100% einverstanden mit dem Verhalten des Prinzen von Seehofen (können wir nicht endlich mal zum Fürsten übergehen? Prinz ist doch so eine Fehlübersetzung...) bin ich auch nicht - weil ich es nicht verstehen kann. Da liegt m.E. der Knackpunkt. Ein Prinz kann nur einen sehr kleinen Teil seiner Entscheidungen aus anderen als rationalen (im Sinne von realpolitischen) Motiven begründen. Immerhin liegt die Verantwortung für so ziemlich alles in seinen Händen. Die Maskerade will gewahrt bleiben, Strafen verhängt, Gesetze erlassen, die Erstgeborenen ruhig gestellt, die Ancillae und Neugeborenen beschäftigt werden, es müßen Klüngel, Allianzen und Bünde im Auge behalten werden, die den Status Quo (von dem vor allem der Fürst und seine Verbündeten profitieren) gefährden könnten, und dann noch Bedrohungen von Außen abgewehrt werden.
Da einfach mal einen Haufen Leute vor den Kopf zu stoßen, weil man das Elysium doof findet, erscheint eher kontraproduktiv. Aber das mag auch an meinem mangelnden Einblick in die fürstlichen Entscheidungsprozeße liegen. Geschenkt.
Ein Fürst unter Vampiren muß stets auf der Hut sein. Der Patrizier aus der Scheibenwelt wäre z.B. ein enorm geeigneter Fürst. Er stellt sich in den Dienst seines Amtes, hält alles am Laufen und mischt sich nicht weiter in die Privatsachen seiner Untertanen ein - es sei denn er muß.
Ein Prinz laviert immer zwischen verschiedenen Interessengruppen - viele hätten gerne seinen Posten, mögen seine Amtsträger nicht, wären lieber in einer besseren Position, und er muß ein Gleichgewicht all dieser Vampire in einer Stadt von tendentiell immer knappen Ressourcen schaffen. Seine schärfsten Rivalen, die Ahnen, muß er mit Territorien und Blut belohnen, und gleichzeitig schwächen, damit sie nicht selber Fürst werden. Die jüngeren brauchen immer noch soviel, daß sie die Ordnung nicht in Frage stellen, sondern zufrieden sind und sich nützlich machen.
Deshalb würde ich fast jedem Fürsten folgende Eigenschaften zurechnen:
- Mißtrauisch, bis an die Paranoia
- Kalt und berechnend
- Skrupellos
- mit sicherer Menschenkenntnis
- kann mit unterschiedlichsten Typen umgehen und für sich einnehmen (oder einschüchtern, manipulieren, etc.)
- enorm vorsichtig
Es wird aber immer eine Vielzahl von Fürsten geben, die sich sehr unterscheidlich verhalten, also jovial oder distanziert, herrisch oder konsensorientiert, fortschrittlich oder statisch. Aber man sollte nie vergessen, daß der Machterhalt sehr sicher der oberste Imperativ eines jeden Fürsten ist. Ein scheinbar willkürliches Auftreten kann ein Machtmittel sein, aber das wird man nicht oft einsetzen können - unberechenbare Fürsten verlieren Unterstützung durch die Ahnen, die gerne berechenbare Fürsten haben.
Auf das konkrete Beispiel gemünzt, würde ich die Entscheidung zur Entlassung des Hüters (der ein Verbündeter, vielleicht auch ein ungeliebter Verbündeter SM ist) mit einem Grund versehen, auch wenn der Anlaß ein ganz anderer sein mag. Der Grund könnte z.B die Schwächung der Position eines Clans/Bundes sein, der den Hüter stellt, weil diese Leute nach Meinung SM (oder anderer mächtiger Personen, die ebenfalls das Ohr des Fürsten haben) zu mächtig geworden sind. Der Anlaß mag ein kleiner Skandal sein oder sonst eine Geschichte, um die sonst nie Aufhebens gemacht würde.
Um die Botschaft deutlich zu machen, wird auch gleich das Elysium dieses Hüters (und seiner Gönner/Hintermänner) für nichtig erklärt.
Da man ein neues Elysium braucht, und einen neuen Hüter, erklärt man es zu einem Wettstreit, um der Sache einen Anstrich von Fairness zu geben - denn selbstverständlich würde der Fürst niemanden bevorzugen, um keinen Streit auszulösen. Auch wenn es schon einen Wunschkandidaten gibt, wird der nicht kundgetan, weil ein Versagen als Zeichen der Schwäche des Fürsten ausgelegt würde - er hat nicht die Macht, seine Leute durchzusetzen. Andererseits wäre ein zwangsweises Einsetzen auch unklug, weil es mehrere wichtige Personen verärgern würde.
Wenn man sich jetzt aber hinstellt, und einen völlig irrationalen Beweggrund anführt ("bisher hab ich ja nix gesagt, aber eigentlich ist das voll öde") dann leidet wenn schon nicht die Glaubwürdigkeit, dann aber die Integrität des Fürsten. Dann würde ich eher vorschlagen das Ganze als Machtdemonstration aufzuziehen, den alten Hüter abzusetzen, dabei noch seine Verdienste zu würdigen, und dann nach Schema zu verfahren. Jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat - der Fürst sucht eine andere politische Stütze, weil die andere Mist gebaut hat, und will einen Kandidaten, der sich gegen Konkurrenten behaupten kann, damit er den hinterher nicht babysitten muß. Und da die Entscheidung am Ende immer noch in Händen SM liegt, kann er sich auch kein faules Ei einhandeln.
Wäre nur die Frage ob er dann außer der Schwächung der Konkurrenz noch etwas damit erreicht - vielleicht die Ablenkung eines oder mehrerer Kandidaten fürs Hüteramt von etwas anderem. Aber das geht keinen etwas an...