Was die selektive Bestückung der Spieler mit Informationen angeht, so habe ich die folgenden Erfahrungen gemacht:
1. Wie wichtig ist es?
Ist die Geheimhaltung wirklich wichtig? Ist die Information ein streng gehütetes Geheimnis, oder etwas was der Rest der Gruppe sowieso in der nächsten Szene herausfindet? Wenn letzteres der Fall ist, dann kann man es ruhig jetzt allen offenlegen, obwohl die restlichen Charaktere nicht anwesend sind. Geheimniskrämerei zu betreiben, nur um das was man vorher einem Spieler erklärt hat nochmal den restlichen zu verklickern, ist nur verschwendete Lebenszeit.
Korollar: Je weniger Spieler über eine Information verfügen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese unwissentlich verdreht und entstellt wird (besonders peinlich, wenn ingame nur wenige Stunden vergangen sind, der Spieler die Info aber fehlerhaft wiedergibt, weil outgame die letzte Session vor einem Monat war).
2. Spielwerte sind Abstrakta.
Die Würfe der Charaktere und die Werte auf ihrem Charakterbogen haben keine direkte Entsprechung in der Spielwelt. Es liegt an den Spielern, diese in Spielweltbegriffe zu übersetzen ("Mein Krieger ist stark wie ein Bär", statt "Er hat Stärke 19"). Soviel kann man seinen Spielern schon zutrauen. Wenn man Gegnerwerte nicht gleich enthüllt ist das vollkommen OK (da die Übersetzung dieser Werte idR nicht möglich und damit überflüssig ist), allerdings kann man, nachdem die Charaktere ihren Gegner in Aktion gesehen haben, den Spielern schon verraten, dass er "Parade 16" hat (wenn sie es nicht schon sowieso herausgefunden haben, weil sie ihn mit 16 getroffen haben, mit 15 aber nicht). Unnötig umständliche Formulierungen ("Er scheint irgendwie besser als du zu sein, aber nicht viel") schaden dem gemeinsamen Zusammenspiel und beleidigen die Intelligenz der Mitspieler.
3. Das Gesetz von der Erhaltung der narrativen Relevanz (r=i*s^2).
bedeutet, dass die Dauer für die eine Szene aus Spielersicht relevant (r) bleibt (also bevor sie in OT-Diskussionen abgleitet oder die Spieler Bücher lesen, Videospiele spielen etc.) sich aus dem Produkt des Spielerinputs "i" (d.h. den Grad der Gestaltung der Charaktergeschichte, Persönlichkeit etc.) und dem Quadrat des Situationsinputs "s" (d.h. offene Plotfäden, Kosten-Nutzen-Entscheidungen, moralische Abwägungen...) ergibt. Ist die narrative Relevanz groß genug, spielen die Spieler auch noch weiter, während der SL mit einem anderen Spieler mal aus dem Raum geht. Ist sie es nicht, fällt den Spielern schnell nichts mehr ein, worüber sie IT reden könnten und machen anderen Kram.
4. Das wahre Problem ist oft nicht Spielerwissen/Charakterwissen, sondern Spielleiterwissen/NSC-Wissen.
Ich denke die paar Sachen die Spieler mitkriegen (und ihre Charaktere nicht) sind nicht wirklich problematisch. Ich denke das wahre Problem ist, dass nur wenige Spielleiter es wirklich drauf haben, ihre NSCs wirklich "unbelastet" zu spielen. Das fängt oft schon bei Sozialfertigkeiten an: der Spieler muss ansagen, ob er auf "Motiv erkennen" oder eine vergleichbare Fertigkeit würfelt, oder ob er die Aussage des NSCs vorbehaltslos glaubt. Aber der SL lässt den Spieler jedes Mal auf "Lügen" würfeln, wenn er eine Lüge erzählt. Richtig störend ist das in magiearmen Settings mit Magier-SCs: hier werden die Reaktionen der NSCs im Kampf nur selten dem "Schockwert" der Magie angepasst (maximal kommt noch ein "Tötet die Hexe!" und alle kloppen auf den Magier ein) - da kommt nicht gerade das Gefühl auf, dass man den Anwender einer mächtigen, geheimnisvollen Zunft spielt.
Bevor man also seine Spieler der mangelnden Wissenstrennung beschuldigt, sollte man sich als SL mal an die eigene Nase fassen.
Addendum: "Don't go in there!"
In narrativ geprägten Spielrunden kann die Offenlegung von nicht-Charakterwissen sogar als dramatisches Instrument verwendet werden, weil sich die Mitspieler vielleicht schon einmal die dramatisch wirkungsvollste Reaktion ihrer Figur überlegen wollen, wenn sie die Info dann wirklich erfährt (bzw. die Enthüllung solange herauszögern können, bis sie ein bestimmtes dramatisches Moment erreicht).