Ich führe jetzt einfach nochmal aus, wieso das Konzept in meinen Augen bei FATE nicht realisierbar ist.
Dazu kurz nochmal der Vergleich zu einer Schachengine, um zu erklären, wie so etwas eigentlich funktioniert.
Für eine Schachengine brauche ich drei Komponenten: Eine Bewertungsfunktion, einen Zuggenerator und eine Baumsuche.
Der Zuggenerator baut zunächst in einer Stellung einen Baum aller möglichen Züge mit einer vorgegebenen Tiefe auf. Dann bewertet die Bewertungsfunktion alle Stellungen auf der untersten Ebene mit einer einfachen Zahl, anhand Faktoren wie Materialvorteil, Mobilität, Stellungsvorteilen oder einfachen Dingen wie der Tatsache, dass die Stellung Schachmatt ist. Danach sucht die Baumsuche anhand dieser Ergebnisse die Zugfolge, die sich ergibt, wenn beide Seiten optimal spielen [so genannter Minmax-Algorithmus: Weiß am Zug will eine möglichst hohe Bewertung erreichen, Schwarz eine möglichst niedrige, da negative Werte einen Vorteil für Schwarz bedeuten).
Im Detail ist das alles noch deutlich komplexer. Ein paar Zahlen: In der Startaufstellung hat Weiß 20 mögliche Zügen. 20 dürfte auch für eine Überschlagsrechnung der Zahl der maximalen Züge in einer durchschnittlichen Stellung in guter Näherung passen, zumindest für einige Werte von "gute Näherung". Eine Suchtiefe von 20 Halbzügen kann einen Rechner schon ziemlich lange in Beschlag nehmen.
Jetzt zum Rollenspiel.
Nehmen wir mal an, wir spielen auf einem Quadratgrid (d. h. wir bewegen uns z. B. in DnD). Unser Char hat eine Bewegung von meinetwegen 5 Feldern. Diagonale Bewegung lassen wir mal aus dem Spiel. Wie viele Möglichkeiten für die Bewegung ergibt das? Eine Möglichkeit für "keine Bewegung", vier für "ein Feld Bewegung", acht für "zwei Felder Bewegung", zu viele zu zählen für drei, vier und fünf Felder Bewegung. Sind mehr als 20, jedenfalls. Dazu kommt dann noch der Angriff: Meistens gibt es mehrere Ziele und mehrere Arten, anzugreifen. Das wird ja quasi multipliziert. Dazu kommen noch alternative Aktionen wie Sprinten (was den Bewegungsfoobar noch mal schlimmer macht), Waffen wechseln, Zauber, Aufheben rumliegender Gegenstände, ...
Mit passendem "intelligentem" Rumschnippeln am Baum, ausgehend von Mustern, die der Programmierer sinnvoll findet (z. B. "Geh mit deinem Nahkämpfer an einen Gegner ran, du hohle Nuss") lässt sich das sicherlich alles etwas runterkochen, damit kommt dann aber schon keine optimale Lösung mehr raus. Viel Rechenarbeit ist es immer noch.
Jetzt widmen wir uns mal der Behauptung, bei FATE könne man doch alle Möglichkeiten abstrahiert reinbringen. Das gibt nur zwei Fehler.
Erstmal habe ich damit (ich gehe mal nur von Dingen aus, die in jeder FATE-Variante vorhanden sind, und da sicher auch nicht alle) für einen Zug schon folgende Dinge zu berücksichtigen:
* Bewegung in eine angrenzende Zone [ca. 3 Möglichkeiten]
* Angriff auf einen der n Gegner mit einer der m Fertigkeiten (grundsätzlich kann ich ja mit ziemlich vielen Fertigkeiten angreifen) [ca. 3x5=15 Möglichkeiten]
** mit Einsatz von einem oder mehreren Aspekten [für jede der 15 Möglichkeiten noch mal ca. 5 Möglichkeiten]
** wenn Angriff erfolgreich, Stress? Konsequenz? Concession? -> erstmal ist das quasi ne neue Ebene im Baum, und noch dazu sind das 3 Möglichkeiten für jede der 15x5 Möglichkeiten, die wir bisher schon hatten - also jetzt schon 225 Möglichkeiten, anzugreifen!
* Manöver mit Schwierigkeit von, sagen wir mal -2 bis 9: 12 Möglichkeiten
** mit Einsatz von 0 bis 5 Aspekten = ca. 50 Möglichkeiten
* Manöver gegen einen Charakter: Zahl der möglichen offensiven Fertigkeiten (und da geht jede) vs. Zahl der möglichen defensiven Fertigkeiten (da geht auch jede) macht hier ca. 20x20 = 400 Möglichkeiten.
** mit Einsatz von 0 bis 5 Aspekten beim Angreifer = 2000 Möglichkeiten
** mit Einsatz von 0 bis 5 Aspekten beim Verteidiger = 10.000 Möglichkeiten
Blocks, Magie, Stunts etc. lasse ich mal raus, weil ich ein furchtbar netter Mensch bin. Die regeltechnischen Details können teilweise abweichen.
Wir sind jetzt also für EINE(!) Handlung EINES(!) Charakters bei grob überschlagen 13.000 Möglichkeiten, in Worten dreizehntausend.
Ein Kampf besteht aus, sagen wir mal, 5 Runden. Jeder der, sagen wir mal insgesamt 10 Akteure handelt also fünfmal. Sagen wir, da ja auch Akteure rausfliegen im Laufe der Zeit, sind im Schnitt 7 Akteure pro Runde beteiligt. Also haben wir 70 Handlungen im Kampf.
Macht dann, völlig unmathematisch und grob über den Daumen gepeilt, 13.000^70= ca. 10^288 mögliche Ergebnisse auf der letzten Ebene - OHNE Berücksichtigung davon, dass ja auch die Würfel noch reinfunken. Gehen wir realistisch von ca.
Gut, ich habe einige Möglichkeiten des Regelsystems unterschlagen, mathematisch ist das auch nicht exakt. Da können also nochmal paar Nullen wegkommen oder dazukommen, aber bei 288 davon ist mir das ehrlich gesagt scheißegal.
Wo möchtest du den ganzen Baum denn überhaupt speichern? Selbst wenn du eine komplette FATE-Stellung in einem Bit speichern könntest, bräuchtest du immer noch gut 10^275 Festplatten à 1 Terabyte.
Und dann kann der Computer - wie bereits gesagt - ja nicht entscheiden, was überhaupt ein sinnvolles Manöver wäre und wann ein Manöver nutzbar ist. Damit spuckt der Zuggenerator dann so Ideen aus wie "Nutze deinen Aspekt Charmeur, um deinem Gegner einen glühenden Schürhaken in die Weichteile zu hauen, und gib ihm durch dieses Manöver den Aspekt Bester Cowboy diesseits des Mississippi". Also Ideen, die am Spieltisch klar durchfallen. Das ist so, als würde meine Schachengine auf einmal 1. Dd1xh2 spielen. Also müssen entsprechende Komponenten schon ganz klar im System verregelt sein.
Das Problem, dass es nicht reicht, eine optimale Abfolge zu finden, sondern dass Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden müssen, einschließlich Umentscheidungen der Spieler je nach Würfelergebnis (wodurch man nicht mal mehr große Teile des Baums ignorieren kann), macht den ganzen Algoritmus auch noch komplexer.
Die Bewertungsfunktion ist auch nicht ganz trivial, schließlich möchten beide Seiten ja nicht nur gewinnen, sondern dabei auch noch möglichst wenig Ressourcen verbrauchen, Sekundärziele erreichen o. ä..
Fazit: Selbst wenn man das Grundsatzproblem, dass sich die Ausgangssituation und die Handlungsmöglichkeiten eines Rollenspielkampfes niemals vollständig in ein Computerprogramm einspeisen kann, verleugnet und behauptet, eine Abstraktion auf die spielmechanischen Werte dahinter sei völlig ausreichend, ist rein rechnerisch offensichtlich, dass eine komplette, exakte und optimale Auswertung der Wahrscheinlichkeiten eines Rollenspielkampfes völlig unmöglich ist.
Sollten meine Rechnungen grobe Fehler aufweisen, korrigiert mich bitte.
tl;dr: Ich habe Recht.
edit: Ersten Fehler schon mal gefunden. Die Bewegung ist ja nicht statt des Angriffs, sondern zusätzlich bzw. kombinierbar - sind also schon 39.000 statt 13.000 mögliche Abläufe eines Zugs. Also noch mehr Nullen. Egal, ich glaube, mein Punkt ist trotzdem klar.