1. Möglichst viele (früher auch als widersprüchlich geltende) Zielgruppen anzusprechen, ist eigentlich ein relativ aktueller neuer Trend, der seit etwas mehr als ~zehn Jahren stetig stärker wird, praktisch das Kim-Possible/Miley-Cyrus Syndrom. Big Bang Theory ist auch ein gutes Beispiel einer Serie, die vor zwanzig Jahren nicht möglich gewesen wäre, weil die Zielgruppe so breit ist.
Big Bang Theory IST eine Serie, wie es sie vor 20 Jahren gab. In exakt dieser Form, da ist nichts neues dran.
2. Zum anderen unterschätzt du die "Normalos" total.
Ich denke nicht.
Vampirserien gibt es inzwischen einige (naheliegenderweise)
und ein Großteil davon funktionieren ähnlich (siehe "Vampire Diaries", "Moonlight", US-"Being Human"...),
außerdem hat True Blood den üblichen HBO-Mix aus Sex, Gewalt und "Film-Inszerierung", der sich erstmal die komplette jugendliche Zielgruppe angelt.
Du musst dabei aber bedenken, dass das, was heute als das "HBO-Schema" gilt, vor 15 Jahren noch
undenkbar gewesen wäre. Jeder Studiochef hätte es damals abgelehnt. Und du musst auch bedenken: die Serie ist nicht erfolgreich geworden, weil sie von der Masse geschaut wurde - das kam später. Die Einschaltquoten für Staffel 1 war ziemlich mager, aber das Lob und die Preise für diese Serie, und nicht zuletzt die Begeisterungsfähigkeit der Fans, haben sie rübergerettet. Nach und nach wurde die Serie dann auch von anderen Zielgruppen sporadisch geschaut, aber in einem konservativen Fernsehmarkt wäre es nie dazu gekommen.
Das ist auch der Crux der Sache: Normalos gucken keine Serien, weil sie gut sind. Normalos gucken Serien, weil sie "dazugehören" wollen.
Person of Interest hat, so "anders" die Serie manchmal auch ist, im Grunde ganz normale Strukturen einer Agentenserie (Auftrag, Recherche/Infiltration, Trust Issues), inkls. case of the week, Rahmenhandlung und seichten Mainstream-moralischen Untertönen.
Agentenserien sind nun alles andere als Mainstream (selbst so etwas wie "The Americans" oder "Burn Notice" erreicht zu seiner besten Zeit nicht mal die Hälfte der Einschaltquoten einer beliebigen Cop-Show - von solchen Spezialfällen wie "Rubicon" oder "Persons Unknown" einmal ganz abgesehen).
Fantasy ist seit Herr der Ringe ja sowieso jedermanns Sache.
Ist es das? Und was bedeutet das für das Serienformat, wenn es auf Fantasy gepinselt wird?
verschiedene Handlungsstränge sind eigentlich seit Twin Peaks ein Serienstandard
Twin Peaks war niemals ein Serienstandard, es war (genau wie B5) ein Kampf eines kreativen Machers gegen uneinsichtige Studiobosse. Ab und zu hat so etwas funktioniert (kurzfristig, solche Serien haben selten mehr als 2-3 Staffeln) - in der Mehrzahl der Fälle bekam aber die "Gentrifizierung" des Fernsehprogramms die Oberhand.
Arrow ordnet sich lediglich bei diesem Trend ein, den die Superheldenfilme seit Spider-Man gehen. Und wie du auch an den Zuschauerzahlen siehst (die für den Slot der Serie wahnsinnig gut sind), geht das Konzept auf. Natürlich, ist ja derselbe Schmu, den die meisten Serien der letzten zehn Jahre machen. Ein bisschen Action für die Kids, ein bisschen High-Society-Drama für die Mama, ein bisschen Stephen Amells Oberkörper für die große Schwester, ein paar generische Schönheiten für den Bruder und natürlich extensives Name-Dropping für die Comic-Fans. Und diese letzten Sätze hier könnte man auch für jede der oben genannten Serien ausfüllen.
Du musst andere Superheldenfilme gesehen haben, als ich.
Es kommt auch auf die Mischung an. Klar erwarte ich bei Daredevil, dass er ab und zu als Matt Murdock im Gerichtssaal Prozesse führt. Das gehört halt zu der Figur dazu. Sobald diese Prozesse aber mehr als 90% der Serie einnehmen, oder sie in dieser Zeit noch die Abenteuers seines Cop-Kumpels, seines Highschool-Kumpels oder seines reichen Kumpels zeigen, dann würde ich mir aber ziemlich verarscht vorkommen (glücklicherweise deutet bisher noch nichts darauf hin, dass die Macher diesen Weg gehen werden).
AoS mach das übrigens recht gut mit dem "allmählichen Etablieren" von schrägen Krams (Spoiler):
Storyline A: erst vereinzelte Leistungssteigerung durch Extremis/Centipede ---> dann eine Folge über Bomben/Kontrollimplantate im Schädel (die ganze Folge ist darauf ausgelegt, dieses Konzept zu "verkaufen") ---> dann Gehirnchirurgie/Lebenserhaltung ---> dann Cyberware
Storyline B: Alien-Artfakte regnen vom Himmel und richten Schaden an ---> Aliens leben unerkannt in unserer Mitte ---> ein Alien ist Teil des Teams
Storyline C: Merkwürdige Energieformen werden entdeckt (z.B. Gravitronium) ---> Menschen absorbieren die Energie (Blizzard)
Mag nicht 100% realistisch sein, aber der Kram wird plausibel eingeführt (und am wichtigsten: ohne Kenntnis der Comichefte oder Filme vorauszusetzen). Obwohl man mit direkten Comic-Referenzen bei AoS bisher noch sehr sparsam ist, transportiert die Serie ziemlich viel Comic-Gefühl. Das ist eben die Crux: auch wenn man etwas nicht-comicmäßig benennt bleibt es in der Ausführung trotzdem comicmäßig.
Dagegen bei Arrow: Roy Harper könnte ebensogut "John Smith" heißen, würde keinen Unterschied machen... mehr als "name dropping" einiger Comic findet hier nicht statt (und manchmal reicht es nicht mal dafür - ich sage nur: "Unidac Industries"
).
Was die "Flash"-Serie angeht: auch die war ein Produkt ihrer Zeit. Wenn die Leute denken, dass kostümierte Superhelden nur für Albernheiten gut sind, dann schlägt sich dies auch in der Art und Weise nieder, wie diese produziert werden. Die Macher wollten eine alberne Serie und das haben sie auch produziert. Ein Grund mehr, einmal aus dem Schema auszubrechen und zu zeigen, dass es auch anders geht (z.B. "The Cape", die 8. und 9. Staffel von Smallville oder auch der Wonder Woman-Pilotfilm).
Gleich defateistisch heranzugehen und zu sagen "Das klappt eh nicht", ist imo der falsche Weg. Genauso falsch ist es, auf Nerd-Selbsthass zu schalten und zu versuchen sich an den Massengeschmack anzubiedern. Eine Serie wird nicht besser, weil mehr Leute sie geil finden (sonst wäre das Dschungelcamp die geilste Serie der Welt
).