war mein erster Gedanke. Aber Totilas und Edward hatten noch einen viel beunruhigenderen: Was, wenn Lady Fire dahinter steckte, die Enrique entführt hatte, um Rache zu nehmen oder weil sie eine Geisel wollte? Oh, mierda. Mierda, mierda, ¡Mierda!

Mit noch etwas mehr Mühe als zuvor riss ich mich ein weiteres Mal zusammen. Spekulationen brachten uns nicht weiter, also rief ich kurzerhand bei Ximena an. Die war am Telefon zu keinerlei Aussage zu bewegen, nur dass sie natürlich nichts mit der Sache zu tun habe (natürlich!), aber gerade auch überhaupt nicht abkömmlich sei, wo sie gerade sei, und einen Kollegen zu uns schicken werde.

Grrrrrr. Ich fand das nicht lustig. Also so gar nicht. Denn aus Ximenas Tonfall war nur allzu deutlich zu entnehmen, dass sie eben doch ganz genau wusste, von was ich sprach.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Ximenas Kollege - dieser blonde isländische Slacker-Jüngling namens Bjarki irgendwas - im Buchladen auftauchte und uns im Vertrauen bestätigte: Ja, der Ausbruch ging tatsächlich auf seine und Ximenas Kappe. Carlos hatte seine Cousine darum gebeten. Sie hätten sich bemüht, die ganze Aktion so gewaltlos wie möglich über die Bühne zu bringen, nur mit Illusionen und ohne Verletzte. Jetzt halte Ximena sich mit den Flüchtigen an einem passenden Ort in den Glades versteckt - noch ohne Polizei auf den Fersen, nicht direkt jedenfalls. Aber vermutlich sei das nur eine Frage der Zeit, und auf Dauer sicher sei das Versteck nicht.

Verdammt. Aber wir hatten gerade zu viel um die Ohren, mit diesem Problem mussten Ximena und Bjarki erst einmal alleine klarkommen. Vielleicht könnten sie sich auf Linares’ Marijuana-Feldern verstecken, meinte Totilas. Die kann wegen ihres magischen Schutzes immerhin niemand finden. Wenn wir Linares darum bäten und ihm erklärten, dass ich meinem Bruder gerade nicht helfen könne, weil wir ja mit dem Biest beschäftigt seien, dann würde er den Flüchtigen ja vielleicht den Weg auf die Felder zeigen.

Und dann, wenn der Alarm ein bisschen abgeebbt war, könnten die Geflüchteten ja vielleicht nach Kuba weiter, schlug Roberto vor. Vielleicht, erwiderte Bjarki, aber Enrique wolle seine Tochter.
GRRRRRR. Falsche Antwort. Ganz falsche Antwort. Ich merkte gar nicht so richtig, wie ich mit den Zähnen knirschte und die Fäuste ballte, während mir immer groteskere Bilder von einem Kojanthropen-Enrique, der eine haltlos weinende ‘Jandra mit sich zerrte, vor den Augen herumtanzten. Es war Totilas, der mir die Hand auf den Arm legte und beruhigend auf mich einsprach. Das half. Ich atmete tief durch und tröstete mich wenigstens ein bisschen mit der guten Nachricht, dass Enrique immerhin nicht von Lady Fire als Geisel genommen worden war.

Also gut. Auch das brachte niemandem was, wenn ich jetzt hier herumtobte. Nach dem Supermond muss ich mit Enrique reden, aber erstmal müssen wir den Supermond einigermaßen unbeschadet hinter uns bringen.
Jetzt war erst einmal die Frage: Was machen wir wegen der Insel? Wie gehen wir gegen die kombinierten Kräfte aus Lady Fire, Vanguard und Lebenswasser-Colin vor? Wir überlegten eine Weile relativ fruchtlos hin und her, bis ich auf die Idee kam, dass ich am besten mal mit George reden sollte. Immerhin ist er der Vertreter des Wyld hier in der Gegend, und die Insel der Jugend gehört nun einmal zu Wyld.

Also versuchte ich kleines Nachmittagsschläfchen. Ja, mitten im Buchladen. Augen schließen, tief atmen, meditieren. Erledigt genug war ich nach den bisherigen Anstrengungen des Tages tatsächlich.

Der Traum setzte in einem Auto ein (meines? ein anderes? schwer zu sagen), mitten in einer rasanten Verfolgungsjagd. George saß am Steuer und lenkte das Gefährt hektisch durch den widerspenstigen Verkehr. Während wir fuhren, unterhielten wir uns. Ich fragte George, ob er die Auswirkungen des derzeitigen Mondes auch schon mitbekommen habe. Ja, sagte er, er fühle sich irgendwie aggressiv, und die Träume der Leute schmeckten alle so komisch.
Als George sagte, er fühle sich aggressiv, saßen wir plötzlich nicht mehr im Auto, sondern standen uns in einem Boxring gegenüber, und mein kleiner Wyldfae-Freund tänzelte mit schwingenden Fäusten um mich herum, griff mich aber nicht an. Ob er auch schon mitbekommen habe, was auf der Insel der Jugend los sei, wollte ich dann wissen. Da befanden wir uns mit einem Mal auf rauer See, aber nicht in einem Boot, sondern auf einer aufblasbaren Gummiinsel mit Palme. Ja, sagte George, und was da gerade geschehe, sei gar nicht gut. Zu viel Sommer da, gerade. Lady Fire und alles.

Von Lady Fire würde ich übrigens sehr oft träumen, warf George dann ein. „Hah“, machte ich nur. Das wollte ich eigentlich gar nicht wissen, und daran erinnern kann ich mich ja dank Georges kleiner Mitternachtshappen zum Glück meist auch nicht. Mein kleiner Oneirophagenkumpel wollte auch gleich wissen, ob er die Lady-Fire-Träume weiter fressen solle, das wollte ich ihm aber nicht vorschreiben, weder in die eine, noch in die andere Richtung.

Sei es denn dann in Ordnung, wenn ich Pans Einherjar mit auf die Insel nehme, fragte ich weiter. Ja, das sei schon okay: Wenn ich das okay fände, dann sei es bestimmt in Ordnung. Grrrrr. Nicht das, was ich gefragt hatte, und nicht das, was ich hören wollte. Was Georges eigene Meinung sei, hakte ich nach. Naja, es sei eben sehr viel Sommer gerade auf der Insel. Vielleicht wäre ein Ausgleich gut.

Hmmmm. Ausgleich. Also Winter. Hmmmmmmm. Ich dankte George aufrichtig für seinen Rat, und der Kleine freute sich sichtlich. Und dann wurde er creepy. Richtig gruselig, irgendwie. In schneller Abfolge zeigte er mir lauter Bilder von meinen Verwandten und Freunden. Die Jungs. Mamá und Papá, Yolanda und Alejandra, Lidia und Monica. Dee. „Soll ich die auch fressen?“ fragte er dann in einem ganz seltsamen Tonfall. Erm. „Nein!“ „Okay“, machte George, und ich hoffe schwer, das lässt er wirklich.
Hmmm. Vielleicht hätte ich ihn fragen sollen, was das macht, wenn er diese Träume frisst. Also außer, dass ich mich dann an diese Träume nicht mehr erinnern kann, versteht sich. Aber ob noch irgendwas anderes.

Dann kam ich wieder zu mir und erzählte den anderen, was George gesagt hatte. Also das mit dem Sommer-Überschuss auf der Insel und dass ein Ausgleich ganz gut wäre. Das mit dem Vorschlag, die Träume von meinen Freunden zu fressen, nicht.

Unser erster Gedanke bei „Winter“ war angesichts der Tatsache, dass Lady Fire sich auf der Insel aufhält, natürlich erst einmal Lord Frost. „Kannst du denn mit Lord Frost, Cardo?“ fragte mich Totilas, worüber ich erst einmal kurz nachdachte, dann aber mit einem „Geht schon“ antwortete. Immerhin ist Lord Frost der erklärte Gegenspieler von Lady Fire, und im Schwimmbad ging es ja auch einigermaßen. Aber bei Lord Frost wissen wir ja gar nicht, wie wir ihn erreichen können, also musste eine solche Aktion ohnehin über Hurricane laufen.

Wir fanden den Boxer am Hafen, in einer Bodega, die von lauter Winterfeen in menschlichem Glamour besucht wurde. Da mussten wir – musste vor allem ich – nicht unbedingt rein, also redeten wir draußen vor der Tür. Also... ich redete, weil von den anderen keiner Anstalten machte, das zu übernehmen. Wahrscheinlich ist in denen noch zu sehr die Rollenverteilung 'Cardo übernimmt das Reden' gespeichert. Was ja grundsätzlich auch stimmt. Nur dass ich Hurricane gegenüber fürchterlich herumdruckste. „Wir sind hier, weil, ähm...“
Allerdings muss man sagen, dass Hurricane es mir auch nicht gerade leichter machte. „Was?“ feixte er, „Ich verstehe dich nicht!“ „Weil... ähm...“ „Es fällt ihm als Vertreter des Sommers gerade etwas schwer, eine offizielle Bitte an Winter zu richten“, erklärte Edward, aber Hurricane schnaubte nur. „Warum macht er es dann?“
Weil... siehe oben.
Aber jetzt übernahmen die anderen dankenswerterweise dann doch und erzählten Hurricane von den Vorgängen auf der Insel der Jugend und dass wir Hilfe bräuchten. Dass die anderen dafür ihre bei Tanit noch offenen Gefallen einfordern wollten.

Während die Jungs erklärten, tigerte ich unruhig und noch immer ziemlich gereizt vor mich hingrummelnd auf und ab und ließ sie machen. Irgendwann merkte ich allerdings, dass Hurricane mich sehr ungehalten anstarrte. „Du zeigst keinen Respekt“, knurrte er.
Verdammt. Da hatte er nicht unrecht. Ich habe ja eigentlich nichts gegen Hurricane, und mein Ärger richtete sich ja noch nicht einmal gegen ihn. „Es tut mir leid“, gab ich hochformell zu. „Ich bin etwas... angespannt derzeit, und ich habe das an dir ausgelassen, was ich nicht wollte. Das zeugte wirklich nicht von Respekt. Bitte entschuldige.“
„Ich akzeptiere deine Entschuldigung“, erwiderte Hurricane, und damit war es dann zum Glück auch okay.

Hurricane erklärte, er werde Lord Frost über Lady Fires Aktionen informieren. Dies werde den Winterlord sicherlich dazu veranlassen, auf der Insel der Jugend für das Gleichgewicht sorgen zu wollen, dies bedeute also noch keinen Gefallen der Jungs bei Tanit. Für die drei offenen Gefallen hingegen versprach er seine eigene Unterstützung sowie die Hilfe von zwei Frostriesen und einer Kompanie Kelpies.

In dem Gespräch erwähnte ich schließlich auch Mr. Dahl und die Heinzelmännchen, und während ich Hurricane im Auge behielt, erklärte ich auch, dass es Colin Mendoza gewesen sei, der Dahl auf die Gesetzeslücke mit dem Teichgelände aufmerksam gemacht hatte. Und als hätte ich es nicht schon geahnt: Hurricane wirkte kein Stückchen überrascht.
Da ich ja weiß, dass die beiden gut befreundet sind, fragte ich daraufhin, ob diese Freundschaft nicht ein Problem für Hurricane darstellen werde, wenn er uns jetzt doch gegen Colin beistehen würde, aber der Winterfae verneinte. Er habe sein Wort gegeben, und es gelte, einen Gefallen einzulösen, den seine Mutter uns schulde. Er werde Colin nicht aktiv umbringen, aber es gehe um sein Wort. Okay, sagte ich, denn das nahm ich ihm auch ganz genau so ab.

„Ich brauche auch ein Versprechen“, ergänzte Hurricane noch. „Ich will euer Wort, dass der Vampir keine Hand an die Winterkrieger legt.“ „Nur, soweit uns das nicht in Gefahr bringt“, versuchte Totilas abzuwiegeln, aber der Boxer starrte ihn einigermaßen finster an und schoss zurück: „Das Versprechen will ich nicht von dir.“
Seufz. Es wird wirklich Zeit, das Totilas diese Eidbrecheraura endlich los wird.
„Ich verspreche es für ihn“, sagte ich stattdessen. „Totilas wird in diesem Kampf seine Vampirkräfte nicht gegen die Streiter des Winters einsetzen. Kein Einfluss, kein Ernähren.“ Das mochte unserem White Court-Freund zwar nicht gefallen, aber ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, dass die Winterfeen uns bei der Erfüllung eines Gefallens verraten werden und er in die Verlegenheit kommen könnte, mein Versprechen brechen zu wollen. Und wenn doch, muss ich ihn eben davon abhalten.

Nachdem das also geklärt war, trennten wir uns. Alles Weitere muss bis morgen warten, denn es war ein langer Tag, und wir sind alle ziemlich erledigt. Vielleicht hätte ich den ganzen Kram nicht auch noch aufschreiben und stattdessen gleich ins Bett gehen sollen, aber wer weiß, wie ich morgen dazu komme.

Nur mit Yolanda habe ich vorhin noch kurz telefoniert und ihr endlich mal erzählt, was mit Enrique los ist. Dass Jandra und ich den Kojanthropen-Marker mit Sicherheit in uns tragen, was bedeutet, dass Mom und Dad und sie selbst den Marker höchstvermutlich auch aufweisen. Sie war nicht sonderlich begeistert von der Vorstellung, trug es aber mit Fassung. Mehr Fassung als ich, wenn ich ehrlich bin.
« Letzte Änderung: 30.07.2017 | 23:30 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Bloss dass du weisst, dass ich auch hier (sporadisch) mitlese.
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Oh, das freut mich! Danke für die Rückmeldung, Sindar; es ist immer sehr cool zu hören, dass die Leute sich für die Abenteuer der Jungs interessieren. :)
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12. November

Heute nacht habe ich mit George gesprochen. Also nicht einfach nur gesprochen, sondern ich hatte ein Anliegen an ihn. Denn Hurricane sagte gestern bei dem Gespräch, er könne zwar ein Schiff besorgen, auf das alle Streiter passen, aber das sei nicht in der Lage, rückwärts gegen den Wind zu kreuzen, wie es das muss, um die Insel der Jugend zu erreichen. Dafür braucht es ein anderes Schiff. Dazu muss also wieder George ran, und darum habe ich ihn heute nacht im Traum eben gebeten. George erklärte, das könne er arrangieren, aber nur gegen einen Gefallen. Tssss. Aber gut. Schulde ich meinem Traumfresser-Freund eben einen Gefallen. Wenn ich das mal nicht bereuen werde.

Hurricane sagte gestern auch, er werde sich melden, sobald er alles organisiert habe. Er stellte aber auch schon in Aussicht, dass das heute mindestens den größten Teil des Tages dauern könnte.
Also hatte ich genug Zeit, um Alejandra über das Wochenende zu meinen Eltern zu bringen und Yolanda wegen Enrique einzuweihen. Also nicht nur, dass er ein Kojanthrop ist, sondern auch, dass er Jandra vielleicht holen kommen wollen könnte. Sie versprach, die Situation im Auge zu behalten und falls Enrique auftauchen sollte, die Dinge zumindest so weit zu verzögern, bis ich wiederkomme und das selbst mit ihm klären kann.

Ansonsten bereiteten Edward und ich einige Feuerschutztränke zu. Edward ist ja ohnehin ziemlich gut in Alchimie; ich selbst habe da ja nicht so viel Erfahrung, aber Eileen konnte mir ein bisschen unter die Arme greifen, wie ich die Sommermagie in mir auch für diesen Zweck nutzen kann. Ich glaube zwar trotzdem, dass Edwards Tränke wirkungsvoller sind, aber jedes bisschen hilft, wenn es gegen Lady Fire geht, wenn ihr mich fragt. Edward gab einen seiner beiden Tränke an Totilas weiter; ich selbst teilte meine Ausbeute mit Roberto. Der wiederum braute in der Zeit zwei Tränke, mit denen man Veils und sonstige Maskierungen durchschauen kann. Das kann sicherlich auch nichts schaden.

---

Eben hat Hurricane angerufen und den Startschuss gegeben. Treffen in einer Stunde am Hafen. Und los geht’s.

---

Irgendwann nachts.

Wir sind zurück. Wir sind am Leben.

In der Stadt hat eine Leuchtanzeige behauptet, es sei der 16. November. Das kann eigentlich nicht sein – wir waren doch keine vier Tage weg? Aber ich kann und mag darüber jetzt nicht nachdenken, sondern ich muss erstmal schlafen. Vier Tage waren es zwar nicht, aber trotzdem lang, und... puh. Mag jetzt nicht drüber nachdenken.

Muss schlafen.

---

16. November

Es ist tatsächlich der 16. November. Irgendwie ist uns im Nevernever die Zeit durcheinander gekommen. So ungewöhnlich ist das ja nun tatsächlich nicht. Und wenigstens ist dadurch jetzt der Supermond vorüber. Jetzt nur noch die letzten Auswirkungen bis zum nächsten Vollmond aushalten, aber zumindest das Schlimmste dürfte vorbei sein.

Dann kann ich ja jetzt aufschreiben, was alles passiert ist. Für den Rest des Tages habe ich ja nichts groß vor.

Wir trafen uns am Hafen, an einem Pier, das es eigentlich gar nicht geben dürfte und zu dem man nur mit einer etwas verqueren Wegfindung kam. Dort wartete Hurricane mit einem alten Segelschiff, auf dem bereits Lord Frost und zwei Sturmriesen warteten. Die ebenfalls versprochenen Kelpies schwammen um das Schiff herum. Totilas machte ein erschreckend interessiertes Gesicht bei dem Anblick der pferdeartigen Fae – den musste ich erstmal an sein Versprechen erinnern. Oder besser: an mein Versprechen. Denn ein Sommerritter mit Eidbrecheraura wäre wirklich nicht gut. „Ich werde deinen Eid achten“, gestand mir Totilas beinahe huldvoll zu, als ich ihn daran einnerte, was mir ein etwas sarkastisches „Danke“ entlockte.

Die zwei Sturmriesen, die auf die völlig un-sturmriesischen Namen Juan (der mit den Haaren) und Pepe (der ohne) hörten, waren allergisch auf Sommer und mussten ständig niesen, wenn ich in ihre Nähe kam. Außerdem fanden sie, ich röche komisch. Also hielt ich mich lieber von den beiden fern, während Edward kurz mit ihnen redete. Die Quintessenz aus dem Gespräch war, dass Edward meinte, er wolle sich lieber nicht mit den beiden anlegen, woraufhin die ihn als „vernünftigen Mann“ betitelten.

Vom Pier aus fuhren wir ins Nevernever, wo wir George trafen. Er hatte ein passendes Schiff aufgetan, auf das wir jetzt alle umstiegen, auch die Kelpies (die den Laderaum besetzten).
Unterwegs erzählte Lord Frost uns auch ein bisschen was über das Verhältnis zwischen ihm und Lady Fire. Wie die meisten hohen Fae, oder besser, wie diejenigen, die eher einen Titel als einen eigenen Namen tragen, waren beide früher einmal Menschen, und beide sind auch nicht die ersten Träger ihres jeweiligen Amtes. Denn früher oder später kommt es zwischen diesen beiden Gegenpolen zum Kampf, und während die Konfrontationen zwar nicht immer tödlich ausgehen, ist das doch durchaus keine Seltenheit. Und wenn einer der beiden stirbt, dann geht das Amt auf denjenigen vom Temperament her passenden Menschen über, der sich am nächsten befindet. Das Paar ist immer ein Lord und eine Lady, aber nicht notwendigerweise immer Lady Fire und Lord Frost. Das Verhältnis kann sich aber nur umkehren, wenn sich in ihrem Kampf beide gegenseitig töten, was im Laufe der Zeit auch schon gelegentlich vorgekommen ist.

Auf dem Weg zur Insel der Jugend überlegten wir, wie wir mit Lady Fire und Vanguard umgehen würden, wenn wir sie dort trafen. Lady Fire müssten wir natürlich aufhalten, aber Vanguard auch? Wenn wir uns ihm aktiv in den Weg stellen würden, dann hieße das, uns aktiv und sehenden Auges James Vanguard als Gegner aufzuhalsen. Wollten wir das? War das, was er plante, so schlimm? Oder anders herum, was bedeutete es, ganz neutral betrachtet?
Eigentlich wäre es nicht so schlimm, befanden wir. Eigentlich steht Vanguard, wie wir auch, für Sicherheit und Stabilität in Miami. Und er und seine Leute sind keine Verbrecher. Eigentlich verfolgen wir dieselben Ziele, und wir hätten ihn eher ungern als Gegner. Deswegen beschlossen wir, ihm durchaus zu helfen – oder ihn zumindest nicht aktiv behindern.

Als wir uns langsam der Insel näherten, uns aber noch außer Reichweite befanden, erklärte Lord Frost, er könne Lady Fire spüren – sie befinde sich nicht direkt am Strand, wo wir einiges an Bewegung sahen, sondern weiter hinten auf der Insel, und als er den Ort beschrieb, erkannten wir ihn als den Ritualplatz, wo sie beim letzten Mal auch schon ihr Ritual hatte abhalten wollen.
Vielleicht wäre es also sinnvoll, wenn wir nicht am großen Strand anlegen würden, wo wir das letzte Mal geankert hatten, sondern gleich zu einer der Buchten auf der anderen Seite der Insel segeln würden? Dann wären wir näher an dem Ort, wo wir hinwollten, und müssten uns außerdem nicht durch die potentiellen Gegner am Hauptstrand kämpfen.

Wir waren noch dabei, das zu besprechen und zu überlegen, wie wir überhaupt vorgehen wollten, da schaltete Lord Frost sich ein.
„Seid ihr sicher, dass es eine gute Idee ist, wenn wir hier kämpfen? Das würde der Insel alles andere als guttun.“
Nein. Natürlich war es keine gute Idee, das war uns auch klar. Wenn diese beiden Urgewalten ihre Kräfte hier aufeinander losließen, dann würde das die Insel noch viel mehr belasten, als sie das ohnehin schon war. Am besten wäre es also, wenn Lord und Lady ihren Konflikt entweder anderswo austragen könnten – oder wenn es vielleicht gar nicht zum offenen Ausbruch von Feindseligkeiten käme. Vielleicht konnten wir die Sache ja tatsächlich doch irgendwie mit Reden beilegen; zumindest solange, bis wir von der Insel herunter waren.
Als wir das beschlossen hatten, war auch klar, dass wir eigentlich auch offen hinsegeln und am Hauptstrand anlegen konnten, statt irgendwie zu versuchen, uns unbemerkt anzuschleichen.

Dort am Strand lagen auch jetzt einige Schiffe vor Anker. Zwei Segler trugen das Emblem von Lady Fire, eine stilisierte Flamme, während das dritte ein Motorboot war, an dem man irgendwie ein Segel und einen Ventilator angebracht hatte. Sommerritter hin, Sommerritter her, mit konventioneller Magie kenne ich mich ja immer noch nicht so richtig aus, aber sogar ich konnte sehen, dass da richtig viel Magie hineingepumpt worden sein musste, weil dieses Konstrukt anderenfalls nie funktioniert hätte, um das Schiff rückwärts gegen den Wind kreuzen zu lassen, auch im Nevernever nicht. Normalerweise hätte das nie so funktioniert. Und tatsächlich erklärte Alex, für ihn fühle die Konstruktion sich richtig falsch und ungut an.

Da wir es ja erst einmal mit Diplomatie versuchen wollten, ließen wir die Kräfte des Winters vorläufig an Bord unseres Schiffes und beauftragten sie, nur dann einzugreifen, wenn es Ärger gäbe oder wir sie rufen würden. Hurricane wirkte fast ein bisschen enttäuscht und erklärte, die drei Gefallen der Jungs seien damit aber trotzdem eingelöst, auch wenn es nicht zu einer Auseinandersetzung kommen würde. Natürlich seien sie das, versicherte ich ihm – und überdies war es auch durchaus möglich, dass die Situation schneller eskalieren würde, als man sich umsehen konnte, und doch noch in einen Kampf münden würde.
Als wir von Bord gingen, wurden wir von Robertos altem Freund Sir Kieran, einem weiteren Sidhe-Ritter und drei Feuerwichteln empfangen. Auch Colin, mein Vorgänger, der Lebenswasserdieb, war anwesend, hielt sich allerdings auffällig im Hintergrund. Sir Kieran sah verbraucht aus, ausgemergelt und hager, mit stumpfen Haaren und den Augen tief in den Höhlen. Ich war mir nicht ganz sicher, woran das wohl liegen mochte – entweder, jemand hatte ihm die Lebenskraft abgezogen, oder vielleicht wurde auch sein Eidbrecherstatus auf diese Weise sichtbar.
„Was wollt ihr?“ herrschte Sir Kieran uns an, und irgendwie ergab es sich, dass ich doch wieder das Reden übernahm.
„Wir wollen mit Lady Fire und mit James Vanguard sprechen.“
„Wer seid ihr denn?“ wollte der fremde Sidhe wissen.
„Das sind die schönen Männer“, spottete Sir Kieran, was mich seufzen ließ. „Wir sind die Ritter von Miami.“
Sir Kieran starrte uns finster an. „Kommt ihr in Frieden oder was?“
„Sieh es mal so“, antwortete ich. „Wir haben Winter fürs Erste an Bord gelassen. Erst einmal sind wir hier, um zu reden. Ob und inwieweit sich das ändert, wird davon abhängen, mit welchen Reaktionen wir hier empfangen werden.“
„Also was wollt ihr?“
Ich seufzte wieder. „Wir wollen mit Lady Fire und mit James Vanguard sprechen.“

Sir Kieran schickte einen der Wichtel los, er solle 'der Herrin' die Nachricht überbringen. Ob sie daraufhin tatsächlich kommen werde, müsse sie selbst entscheiden.
Aber sie kamen, sowohl sie als auch Vanguard, in Begleitung einer ganzen Entourage von Sidhe-Rittern, und wieder war ich es, der für unsere Gruppe das Wort ergriff, sobald die beiden vor uns standen. Ich sprach vor allem zu Vanguard, erklärte ihm, dass wir ihn nicht hindern wollten, im Gegenteil, ihm sogar sogar helfen würden, er solle sein Ritual nur bitte, bitte nicht hier abhalten, weil das die Insel nur weiter schwächen würde und die Insel weitere Schwächung so gar nicht brauchen könne.
Als ich meinen kleinen Vortrag gehalten hatte, wandte Lady Fire sich zu Vanguard und sagte mit zuckersüßer Stimme: “Glaub ihm nicht, James, er lügt. Er will nur seine eigene Macht verstärken, will die Macht der Insel für sich selbst nutzen.”
“Das will ich nicht”, warf ich ein, und auch Edward wandte sich an Vanguard. “Von Lykanthrop zu Lykanthrop: Haben wir dich je über den Tisch gezogen?”
“Er lügt”, wiederholte Lady Fire, und ich schüttelte wieder den Kopf.
“Ich lüge nicht”, erklärte ich ihr eindringlich. “Wie kann ich dich nur davon überzeugen?”

Aber während ich es noch aussprach, erkannte ich, dass Lady Fire ganz genau wusste, dass ich die Wahrheit sagte. Mit ihrer Behauptung, ich wolle meine Macht vergrößern, log sie also wissentlich selbst. Und das war eine verdammt spannende Frage. ¿Por qué demonios konnte sie als Fee lügen? Sie trug auch das Eidbrecherzeichen nicht mehr, fiel mir auf, genausowenig wie zwei ihrer Ritter. Diese beiden sahen auch nicht so verlebt und angeschlagen aus wie Sir Kieran.

Sobald ich wusste, dass Lady Fire log, wusste ich auch, dass ich gar nicht versuchen musste, sie zu überzeugen. Also konzentrierte ich mich lieber auf James Vanguard und versuchte weiter, ihn dazu zu bringen, sein Ritual nicht auf der Insel durchzuführen, auch wenn Lady Fire zischte, wir seien ihr immer in die Quere gekommen, hätten immer ihre Pläne vereitelt, und auch wenn sie nochmals wiederholte, wir wollten doch nur mehr Macht für uns.
Ich legte mich mächtig ins Zeug, und tatsächlich sah Vanguard so aus, als sei ich zu ihm durchgedrugnen und als fange er an zu zweifeln, aber dann erklärte er, er habe mit Lady Fire eine Vereinbarung getroffen, den könne er nicht einfach brechen. Er habe jetzt schon angefangen, seinen Teil der Abmachung zu leisten, als Preis für Lady Fires Hilfe ihr ebenfalls zu helfen, und er könne da jetzt nicht mehr raus.
Was für eine Hilfe Vanguard leiste, wollte ich wissen, und der Security-Mann grinste. “Den schönen Männern Ärger machen.” “Oho?” Ja, führte Vanguard aus, oder ob uns etwa noch nicht aufgefallen sei, dass da plötzlich ein Bruder aufgetaucht sei? Ein Bruder plötzlich ausgebrochen?
“Ach, das waren Probleme?” sagte Edward leichthin, woraufhin Lady Fire ihn wütend anfunkelte. Das kümmerte Edward nur wenig. “Wobei eigentlich helfen?” fragte er Vanguard, und der grinste wieder knapp. “Na bei meinem Plan.” “Klar bei deinem Plan”, knurrte Edward, “aber was für ein Plan ist das genau?”
Sehr offen bestätigte der Security-Mann daraufhin genau das, was wir uns beinahe schon gedacht hatten: Dass er das Biest rufen und besiegen wolle, damit er es ab dem Moment kontrolliere statt anders herum. Dann werde er sich an Vollmond besser unter Kontrolle haben und seine Kräfte auch außerhalb des Vollmonds einsetzen können.

Wie gesagt, das hatten wir uns ja schon ungefähr so gedacht. Und grundsätzlich war es ja auch eigentlich gar keine schlechte Idee, das Ritual auf der Insel der Jugend abzuhalten, weil die Insel ja als Anker und der Stabilisierung dient und das, was Vanguard vorhatte, ja sein Biest stabilisieren oder besser: Vanguards Kontrolle über sein Biest stabilisieren sollte. Wenn nur dieses grobe Missverhältnis durch die Anwesenheit des Sommers nicht wäre. Diese fortwährende Schwächung der Insel.

“Okay”, lenkte ich ein, “dann brechen Sie Ihre Abmachung mit Lady Fire eben nicht, verdammt. Ich sehe ja ein, dass es ein Deal ist und gehalten werden muss. Aber machen Sie das Ritual bitte, bitte nicht hier!”
Tatsächlich sah es so aus, als überlege Vanguard noch einmal, und ich dachte schon, ich hätte es geschafft, aber das war der Moment, in dem Lady Fire “Das muss aufhören!!” schrie und ein flammendes Inferno auf uns herabrief.

Na gut. Das war übertrieben. Nennt es künstlerische Freiheit, Römer und Patrioten. Was Lady Fire auf uns losließ, war kein Inferno. Aber es war auch nicht einfach ein Feuerball, wie Feu Buca sie verschossen hatte. Es war eine Flammenwalze, und wenn wir nicht hätten ausweichen können, dann hätten uns vermutlich nur unsere Feuerschutztränke gerettet, wenn überhaupt. Aber wir konnten ausweichen, auch James Vanguard, der seiner Verbündeten offensichtlich in diesem Moment völlig gleichgültig war - nur Totilas, der am ungünstigsten stand, wurde ein bisschen angesengt, aber glücklicherweise ist er derjenige von uns, der so etwas am ehesten vertragen kann.

Lady Fires Angriff war das Zeichen für den Kampfbeginn ganz allgemein. Unsere Winterkräfte kamen vom Schiff - Lord Frost ganz stilsicher mit einer Eisbrücke, die er vom Deck zum Ufer formte, während die Sturmriesen einfach über die Reling stiegen und die Kelpies aus dem Laderaum strömten. Am Ufer ging Lord Frost natürlich sofort in den Zweikampf mit Lady Fire. Juan und Pepe nahmen es mit den Feuerwichteln auf, und die Kelpies stellten sich den Sidhe in den Weg, während die beiden Ritter ohne Eidbrecherzeichen sich auf Edward und mich stürzten.

Sir Kieran wollte sich auf Roberto werfen, aber Totilas ging dazwischen - und dann verfiel er für ein paar Sekunden in eine Art Starre, als horche er nach innen und sei komplett abgelenkt. Ich kannte das: So sieht Totilas aus, wenn er mit seinem Dämon redet. Ich war selbst zu beschäftigt, um es genau zu verfolgen, aber ich glaube, dieses kurze Zögern reichte aus, damit unser White Court-Freund ein paar Schnittwunden abbekam, die ihn dann allerdings auch wieder aus seiner Starre rissen.

Während sein Gegner noch auf ihn zustürmte, versuchte Edward, Lady Fire ins Wasser zu werfen, aber so einfach war das natürlich nicht. Für ein so zierliches Persönchen - aber ja, natürlich, übernatürliche Feenkräfte in der zarten Gestalt - konnte sie erstaunlich gut dagegenhalten und blieb am Strand.

Alex, der sich vermutlich dachte, er könne hier im Kampf ohnehin nichts ausrichteh, zog sich in Richtung Ritualplatz zurück, gefolgt von Colin, wie ich aus dem Augenwinkel sehen konnte. Colin hätte ich am liebsten aufgehalten, aber das musste warten. Denn vielleicht konnte ich die Chancen ein klein bisschen zu unseren Gunsten verbessern.

Ich war ja ohnehin schon dabei, Jade zu ziehen, weil dieser Ritter auf mich zugestürmt kam. Jetzt erhob ich die Sommerklinge, so dass alle sie gut sehen konnten, und rief: “Haltet ein!” Und, Wunder über Wunder, für einen Moment stoppten sie tatsächlich, zumindest die Ritter. “Haltet ein!” wiederholte ich. “Wenn ihr an Pans Hof zurückkehren wollt, dann legt die Waffen nieder!”
Den beiden Sidhe, die kein Eidbrecherzeichen mehr trugen und die gerade auf Edward und mich zustürmten, war das Angebot herzlich egal. Aber die anderen Ritter brachte es kurz zum Nachdenken, und immerhin streckten zwei von ihnen tatsächlich die Waffen. Sie zogen sich zurück und hielten sich aus dem Kampf heraus, während die anderen sich nach dem kurzen Moment des Innehaltens nun doch ins Getümmel stürzten. Und irgendwie gelang es mir sogar, den Kelpies klar zu machen, dass sie die beiden Zögerer bitte in Ruhe lassen sollten, bevor mein Gegner mich erreicht hatte und ich zum ersten Mal ernsthaft zeigen konnte, was die ganzen Schwertkampfübungen mit Elaine des letzten Jahres so gebracht haben.

Da ich noch am Leben bin, um das hier aufzuschreiben: gar nicht so wenig. Ich konnte mich meines Feenritterss tatsächlich einigermaßen erwehren und ihn sogar besiegen, auch wenn ich einen eher unschönen Schwerthieb quer über die Hüfte abbekam, als dazu einen vernachlässigbaren Kratzer am Arm. Edward ging es ganz ähnlich: Er wurde verwundet, konnte seinen Gegner aber ausschalten, während Totilas Sir Kieran niederschlug.

Und jetzt… brauche ich eine kleine Pause, glaube ich. Ich könnte mir etwas zu essen machen. Oder Kaffee kochen. Oh, und ‘Jandras Hausaufgaben mit ihr durchgehen. Genau. Guter Plan. Weiterschreiben… Nachher. Wenn ich ein bisschen Mut gesammelt habe.
« Letzte Änderung: 22.08.2017 | 08:14 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!