Für die Frage, was schlechtes Rollenspiel ausmacht, ist eine Antwort, dass die absoluten Mindeststandards - grundlegende Regelkenntnis, grundlegende Settingkenntinis, kontinuierliche Charakterdarstellung, und last but not least allgemeine Höflichkeit - nicht erfüllt werden.
Hervorhebung von mir: Ich programmiere bei meiner Doktorarbeit viel, daher nehme ich dieses
und sehr ernst. Allerdings geht es noch nicht weit genug.
Wenn ein Spieler weder
- Regeln kennt, noch
- Die Welt kennt, noch
- Seinen Charakter kennt, noch
- Sachen macht, die die anderen witzig finden, noch
- Den anderen gegenüber höflich ist, noch
- Seinen Charakter rollengerecht spielt, noch
- Taktisch geschickt spielt, noch
- An der Stärkung seines Charakters arbeitet, noch
- In Kämpfen richtig reinrockt, noch
- Begeistert würfelt, noch
- Spannend erzählt, noch
- Lustig erzählt, noch
- Sympatisch ist, noch
- Die Geschichte unterstützt, noch
- Den anderen zuhört, noch
- Ideen einbringt, noch
- Über das Spiel nachdenkt, noch
- Die Runde organisiert, noch
- Neue Spieler dazubringt, noch
- … viele weitere Sachen, die manchen Runden Spaß bringen können
UND wenn seine Anwesenheit die anderen stört, dann ist er recht wahrscheinlich kein guter Rollenspieler.
Wenn jemand auch nur eine einzige dieser Stärken besitzt, dann kann er ein guter Rollenspieler sein. Und wenn dieser Punkt seiner Runde Spaß bereitet (und die fehlenden Punkte diesen Effekt für diese Runde nicht negieren), dann ist er für seine Runde ein guter Rollenspieler.
Und jede Definition von schlechtem Rollenspiel, die jemanden als schlechten Rollenspieler abstempelt, der eine dieser Stärken bietet, dann ist das eine unzureichende Definition, die nicht als
allgemeines Qualitätsmerkmal taugt.
Eine Definition, die jemanden als schlecht abstempelt, weil ihm eine oder ein paar wenige der Stärken fehlen, ist entsprechend völlig untauglich, um allgemeine Qualität feststellen zu können.
Beispielsweise hat mir eine der tollsten Spielerinnen, die ich kenne, mal erzählt, dass sie in ihrer DSA-Runde nie verstanden hat, wie ihre Geweihtenfähigkeiten funktionieren. Sie spielt aber unglaublich mitreißend, so dass das niemanden stört.
Und einem unserer Kernspieler fällt es extrem schwer, sich in eine Stimmung hineinzuversetzen. Ihm ist das Spiel aber unglaublich wichtig und er spielt seine Charaktere mit Inbrunst.
Wer allerdings nur wissen will, ob er mit einem bestimmten Spieler wahrscheinlich Spaß haben wird, der kann für sich subjektive Qualitätsmerkmale aufstellen - und die können vielleicht für andere Leute eine teilweise Gültigkeit haben, wenn diesen anderen Leuten ähnliche Qualitäten wichtig sind.
Wenn ich eine Paranoia-Runde spielen will, sollte ich es vermeiden, einen Spieler in der Runde zu haben, der es nicht erträgt, wenn sein Charakter stirbt. Und wenn ich mit diesem Spieler spielen will, sollte ich halt kein Paranoia spielen.
Anders herum könnte man sagen: Jeder, den mindestens eine Runde dabei haben will, ist ein guter Rollenspieler - zumindest für diese eine Runde. Und sein Stil ist mindestens für diese eine Runde ein guter Stil.
Die Diskussion um besseres Rollenspiel braucht also zuallererst eine Beispielrunde, anhand derer ein bestimmtes Spiel analysiert wird. Wenn du den Geschichtenerzähler Sven, die Taktikerin und Kampfsau Luna, den Schauspieler Jochen und die Spezialistin (Hacker) Ines als Gruppe nimmst, kannst du fragen, welche Spiele für diese Gruppe gute Spiele sind. Du kannst sogar fragen, welche Spiele für diese Runde besser geeignet sind als andere.
Und eigentlich sollte das spätestens seit Robins Laws Allgemeingut sein. Denn genau darum geht es in dem Buch, und zwar durchgehend.
PS: Und ja, es gibt sogar Leute, die sich gerne über Regeln streiten und den Adrenalinschub bei einer harten Diskussion genießen.