Runde 2: Hier spielen uninformierte, schlecht kommunizierende Leute miteinander, die ihren Spielstil niemals reflektieren und seit Jahr und Tag dasselbe Regelwerk benutzen, ohne sich je gefragt zu haben, ob das etwas taugt. Ein objektiver Beobachter käme nicht umhin, die erhebliche Frustration aller Beteiligten zu bemerken, weil sie ganz offenkundig etwas von dem Spiel wollen und nicht bekommen, das aber weder artikulieren können noch wissen, dass es Werkzeuge gäbe, die dafür viel besser (nämlich überhaupt) funktionieren, als die von ihnen aus Gewohnheit verwendeten Techniken. Trotzdem werden alle Beteiligten auf Nachfrage bestätigen, das Spiel mache ihnen Spaß.
Das ist m.E. ganz objektiv „schlechtes“ Rollenspiel. Jetzt kann man natürlich dem vermeintlich objektiven Beobachter Arroganz unterstellen, weil er den Leuten entgegen ihrer eigenen Aussage unterstellt, vom Spiel frustriert zu sein. Aber will hier wirklich jemand bestreiten, dass es solche Runden gibt, die sich selbst in die Tasche lügen?
Ich halte das trotzdem nicht für schlechtes Rollenspiel.
Schlechtes Rollenspiel ist es, wenn die Beteiligten auf Anfrage sagen, dass das Spiel sie nervt und sie es eigentlich nur noch spielen, weil sie da mit den anderen zusammen sind - oder schlimmer: Weil sie sonst nichts mit dem Abend anzufangen wüssten - oder schlimmer: Weil einer der Beteiligten sie immer wieder unter Druck setzt, damit sie mitmachen. Und selbst dann ist es meiner Meinung nach besser als *kein* Rollenspiel.
Es könnte vielleicht (weitaus) besser laufen. Aber „suboptimal“ ist nicht das gleiche wie „schlecht“.
Und womit Außenstehende ganz vorsichtig sein sollten, sind Versuche, die Gruppe zu verbessern. Das endet leicht im Verschlimmbessern.
Ich habe das einmal selbst versucht. Eine Gruppe, die die Hälfte des Spielabends gestritten hat. Spieler, die das Spiel der anderen sabotiert haben. Spielleiter, die die Charakterkonzepte von anderen genutzt haben, um diese in den Tod zu treiben.
Meine Verbesserungsversuche haben zu weitaus mehr Streit geführt, als wenn ich einfach die guten Seiten des Spiels genossen hätte. Und es hat langfristig nichts an der Runde geändert. Damals dachte ich aber auch noch, mein Spielstil wäre der Beste und alle hätten mehr Spaß, wenn sie nur spielen würden wie ich. Es war, bevor ich Robins Laws gelesen habe…
Vielleicht würde die Runde mit einem anderen Regelwerk sofort auseinanderbrechen, weil die gemeinsame Grundlage weg wäre. Oder weil das bisherige Regelwerk für einen bestimmten Spieler emotional wichtig ist und dieser Spieler die Gruppe zusammenhält.
Als Externer zu beurteilen, was die Hintergründe für Probleme in Gruppen sind, finde ich daher extrem schwierig.
Für die einzelnen Spieler Lösungen zu finden ist ganz einfach: „Was willst du vom Spiel?“ (oder schauen, an was er Spaß hat) → passende Regeln.
Für die Gruppe ist die Antwort viel schwerer. Und wer von außen kommt, bringt zusätzlich seine eigenen Probleme mit, so dass er nie wirklich objektiv sein kann. (und wer denkt, dass er keine Probleme hat, versteht sich selbst noch nicht ausreichend, um die Probleme von anderen beurteilen zu können)