Habt ihr auch schon erlebt, das es häufig sehr Klischeehafte Chars bei DSA gibt?
Ohja, vor allem während meiner Zeit als Alveraniar. Da bekam man ja bei der Runden-Auslosung einen Eindruck, was für Charaktere die ca. 180 Spieler (höchster mir bekannter Wert, beim Ratcon-MPA) denn gerne bei uns spielen würden.
ich spiele selber einen Thorwaler-Piraten, der abergläubisch ist, dumm wie brot, Vorurteile gegen Horasier und Al Anfaner hat, mit niedriger magieresistenz und der mit Äxten kämpft.
Auch meine Spieler produzieren quasi nur Klischees. Der typische Elf, Magier usw. Bei geweihten ist es quasi fast schon vorgeschrieben, dass man ein Klischee spielen muss. Wenn da der Rondrageweihte eine unübliche Waffe verwendet, ist das schon an der Grenze. Das wird natürlich durch das System mit den automatischen Vor- und nachteilen und den professonen gefördert, aber es ginge natürlich auch anders.
Das Problem, das ich bei Klischee-Charakteren immer empfinde ist folgendes: Die individuelle Person verschwindet hinter dem Klischee. Wenn Du z.B. einen Standard-Klischee-Thorwaler spielst (und auch im Spiel so darstellst), dann würde mir es schwerfallen, mich an diesen Charakter zu erinnern. Weil er vielen anderen Helden, die ich bereits erlebt habe, so ähnlich wäre.
Ich persönlich mag das nicht. Naja... Sagen wir es anders: Ich würde es bevorzugen, wenn alle meine Mitspieler versuchen würden, ihre Helden zu individualisieren, d.h. ihren bestimmte Merkmale mitzugeben, die nicht dem Klischee entsprechen, und die dafür sorgen, dass man eine individuelle Person erkennt.
Außerdem glaube ich, dass das Streben nach dem Klischee eine Wechselwirkung zwischen Autorenschaft und Fandom ist. Wie mit der Henne und dem Ei frage ich mich: Was war zuerst da? Der Wunsch der Spielerschaft, detaillierte Informationen zu z.B. bestimmten kirchlichen Orden zu bekommen oder die Lust der Autoren, klein auf klein festzuschreiben, wie sich Ordensangehörige verhalten sollen? Und weil die Verkaufszahlen stimmen, wird halt noch mehr davon produziert - es scheint ja den Leuten zu gefallen.
Die Vergabe vieler Auto-Vorteile und -Nachteile sehe ich in der Tat als ein Problem an, durch das die Spieler wenig Möglichkeiten haben, bestimmte Charaktere individuell auszugestalten. Denn wenn man kaum GP-Spielraum hat, ähneln sich die Charaktere schon ganz automatisch von den Werten her - und im Falle von Nachteilen auch in ihrem Verhalten in gewissen Situationen.
Leider hat es das Regelwerk auch versäumt, mehr Wahlmöglichkeiten zuzulassen, eben wenn Du von den bevorzugten Waffen der Rondrianer (oder auch anderer Professionen) sprichst. Ich persönlich habe mir als Spieler/Spielleiter den Gürtel ein paar Löcher weiter geschnallt: Ein horasischer Rondrianer möchte lieber mit Fechtwaffen kämpfen? Soll er! Ein bornischer Rondrianer hätte gern die Axt als Hauptwaffe. Bitte sehr! In dieser Hinsicht lasse ich mich vom Regelwerk nicht bevormunden, aber ich gebe zu, es wäre schön gewesen, dies auch gleich offiziell so zu verankern.
Wie klischeehaft sind denn eure Chars?
Nach diesem Plädoyer muss natürlich die Antwort lauten: Möglichst gar nicht.
Ich versuche zwar schon, typische Charaktere zu erstellen (ich hasse Exotik um der Exotik willen), aber ich versuche ihnen, einen Dreh mitzugeben, der sie von anderen Charakteren mit ähnlicher Profession unterscheidet.
Für die Königsmacher-Kampagne wollte ich gerne eine Hexe spielen. Nun würden vermutlich 90% aller Spieler bei der Kombination Hexe und Horasreich auf die Katzenvariante tippen. Ich hingegen habe mich für Schlange entschieden mit dem Schwerpunkt auf der Alchimie (dummerweise ärgere ich mich über eine Reihe unnützer Zauber, die diese Profession bekommt. Hätte die Hexenprofession nur etwas mehr Freiraum, so wie etwa es in den Dunklen Zeiten gemacht wurde...). Sehr horasisch und dennoch abseits des Mainstream (ihr glaubt gar nicht, wie hoch der Anteil der Katzenschwestern unter der Gesamtzahl der bei den Alveraniaren vorgestellten Hexen-Charakteren war...).
Aber das geht auch bei den Geweihten. Da wird ja auch gerne das Klischee zum einzigen Option erhoben, besonders wenn es sich um irgendwelche Internetdiskussionen um Autorität und Macht dreht. Aber auch bei den Geweihten kann man Individualität hineinbringen. So etwa ist mein Rondra-Geweihter ein Konvertit. Der wurde von einem Missionar quasi mit Brotkrumen aus dem Regenwald gelockt und absolviert jetzt eine Geweihtenlaufbahn. Dass es unübersehbar ist, dass Bruder Leuenstolz irgendwie "anders" ist, macht das Spiel gerade so interessant. Und als ich mich der Herausforderung stellte, einen spielbaren Praios-Geweihten zu entwerfen, griff ich zum Hüterorden und machte aus dem Typen einen mönchischen, ziemlich in sich gekehrten und gelehrten Charakter, der nicht gleich geifernd eine Fackel wirft.
Auch das Zwergenklischee wollte ich unbedingt durchbrechen. Neulich hatte ich nämlich den ersten Zwergen seit ca. 10 Jahren erstellt. Es sollte ein Kämpfer werden. Und das Klischee lockte mich schon: "Komm schon, Chris", wisperte es mir zu, "nimm einen Ambosszwerg mit Söldnerprofession, schweres Fußvolk und Felsspalter! Brummelig ungeschickt!"
Aber dazu muss es doch eine Alternative geben! Also tüftelte ich ein wenig herum und machte aus dem Söldner einen Soldaten, konnte dann die Variante Sappeur nehmen, was ja für sich genommen auch wiederum sehr typisch ist. Aber es eröffnete ganz andere Möglichkeiten: Hohe Gewandheit für beste Bewegung im Tunnel, Schwimmen (man weiß ja nie, wann man eine Wasserader ansticht) und die Fähigkeit, jeden erdenklichen Gegenstand zur Waffe zu machen - all das passt hervorragend auf die gewählte Profession und lenkt den Standard "Zwergen-Kämpfer" auf eine andere Bahn.
DSA fördert meiner Einschätzung nach bereits durch die klein aufgedröselten Klassen mit Klischeebild und den Berg an automatischen Werten das Spielen eines wandelnden Klischees. Je mehr Klassen es gibt, die sich in immer kleineren Kleinigkeiten voneinander unterscheiden, desto größer ist die Beeinflussung in die Klischeerichtung. Entweder sucht man sich die Klasse aus, die am besten zum Konzept passt (und eine passt mit hoher Wahrscheinlichkeit perfekt) oder aber man baut seinen Charakter nach den Vorgaben der Klasse und Kultur. Wie oft musste ich schon von Spielern eines hochauflösenden Klassensystems (DSA4/Warhammer) zu hören bekommen: "Klasse X würde Y niemals machen, so kannst du nicht spielen"
Am wenigsten Klischees habe ich bisher in klassenlosen Systemen erlebt, dort denken die Spieler wirklich nach, anstatt sich mit Schablone X zu begnügen.
Diesbezüglich bin ich unentschieden. Einerseits möchte ich Dir widersprechen und erwähnen, dass die Vielfalt der angebotenen Professionen bei DSA durchaus eine gute Möglichkeit darstellt, vom Klischee abzuweichen. Wo es ganz früher "den Thorwaler" gab, kann man jetzt den Kulturtyp Thorwaler mit einer Reihe Professionen kombieren. Andererseits muss ich Dir aber auch zustimmen, denn jede einzelne Profession für sich kann ja wiederum zum Klischee werden.
Mein Eindruck aus dem Bauch heraus ist, dass ich bei DSA aber nur bestimmte Kombinationen oder Professionen als "klischeehaft" empfinde. Nimmt jemand eine andere Profession, die ich bislang gar nicht oder kaum am Spieltisch gesehen habe, würde ich es nicht als Klischee bezeichnen, selbst wenn diese Person einen sehr typischen Vertreter ihrer Profession spielen sollte.
Klassenlose Systeme haben nach meinem Empfinden aber auch ihre Probleme mit dem Klischee. Denn wo es keine Anhaltspunkte gibt und man komplett frei einen Charakter entwickeln kann, neigen manche Spieler auch dazu, einfach eine Vorlage von irgendwoher (entweder aus den vorgestellten Archetypen, ihrem Lieblingsfilm oder -computerspiel usw.) zu greifen und diese 1:1 umzusetzen.
Schöne Grüße
Chris